So., 19.01.14 | 19:20 Uhr
Das Erste
Türkei: Der Staat im Staat – die Gülen-Bewegung
Machtkampf zwischen alten Freunden
Islam-Prediger Fetullah Gülen ist sein stärkster Gegner und Ministerpräsident Erdogan unter Druck…
Ein Staat im Ausnahmezustand…
Die Türkei seit einem Monat…
Fast kein Tag ohne Demonstrationen…
Türkische Börse und Währung im freien Fall.
Der Hintergrund: Ein Krieg der konservativen Kräfte des Landes. Ein in Amerika lebender Prediger und seine mächtige Organisation gegen einen islamisch-konservativen Ministerpräsidenten und seine Partei. Gülen und Erdogan, einst waren sie Weggefährten mit der Vision einer islamischeren Türkei, inzwischen aber sind sie politische Todfeinde.
Recep Tayyip Erdogan
Mitte Dezember – der Tag eines Showdowns: Polizeikräfte nehmen 24 Personen fest – darunter auch Söhne amtierender Minister. Der Vorwurf: Korruption im großen Stil. Manipulation von Baugenehmigungen und Geldwäsche. Insgesamt 60 Millionen Dollar sollen an Bestechungsgeldern geflossen sein. Ein Vorwurf, der in das moralische Herz der türkischen Regierungspartei trifft. Ist man doch einst als „Saubermann“ angetreten.
Vier Minister müssen wegen der Vorwürfe ihren Hut nehmen. Und doch spricht die AKP-Regierung von einer „Schmutzkampagne“ gegen sie. Damit aber nicht genug:
Tausende Polizisten und Staatsanwälte, die mit den Ermittlungen und Festnahmen befasst waren, werden ohne Begründung zwangsversetzt. Seither sind Polizei und Justiz lahmgelegt – weitere, fast abgeschlossene, Ermittlungen werden vereitelt – so auch gegen Erdogans Sohn.
Gut zehntausend Kilometer entfernt in den USA: Seit 15 Jahren lebt hier Fetullah Gülen, die graue Eminenz der Türkei. Von hier aus soll er den Stein gegen die türkische Regierung ins Rollen gebracht haben, seinen Krieg führen. Der Islam-Prediger Gülen ist der Gebieter über ein mächtiges, weltweit wohl einmaliges, Imperium. Dessen Rückgrat: Mehr als 1000 Privatschulen und Nachhilfeinstitute in über 140 Ländern – so auch in Deutschland. Daneben: Zeitungen, Fernsehsender und Unternehmen.
Sein Ziel: Schaffung einer modernen islamischen Gesellschaft durch Bildung. Gleich mehrere Millionen Mitglieder sollen nach eigenen Aussagen der Gülen-Bewegung in der Türkei „dienen“. Seit Jahren sollen türkische Justiz und Polizei von ihnen regelrecht unterwandert sein. Ein Zustand, dem die Regierung nun den Kampf angesagt hat – wohl nicht ganz zufällig genau jetzt, da sie selbst wegen Korruptionsvorwürfen unter Druck geraten ist..
Adem Yavuz Aslan, Chefredakteur Zeitung „Bugün“
Die Gülen-Bewegung, der mächtige Staat im Staate der Türkei… Dessen Herz: Bildungseinrichtungen. Die Drohung der Regierung Erdogan diese einzuschränken war wohl der Auslöser für den innenpolitischen Krieg. Doch: Ohne ihre Schulen ist die Gülen-Bewegung nicht denkbar. In ihren sogenannten „Lichthäusern“ werden Jugendliche in ihrem Sinne geformt. Hier soll eine islamische Elite geschaffen werden – der Nachwuchs der Gülen-Bewegung.
Mustafa, sein Name wurde von uns geändert, gehört dazu. Er ist Student und Mitglied der Gülen Bewegung. Deshalb wird er „großer Bruder“ genannt.
das kann zum Beispiel auch hier sein, im berühmtesten Militärgymnasium der Türkei in Istanbul. Ahmet, auch sein Name wurde von uns geändert, war lange Zeit dabei, ehe er ausstieg. Sein Weg mit und für die Gülen-Bewegung sollte ihn in der türkischen Armee möglichst weit nach oben bringen.
„Die Jugendlichen werden in Kategorien eingeteilt. Du gehst zur Polizeischule, Du zum Militär, heißt es dann. Dann werden gezielt Maßnahmen ergriffen. Ich zum Beispiel sollte mich beim Gebet nicht mehr auf meine Füße setzen, damit man dort keine auffälligen Druckstellen von meinem regelmäßigen Beten findet“.
Wer sich mit der Gülen-Bewegung in der Vergangenheit anlegte, hatte oft und schnell Probleme – so auch Staatsanwalt Ilhan Cihaner, der es mit der Polizei zu tun bekam .
lhan Cihaner
Die Türkei in diesen bewegten Tagen: Demonstration der Gewerkschaften in Ankara gegen Korruption. Die Regierungspartei AKP hat nach Umfragen an Rückhalt in der Wählerschaft verloren. Doch: Niemand weiß, wie der Machtpoker zwischen Gülen-Bewegung und Regierung enden wird.
Ilhan Cihaner
Gülen-Bewegung contra AKP-Regierung. Bis zu den Kommunalwahlen im März, dürften spannende Tage auf die Türkei zukommen.
Autor: Michael Schramm/ ARD Studio Istanbul
Stand: 15.04.2014 10:48 Uhr
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