So., 26.04.15 | 19:20 Uhr
Das Erste
England: Der Wahnsinn am Londoner Wohnungsmarkt
Achtung, das ist ein Porno, ein Immobilienporno – man kann einfach nicht weggucken. Sollte man aber besser. Auf dem Designersofa werden sich schon bald die Superreichen lümmeln. Peter Wetherell zeigt das Sahnestückchen mit der Non-Chalance des Gentlemans. Prime-Location, Spitzenpreis – Fast 50 Millionen Euro soll das Penthouse mit den sieben Bädern einspielen. Minimum.
Peter Wetherell, Makler:
Eine Führung wie durch einen Filmset – schließlich hat sich hier schon Tom Cruise gebettet. Und Cher. Nacheinander. Für 80.000 Euro die Woche. Wetherell preist den James Bond Moment.
Wie hoch die Gewinnmarge des Besitzers sein wird, darüber schweigt der Gentleman-Makler. Die Geschäfte in London laufen erstklassig – ein solches Penthouse ist Prestige und Investition. Vor allem für Ausländer.
Macht sicher Spass hier zu kochen, frage ich und ernte Erstaunen –
Peter Wetherell, Makler:
London – cool, schön, begehrt. Glücklich wer hier hat. Die Megacity der Milliardäre atmet Geld und giert nach mehr. London catert für die Reichen, wenig Steuern, viel Sicherheit, gute Schulen. Den Blick immer nach oben. Großstadt Glämorous – Großstadt Gnadenlos.
Noch sind sie ein kleines Trüppchen, aber sie werden immer mehr in London, ihre Botschaft ist kraftvoll. Schluss mit der sozialen Säuberung. Wohnen ist Menschenrecht.
In Peter Wetherells feinem Maifair machen die Anwohner der Barnet-Siedlung mobil gegen einen Investor, der sie aus ihren Wohnungen vertrieben hat.
Dilem Kurt, Anwohner:
Hier im Barnet Estate im Norden Londons haben bis vor kurzem 150 Familien gelebt, dann kam die Zwangsräumung – das Fleckchen Erde mit der guten U- Bahnanbindung an die City, zu kostbar für Sozialwohnungen. Auch hier sollen jetzt Luxusappartements entstehen.
Hier zeigt Londons Housing-Krise ihr traurigstes Gesicht.
Und Dilem führt zu dem Haus, in dem sie glücklich waren. Perfekt war es, für Bruder und Eltern, eine schöne Küche, ein Zuhause eben. Man hat sie kurzerhand in eine Notunterkunft verfrachtet.
Dilem Kurt, Anwohner:
Hoch, höher! London boomt. Verändert nicht nur das Gesicht. Auch die Seele. Südlich der Themse – ein Riesenprojekt. 18.000 Wohnungen. Noch mehr Luxus. Diesmal Für Chinesen. Wohnen werden die hier nicht. Aber Geld machen. Monoploy. Und Londons Mittelschicht spielt nicht mehr mit.
Frühstück gibt’s bei den Browns nur im Stehen, manchmal dauert die Fahrt zur Arbeit in die City drei Stunden, aber eine Wohnung in Stadtnähe können sie sich nicht leisten. Unbedingt möchten sie kaufen – schon wegen der erstaunlichen Auflagen im Mietvertrag.
Eirin Brown, wohnt außerhalb von London:
Miese Mieterrechte und die britische DNA, dass jeder ein Häuschen sein eigen nennen sollte – treibt die Beiden jedes Wochenende durch immer neue Stadtteile. Mit jedem Kilometer näher ran an die Stadt und mit jedem Monat, der vergeht, werden Londons Haus- Preise unerreichbarer. Walstomstow im Nordosten – bis vor kurzem war das hier kein dolles Pflaster – jetzt lassen sich auch hier Spitzenpreise erzielen. Goldgräberstimmung. Zu wenig Angebot, zu hoch die Nachfrage.
Aufsager:
Deswegen haben sie sich jetzt auf ein Blinddate eingelassen.
Eine Kuppel-Website für klamme Häuslekäufer hat sie mit Xavier zusammengespannt. Auch der will nicht mehr Mieter sein. Sich einfach zusammentun, das könnte eine Lösung sein und Schule machen in London
Drei Minuten gibt ihnen der Makler – und bitteschön schnell entscheiden. Die Konkurrenz ist groß. Wir dürfen nicht mit rein. Also Handy raus und abgefilmt. Aber wie bitte schön soll man in drei Minuten entscheiden, ob Raum und Blinddate passen. Geht gar nicht. Der Traum vom eigenen Haus bleibt ein Alptraum nicht nur für die Browns.
Sir Edvards Träume sind aus Stahl und Glas. Der Stadtplaner kennt nur das Superlativ. Über 200 Wolkenkratzer in Bau und Planung, vor allem ausländische Investoren drängen an die Themse. Mit aberwitzigen Preisen.
Sir Edward Lister, stellvertretender Bürgermeister London:
Nur für wen? Und wem eigentlich gehört London?
Den milliardenschweren Kunden von Peter Wetherell, die die Preise hochtreiben und eine Labor-Regierung fürchten, weil die aufräumen will - mit so manchem Reichenprivileg. Oder Paaren wie den Browns – für die der Häusletraum trotz konservativer Wahlversprechen unerreichbar bleibt, oder Jungen Frauen wie Delim – die jeden Tag spüren wie weit die Schere klafft – in dieser Stadt, die trotz allem ein Sehnsuchtsort ist.
ARD London/Autorin: Hanni Hüsch
Stand: 26.04.2015 20:28 Uhr
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