So., 25.11.12 | 19:20 Uhr
Brasilien: Dürre im Armenhaus
Größte Trockenheit seit 47 Jahren
Verdörrtes Land, soweit das Auge reicht. Wir sind unterwegs im Nordosten Brasiliens im Bundesstaat Ceará. In einer Region, die es hart getroffen hat. Vertrocknete Wälder und Steppen, Kadaver und ausgetrocknete Flussbetten. Temperaturen um die 40 Grad. Die Luft ist staubig und steht. Und überall fehlt das Wasser. Leere Zisternen, seit Monaten. Die Natur und die Menschen kämpfen ums Überleben.
Francisca Francilene Gregorio
Francisca und ihre Familie leben wie alle hier von der Landwirtschaft. Doch die gibt seitdem es das letzte Mal richtig geregnet hat, das war im Oktober des letzten Jahres, nichts mehr her. Franciscas Sohn ist nun nur noch damit beschäftigt, Wasser herbeizuschaffen. Das ist das einzige Wasserloch weit und breit, dreimal täglich füllt Reginaldo seine Fässer. Kein Wasser, das wirklich genießbar ist.
Reginaldo Gregorio
Der Nordosten Brasiliens war schon immer das Armenhaus des Landes. Jetzt aber leiden die Menschen, wie noch nie. Der dreizehnte Monat ohne ergiebigen Regen. Insgesamt, so die letzte offizielle Statistik, sind über 10 Millionen Menschen von der Trockenheit betroffen. Für über 1.300 Gemeinden gilt der Notstand. Ernteeinbußen von 90%. Verzweifelt versucht Francisca dennoch, dem Boden wenigsten noch ein bisschen was fruchtbares abzuringen. Von der kargen Ausbeute leben, können sie nicht. Ihre Heimat vertrocknet.
Mocambinho heißt das nächstgelegene Dorf, alle paar Tage kommt Francisca her, um ein paar Grundnahrungsmittel einzukaufen. Sie bekommt eine spärliche Rente und Hilfe vom Staat. Die Regierung in Brasilia hat verschiedene Programme aufgelegt, um die Betroffenen der Dürre finanziell zu unterstützen. Doch das Geld reicht kaum, denn mit der Trockenheit steigen auch die Preise.
Francisca Francilene Gregorio
Milchbauer Francisco, den alle nur Agapito nennen, war ein stolzer Mann. Er und seine Familie hatten es geschafft, hier die größte Farm der Region aufzubauen. Der größte Milch- und Käseproduzent in der Gegend. Und jetzt geht gar nichts mehr.
5.000 Hektar Land mit über 600 Stück Vieh, 500 Liter Milch am Tag, so war das bis vor einem Jahr. Agapito nimmt uns mit auf sein Land, um zu zeigen, was davon geblieben ist. Wie viele seiner Tiere bisher der Dürre zum Opfer gefallen sind, das weiß der Farmer nicht genau. Er hat längst aufgehört, zu zählen.
Francisco Monteiro, Viehzüchter
Hier war letztes Jahr noch alles grün, schreit er uns zu, da drüber waren Maisfelder.
Kein Wasser, kein Gras. Das einzige, was noch wächst, sind Kakteen. Die müssen jetzt als Futtermittel herhalten. Normalerweise würde keine Kuh das stachlige Gewächs anrühren, deshalb werden die Pflanzen besonders zubereitet, die Stacheln abgebrannt.
Joao Batista, Bauer
Abgeflammt, gespalten und gehäckselt. Der Kaktus als letzter Hoffnungsschimmer. Not macht zwar erfinderisch, aber eine wirkliche Lösung ist das nicht. Der Rest der Tiere wird immer dünner.
Francisco Monteiro, Viehzüchter
Der genaue wissenschaftliche Beweis steht aus, aber alles deutet darauf hin, dass der Klimawandel Schuld ist.
Im Institut für Meteorologische Forschung in Fortaleza beobachten sie schon seit Jahren einen Rückgang der Regenaktivität. Die Folgen sind dramatisch.
Raul Fritz, Meteorologe „Funceme“ Fortaleza
Weniger Regen, dafür immer mehr Feuer, das bekommen wir hier gezeigt. Die trockene Natur entzündet sich immer öfter von selbst und nach wie vor versuchen Farmer durch Brandrodung Weideflächen zu schaffen für Viehherden, die hier überhaupt keine Chance auf ein Überleben mehr haben. Wenn das nicht gestoppt wird, sagen Wissenschaftler, dann ist das Schicksal dieser Region endgültig besiegelt.
Hilfsprogramme, wie die Verteilung von Trinkwasser helfen da nur kurzfristig. Der Staat versucht die schlimmste Not zu lindern und arbeitet an Präventionsmaßnahmen und dem Ausbau einer besseren Wasserversorgung. Milliardenbeträge werden dafür zur Verfügung gestellt.
Doch vorläufig sind es nur 5 dieser Lastwagen in der gesamten Region, die mehrere tausend Menschen mit dem kostbaren Nass versorgen sollen. Viel zu wenig klagen lokale Politiker,
Raimundo Nonato, Landwirtschaftsamt Saboerio
Nach drei Monaten endlich bekommen Francisca und ihre Familie wieder frisches Trinkwasser. Die Zisterne wird wieder ein wenig aufgefüllt.
Francisca Francilene Gregorio
Ein Daumenabdruck zur Bestätigung für die Lieferung. Wann das nächste frische Trinkwasser kommt, weiß Francisca nicht. Im Moment ist das auch völlig egal, denn auf diesen kräftigen Schluck hat sie lange gewartet.
Autor: Michael Stocks
Stand: 22.04.2014 14:51 Uhr
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