Mo., 03.11.08 | 04:50 Uhr
Das Erste
Weltspiegel
Der ARD-Weltspiegel vom NDR - diesmal aus gegebenem Anlass aus Washington - hat folgende Themen im Programm:
USA: Wahlkampf-Wahnsinn
Nur noch zwei Tage bis zur Wahl, und der Dreck fliegt von beiden Seiten: Barack Obama ist ein Sozialist, Terrorist und Moslem. Das unterstellen die Republikaner dem Kandidaten aus Illinois. John McCain ist ein Tattergreis, krebskrank und im Grunde wie Bush, wettern die Demokraten. Ein Wahlkampf, der neue Maßstäbe setzte: Nie waren die Kandidaten unterschiedlicher, nie wurde mehr Geld ausgegeben und nie zuvor unerbittlicher gekämpft - im TV, auf Parteitagen, Kundgebungen und sogar übers Mobiltelefon per SMS. Die USA stehen nach acht Jahren George W. Bush vor einer Richtungswahl. Wie grundsätzlich die Entscheidung ist, zeigt die politische Achterbahnfahrt der republikanischen Kandidatin für das Amt der Vizepräsidentin: Sarah Palin wurde nach einem fulminanten Start im September zu einer schweren Belastung für John McCain. Höhen und Tiefen eines denkwürdigen Wahlkampfs: Wer hat im Rennen um das Weiße Haus die Nase vorn, und wie gehen die Kandidaten in die letzten, entscheidenden Stunden vor der Abstimmung?
Autor: Thomas Berbner/ARD Washington
USA: Die Wahlbeobachter
"Mein Haus wurde gerade zwangsversteigert", sagt die Stimme am
Hotline-Telefon, "darf ich jetzt noch zur Wahl gehen?" - Solche Anrufe
sind gar nicht so selten im US-Krisen-Wahljahr 2008, sagen die Juristen der
überparteilichen Hilfsorganisation "Election Protection", zu deutsch "Wahlschutz". Die Wahlbeobachter halten seit dem peinlichen Auszählungschaos von Florida vor acht Jahren landesweit Augen und Ohren offen. Andere Anrufer haben ihre Kennkarte verloren, die sie bei der Wähler-Registrierung erhalten hatten. Eine Anfrage ergibt, dass in ihrem Wohnort auch ein Führerschein mit Lichtbild reicht. Manche Latinos sind in Sorge, dass die Wahlanleitungen nicht in Spanisch vorliegen könnten. Auch trägt zur Verwirrung bei, dass die Vorschriften nicht nur zwischen den Bundesstaaten variieren, sondern auch oft von Ort zu Ort. Wahlpannen wie im Skandaljahr 2000 würden sich jedoch nicht wiederholen, versichert ein Verantwortlicher in Florida, der auch gleich die Wahlmaschinen vorführt - frisch getestet und versiegelt. Unterdessen rüsten beide Lager, gerade in Wechsel-Staaten wie Florida oder Virginia, mit Kampagnen-Helfern auf, um noch die letzten Anhänger zu mobilisieren - "Get out the Vote". Und mit Anwälten, für jene Fälle, in denen Hotlines nicht mehr helfen können ...
Autor: Klaus Scherer/ARD Washington
USA: Palin, das Halloween-Gespenst
Sie ist das Kult-, Spaß- und Hass-Objekt des zu Ende gehenden Wahlkampfes:
Alaskas Gouverneurin Sarah Palin, die neben dem Republikaner John McCain Vizepräsidentin werden will. Die ehemalige Schönheitskönigin, die mit abstrusen Interviews und aufwendig toupierter Hochfrisur auffällt, wird gerade zu Halloween von ungezählten Doppelgängern nachgeäfft: Zum traditionellen "High-Heels-Rennen" der Schwulen in Washington sollten möglichst viele als Palin-Doubles antreten, in Alaskas Hauptstadt gab's in einer verräucherten Kneipe einen Palin-Sanges-Wettstreit, in New York bietet ein kleiner Friseur zu völlig überteuerten Preisen Palin-Frisuren an und will den Gewinn an Obamas Demokraten spenden. Da fällt Randell West aus New Jersey kaum noch auf: Er ist ein Obama-Doppelgänger, so echt und so seriös, dass er bei einem Bankett von Geschäftsleuten in Princeton als Ehrengast akzeptiert wurde.
Autor: Christoph Lütgert/ARD Washington
Kenia: "Wir werden Präsident"
Bei seinem Heimatbesuch 2006 feierten die Kenianer ihren "Bruder" Barack Obama enthusiastisch. Obamas Vater war Kenianer. Und nun hatte es der Sohnemann in den USA zu etwas gebracht. Vor zwei Jahren war er Senator, jetzt schickt er sich an, Präsident des mächtigsten Staates der Welt zu werden. Das afrikanische Land fiebert mit, von der Nobelpreisträgerin bis zum Straßenverkäufer, "Kenia wird Präsident" lautet die Losung. Auf den Straßen werden CDs, Anstecker und Uhren mit seinem Konterfei verkauft, Obama-Songs scheppern aus den Radios. In den Medien ist der Präsidentschaftskandidat seit Wochen das alles beherrschende Thema. Das Häuschen seiner Oma Sarah in dem abgelegenen Dorf Kogelo avanciert zu einem Wallfahrtsort für Medien aus aller Welt. Premierminister Odinga reitet mit auf der Euphoriewelle und lädt sich zu einem Fototermin bei Oma Sarah ein. Eine ganze Nation will teilhaben am Erfolg des "Bruders".
Autor: Jochen Hütte/ARD Nairobi
Mexiko: Exodus und Geisterdörfer
"Mein Herz schlägt hier", seufzt Gabriel Cano, "aber meine Arbeit muss ich mir in den USA suchen." Wir treffen den illegalen Wanderarbeiter in dem kleinen mexikanischen Dorf Teococuilco und begleiten ihn bis an die hochgerüstete Grenze in Tijuana. Die Einwanderer aus den lateinamerikanischen Ländern werden bei der US-Wahl eine entscheidende Rolle spielen. In den USA leben allein 30 Millionen Mexikaner, zwölf Millionen davon illegal. Das belastet das Verhältnis zum südlichen Nachbarn. Die Einwanderung wurde im Wahlkampf nur polemisch thematisiert - wenn überhaupt. Für Mexiko ist der massenhafte Exodus einer halben Million Menschen pro Jahr ein zweischneidiges Schwert. Zum einen lebt das Land von den Geldüberweisungen der US-Mexikaner - jedes Jahr sind das 24 Milliarden Dollar, für Mexiko die größte Einnahmequelle nach dem Öl. Aber mit der jetzigen Finanzkrise versiegt der Geldstrom. Zum anderen aber lässt die Völkerwanderung in den Norden ganze Landstriche in Mexiko veröden - viele Gemeinden werden zu Geisterdörfern. Auf ein Migrationsabkommen mit den USA hat Mexiko während der Präsidentschaft von George W. Bush vergeblich gehofft. Der lässt stattdessen an der 3000 Kilometer langen Grenze eine Mauer hochziehen.
Autor: Stefan Schaaf/ARD Mexiko City
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