Mo., 01.12.08 | 04:50 Uhr
Das Erste
Weltspiegel
Afghanistan: Hausbesuch bei den Taliban
Sie haben alles was sie brauchen zum Guerilla-Krieg: Geld, Waffen und reichlich Zulauf. Die Taliban der Gegenwart sind nicht mehr die steif-ideologischen Gotteskrieger vergangener Jahre. Sie sind die Sammelbewegung der Unzufriedenen in Afghanistan, und dieses Heer vor allem junger Männer ist groß. Der Zentralregierung in Kabul begegnen sie mit Verachtung. Ihre Ablehnung speist sich aus Beschäftigungslosigkeit, Armut und Hunger. Unter diesen Voraussetzungen, so glauben viele Militärexperten, ist der „Krieg gegen den Terror“, den der Westen seit 2001 am Hindukusch führt, nicht zu gewinnen. Auch wenn der neue US-Präsident Obama erklärt, er wolle raus aus dem Irak, um möglichst schnell den militärischen Fokus wieder auf Afghanistan zu richten. Währenddessen gewinnen die Taliban an Einfluss und Schlagkraft. Die Bundeswehr in Kundus im einst ruhigen nördlichen Teil des Landes bekommt das zu spüren, die Zahl der tödlichen Anschläge steigt stetig. Die Reportage aus verschiedenen Landesteilen Afghanistans liefert seltene und hautnahe Einblicke in die Reihen der Aufständischen.
Autoren: Mehran Bozorgnia, Ghafoor Zamani, Stefan Buchen
Grönland: Leben in der Kühltruhe
Wenn es Ende nächsten Jahres auf dem Welt-Klimagipfel in Kopenhagen um die Nachfolge des Kyoto-Protokolls geht, dann haben sich zur Rettung der Welt eine Handvoll Forscher schon über ein Jahr lang kalte Füße geholt. Die Wissenschaftler sitzen im Ewigen Eis Grönlands, von wo aus sie wichtige Zahlen liefern sollen für die Gipfel-Politiker in der dänischen Hauptstadt. Dazu bohren sie kilometertief das Inlandeis an, um seinen Kohlendioxidgehalt zu überprüfen - ein Vorzeigeprojekt der dänischen Regierung. Die Auswahl des unwirtlichen Ortes hat einen Grund: Vor Tausenden von Jahren war es hier in Grönland schon mal fünf Grad wärmer, und darin sehen die Experten eine Parallelentwicklung, aus der vermutlich wichtige Erkenntnisse zur Erderwärmung der Gegenwart gezogen werden können. Bald sollen die Eiskernbohrungen auf der Station „Neem“ beginnen. Das Team des Weltspiegels war das erste, das mit aufs Eis durfte. Eine Zitterpartie.
Autorin: Claudia Buckenmaier, ARD Stockholm
USA: Orientierungslose Republikaner
Als Sarah Palin in der Thanksgiving-Woche vor heimischer Kulisse ein
TV-Interview gab, strömte hinter ihr aus einer Truthahn-Schlachtanlage frisches Blut. Manche Zuschauer glaubten da durchaus ein Sinnbild zu erkennen - denn in der Partei des furios gescheiterten Republikaner-Duos McCain/Palin drohen, politisch gesehen, ähnliche Massaker. "Zwei Jahre mindestens wird die Partei führungslos sein", fürchtet der Kongressabgeordnete Steven King im „Weltspiegel“-Interview. Nun sagt der Mann aus Iowa laut, was er im Wahlkampf nur gedacht hatte: "McCain war der falsche Kandidat". Und hofft, dass der "Waffen-und Bibel-Flügel" der Partei wieder erstarkt. Andere pflichten ihm bei: Das Volk werde bald merken, dass Barack Obama ein Sozialist sei, und dann wieder den Republikanern zuströmen. "Träumt weiter", sagt Prof. Douglas Kmiec von der Pepperdine-Universität in Kalifornien, ein früherer Berater Ronald Reagans. Seine Partei habe noch immer nicht begriffen, wie Amerika sich verändert habe. Seine Kirche auch nicht: Als der Buchautor öffentlich Sympathie für Obamas Sozialpolitik zeigte, verweigerte ihm sein Priester im Gottesdienst das Abendmahl. Gute Chancen, dass die Flügelkämpfe nun erst richtig losgehen. Manche fürchten schon, die "Grand Old Party" könne sich spalten.
Autor: Klaus Scherer, ARD Washington
Philippinen: Zuflucht vor dem Kinderstrich
Vanille und Pfefferminz sollen helfen gegen den Ekel. Mit diesen Geschmacksrichtungen versehene Kondome verteilt Pater Heinz Kulüke im philippinischen Cebu-City - aller Verdammnis der katholischen Kirche zum Trotz. Er hat keine Wahl, will er die schätzungsweise zehntausend teils minderjährigen Prostituierten in der Stadt zumindest vor gefährlichen Geschlechtskrankheiten, tödlichen Abtreibungen und HIV bewahren. In Cebu-City boomt der Menschenhandel, die Metropole ist zu einer Hochburg für den internationalen Sextourismus geworden. Das kriminelle Verlangen der Urlauber treibt immer jüngere Mädchen aus der Armut ihrer Familien in die Bars und Bordelle auf dem Kinderstrich. Bis zu 15 Kunden müssen sie bedienen, für ein paar Euro, Abend für Abend. Pater Kulüke ist jede Nacht in den einschlägigen Vierteln unterwegs, und manchmal gelingt es ihm in zähen Verhandlungen, den Zuhältern eines der Mädchen abzunehmen. In einem Rehabilitationszentrum bietet er ihnen dann Zuflucht und eine Zukunft ohne Prostitution. Der „Weltspiegel“ hat den Pater auf seiner Mission im Rotlichtmilieu begleitet.
Autor: Thomas Berndt, ARD Tokio
Chile: Nagen bis zum Umfallen
Feuerland ist abgenagt - und der „Castor canadensis“ ist schuld daran. Er besitzt bewundernswerte Ingenieursfähigkeiten, ein unverwüstliches Gebiss und ist äußerst gebärfreudig: In sechs Jahrzehnten haben sich die kanadischen Biber auf Feuerland von 50 auf 100.000 Tiere vermehrt - was Naturfreunde überhaupt nicht freut. Denn die Armee der Riesenratten walzt planierraupengleich ganze Wälder nieder, ist für das Massensterben jahrhundertealter Südbuchen verantwortlich und droht in Kürze gar das Festland zu erreichen. Deshalb rücken ehrgeizige Jäger und verzweifelte Forstbehörden den fleißigen Nagern jetzt auf den Pelz - mit rostigen Flussfallen und per Hubschraubereinsatz. Damit fällt der Startschuss zu einer der größten Massenausrottungen in der Geschichte des Naturschutzes. Unser Korrespondent sieht dem Erfolg des Vernichtungsfeldzuges aber eher skeptisch entgegen: Wenn nur ein Biberpärchen überlebt, dann könnte das ganze Spiel von vorne losgehen.
Autor: Thomas Aders, ARD Rio de Janeiro
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