So., 22.03.15 | 19:20 Uhr
Das Erste
Tunesien: Terror im Urlaubsland
Auch am Wochenende stehen sie noch am Tatort, tunesische Bürger, die nach Antworten suchen und doch ratlos bleiben.
Das Nationalmuseum Bardo – wie konnte der Terror hier so ungehindert wüten, fragen sich viele. Klar ist: die tunesischen Attentäter waren bestens vorbereitet, in Libyen sind sie in einem Terrorcamp ausgebildet worden.
Die Spuren verlaufen ins Nachbarland, das stellt auch Tunesiens Innenminister beim Besuch im Museum fest. Und er gibt sich selbstsicher.
Mohamed Najem Gharsalli, Innenminister Tunesien:
Wir haben da so unsere Zweifel, denn wir waren erst vor zwei Wochen im Grenzgebiet, rund um den Ort Ben Guerdane auf tunesischer Seite.
Der Grenzposten - jenseits des Schlagbaums liegt Libyen, ein Land, das im Chaos versinkt. Manchmal wird der Übergang vorübergehend geschlossen, wenn die Lage auf der anderen Seite zu kritisch erscheint.
Wir haben alles im Griff, haben uns die Militärs von Ben Guerdane versichert, und eine martialische Patrouille für unsere Kamera organisiert.
Die Truppen hier müssen die offene Grenze in der Wüste kontrollieren.
Auf der anderen Seite in Libyen sollen die Terroristen vom Islamischen Staat mehrere Ausbildungscamps eigens für Tunesier unterhalten, eines sogar in Grenznähe, nur 50 Kilometer entfernt.
Mourad El Mahjoubi, Tun. Armee:
Im Grenzort Ben Guerdane wird uns schnell klar, wovon viele Menschen hier leben – es wird geschmuggelt, was das Zeug hält.
Mit versteckter Kamera drehen wir in den Straßen, wie dort ganz offen mit Benzin aus Libyen gehandelt wird, oder auch massenhaft mit Elektrogeräten wie etwa Fernsehern.
Der Umsatz aus der Schmuggelware soll in Tunesien jährlich mehrere Milliarden Euro betragen – und: auch Terrorgruppen finanzieren sich wohl damit in großem Stil, gerade über den illegalen Verkauf von Zigaretten.
Wir sind mit einem tunesischen Schmuggler aus Ben Guerdane unterwegs, der nicht erkannt werden möchte. Seine bevorzugten Waren sind Benzin und Lebensmittel. Er will uns zeigen, wie einfach es ist, auf die andere Seite zu kommen.
Wir sind jetzt in der Gegend, wo wir noch am Vortag mit der Militärpatrouille unterwegs waren. Die Schmuggler haben ihre Schleichwege und kennen die Routen der Militärs. Mit den Terrorgruppen auf der anderen Seite wollen sie nichts zu tun haben, ihr Geschäft ist aus der Not geboren.
Hier in der Wüste, erzählen sie uns dann noch, sei gerade, im Boden vergraben, ein großes Waffendepot gefunden worden.
Zum Arsenal gehörten 30 Flugabwehr-Raketen, Handgranaten und eine große Anzahl von Kalaschnikows. Immer mehr Waffen gelangen nach Tunesien – die Wüste bei Ben Guerdane ist zu durchlässig.
Mourad El Mahjoubi, Tun. Armee:
Mit den Waffen kommen auch die Militanten nach Tunesien. Irgendwo in der Grenzregion treffen wir einen jungen Mann, der für den Islamischen Staat im Irak gekämpft hat. Er möchte unerkannt bleiben. Angewidert von der Brutalität des IS hat er sich abgesetzt. Er warnt: die Gewaltbereitschaft der Terroristen nehme weiter zu. Gerade viele junge tunesische Männer fühlten sich von der Terrorgruppe angezogen – und die werden für ihre Heimat zur Gefahr.
Schmuggel, Waffen, Jihadisten – die Spur verläuft von Libyen direkt zum Museum Bardo in Tunis.
Die Terroristen wollten das moderne Tunesien treffen. Das soll ihnen nicht gelingen. Schon morgen wird das Museum wieder seine Tore öffnen, auch wenn noch nicht alle Spuren des Anschlags beseitigt sind.
Moncef Ben Moussa, Direktor « Museum Bardo » :
Und so setzen sie die Kunst gegen den Terror - das weltoffene Tunesien will nicht aufgeben.
ARD Studio Madrid/Autor: Stefan Schaaf
Stand: 23.03.2015 11:34 Uhr
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