So., 31.05.15 | 19:20 Uhr
Das Erste
USA: Die Visionen von Silicon Valley
Kate Courteau, Y Combinator:
Rob Nail, CEO Singularity University:
Peter Diamandis, Mitbegründer der Singularity University:
Ich habe schon viel über dieses Tal der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten gehört, aber nie ganz verstanden, was die Menschen antreibt, die unsere Zukunft so tiefgreifend verändern. Weil sie es können? Weil es sie reich macht? Und warum gibt es auf der Welt keinen vergleichbaren Ort? Zeit, mir selber ein Bild zu machen.
Südlich von San Francisco beginnt ein geographisch überschaubares Gebiet, in dem es längst um mehr geht als nur Computer-Chips und Halbleiter. Kommunikation, Medizin, Verkehr. Kaum ein Bereich, den sie nicht verändern wollen.
Und das fängt schon bei den Kleinsten an. Chemie- und Physik-Unterricht im Wohnzimmer der Familie Cook. Samantha und ihr Mann Chris gehören zu einer wachsenden Gemeinde von Eltern, die ihre Kinder nicht in herkömmliche Schulen schicken – sondern zu Hause selbst unterrichten. Wenn die Welt sich insgesamt verändert, warum sollte die Bildung veralteten Modellen des 20. Jahrhunderts folgen?
Samantha Matalone Cook:
Denn diese alte Welt bereite die Kinder oft nur dürftig auf die Welt von morgen vor. Und in der – so die Haltung, die ich überall im Silicon Valley finde – geht es in erster Linie ums Machen, ums Ausprobieren. Deshalb bringt Samantha Cook ihre Kinder mehrfach die Woche in diese Hacker-Werkstatt. Man könnte es auch schlicht Werk-Unterricht nennen. Sie nennen es: Neugierde entfesseln. Kinder sollen früh erfahren, wie man etwas selbst herstellt oder bedient.
Wendy Ventresco, Mutter:
Sollen hier der nächste Bill Gates, der nächste Mark Zuckerberg geformt werden?
Samantha Matalone Cook:
Zumindest wächst hier eine Generation heran, die den rasanten Entwicklungen im Silicon Valley gegenüber keine Berührungsängste kennt. Im ganzen Tal gibt es kaum einen Ort, der mehr für diesen Fortschrittsglauben steht als die Denkfabrik Singularity University. Ein Tempel für Technologiebegeisterte, zu dem Jünger aus aller Welt pilgern, um von den Gurus der Silicon-Valley-Mentalität zu lernen.
Peter Diamandis, Mitbegründer der Singularity University:
Die Grundfrage an alle Kursteilnehmer – ein Appell: Wie werdet Ihr das Leben von einer Milliarde Menschen verbessern? Vieles kommt mir auf den ersten Blick auch wie Spielerei vor. Aber das ist oft der Ausgangspunkt für alles Weitere. Wer hier eine Idee hat, bekommt eine Chance. Und nicht nur eine.
Rob Nail, CEO Singularity University:
Diese ermutigende Haltung hat auch die Gründer eines Drohnen-Start-Ups angelockt. Andreas Raptopoulos sieht die Zukunft für schnellen Transport von Kleingütern in der per App gesteuerten Luftfracht. Der gebürtige Grieche weiß, dass es noch viele Hürden zu bewältigen gibt. Aber wer nur an Probleme denke, übersehe Potentiale.
Andreas Raptopoulos, Matternet:
Doch Optimismus allein hält nicht ewig. Was mich zu einer weiteren Beobachtung führt. Wenn hier Ideen überzeugen, werden sie auch massiv finanziell gefördert. Der Y-Combinator ist so ein Starthilfe-Geber, hat mit Hilfe von risikofreudigen Investoren schon Firmen wie AirBnB auf den Weg gebracht. Bis zu 120.000 Dollar für drei Monate Entwicklungszeit bekommen Start-Ups hier. Am Ende muss dafür ein marktreifes Produkt stehen.
Kate Courteau, Y Combinator:
Und wenn die Wette nicht aufgeht – das nächste erfolgreiche Start-Up kommt bestimmt.
Atemberaubende Schritte machen sie derzeit in der Bio-Technologie. Hinter dieser Fassade etwa verbirgt sich eine Bio-Hacker-Bude, für die genetische Codes das Gleiche wie Software-Codes sind. Sprich: programmierbar. Mit einer Art 3D-Laser-Drucker und ein paar Chemikalien können sie DNA, also Erbgut, für wenig Geld selbst herstellen.
Aber bekanntlich vergisst das Internet ja nichts. Dort finden sich Interviews, die der Chef der Firma bis vor wenigen Monaten noch breitwillig gab. Darin verteidigt er, dass mit seiner Erfindung theoretisch jeder zum Gen-Designer werden kann.
Austen Heinz, Cambrian Genomics:
Klingt gespenstisch. Doch andererseits – würde ich meine Kinder nicht auch von einem tödlichen Gen-Defekt befreien wollen, wenn es möglich wäre? Das ist das Dilemma unserer Zeit. Wie mit der Technologie umgehen, die sie besonders hier so vorantreiben? Eins ist mir klar geworden – in diesem Tal verschieben sie Grenzen. Ob wir wollen oder nicht. Es ist eine Debatte, der wir uns stellen müssen. Sonst findet die Zukunft ohne uns statt.
Autor: Ingo Zamperoni/ARD Studio Washington
Stand: 31.05.2015 20:35 Uhr
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