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Weltspiegel

live aus Athen

Die Parlamentswahl am kommenden Sonntag gilt als Schicksalswahl: für die Zukunft Griechenlands, aber auch für den Euro, die Eurozone und die Europäische Union. Nach nur sechs Wochen sind die griechischen Bürger erneut zur Stimmabgabe über ihre zukünftige Regierung aufgerufen, nachdem sich die Parteien nach der Wahl vom 6. Mai nicht auf eine Koalitionsregierung einigen konnten. Die Neuwahl gilt auch als Entscheidung für oder gegen einen Spar- und Reformkurs des Landes, für den Euro oder die Rückkehr zur Drachme.

Rette sich, wer kann: Die Wahlversprechen der Parteien:

Die griechischen Wähler sind nicht zu beneiden. Sie haben die Wahl zwischen schlimm, schlimmer und schlimmstmöglich, sagen Insider. Letztendlich ist es die Wahl zwischen Sparpolitik und Drinbleiben im Euro oder Rückkehr zur Drachme mit unabsehbaren Folgen für das Land. Alle drei großen Parteien buhlen um Wählerstimmen mit Anti-Spar-Parolen. Während die erstarkte Linkspartei Syriza die Abkommen mit der EU zur Sanierung des Landes gleich ganz aufkündigen will, werben die beiden anderen mit harten Nachverhandlungen. Die EU-Kommission aber betont, am Sparkurs für Athen festhalten zu wollen. In ganz Europa steigt die Nervosität: Der Wahlsonntag könnte tatsächlich zum Schicksalstag nicht nur für Athen werden.

Autorin: Ellen Trapp / BR Athen

Parteien als Selbstbedienungsladen: Mit der Frage, wie organisieren und finanzieren die hochverschuldeten griechischen Parteien eigentlich einen Wahlkampf nach dem anderen, stürzte sich ARD-Korrespondent Bernd Niebrügge, ins aktuelle Wahlkampfgetümmel.

Nea Demokratia und Pasok sind die Dinosaurier des griechischen Parteiensystems. Und die Parteien, die mit einer in Europa einzigartigen Klientel- und Gefälligkeitspolitik Griechenland dahin gebracht haben, wo es heute steht - an den Abgrund. Ihren Machterhalt haben sich die konservative und sozialdemokratische Partei zu Lasten der griechischen Wirtschaft und Gesellschaft, aber jetzt auch aller Europäer teuer erkauft: Aufgeblähte Parteiapparate, Misswirtschaft, Verschwendung und undurchsichtige Parteifinanzen jenseits jeglicher öffentlicher Transparenz und Kontrolle. Wenn die Parteien den Staat über Jahrzehnte als Selbstbedienungsladen benutzen, geraten Demokratie und Politik in Gefahr. Wie sollen und können diese Parteien Griechenland überhaupt in eine bessere Zukunft führen?

Autor: Bernd Niebrügge / BR Athen

Spargroschen und Steuermilliarden: Euro-Kapitalflucht ins Ausland: Kurz vor der Parlamentswahl räumen immer mehr Griechen ihre Euro-Konten leer und bringen das Geld ins vermeintlich sichere Ausland. Von 500 bis 800 Millionen Euro pro Tag ist die Rede. Vor dieser Kapitalflucht aus Angst vor dem Chaos hatten Griechenlands Reiche aber bereits viele Milliarden Euro außer Landes gebracht. Hier geht man von 40 bis zu 200 Milliarden Euro aus.

Dieses schwarz und damit unversteuert überwiegend in die Schweiz gebrachte Geld hat den Gegenwert von ungefähr einem Jahresbruttoinlandsprodukt Griechenlands oder zwei Bankenrettungsfinanzierungen Europas für Spanien.

Athens Finanzministerium beteuert, ein schnelles Steuerabkommen mit der Schweiz abschließen zu wollen - so wie es Deutschland, Großbritannien und Österreich bereits ausgehandelt haben. Griechische Politiker verzögern jedoch die Unterschrift unter den bereits ausgehandelten Vertrag seit Monaten. Doch Kapital ist heutzutage hoch beweglich, und wenn griechische Einlagen in der Schweiz dann tatsächlich besteuert werden sollten, wird der Großteil schon wieder woanders hin abgeflossen sein.

Autorin: Marie von Mallinckrodt / BR Athen

Vom türkischen Bodrum ins griechische Kos - Fahrt vom Boom in die Krise: Wenn Kapitän Kamil Kirbiyik von den „Turkish Sealines" mit seinem in die Jahre gekommenen russischen Tragflügelboot von Bodrum nach Kos fährt, wird er zum Wanderer zwischen zwei Welten: Einst war die griechische Insel Kos ihrem türkischen Gegenüber Bodrum um Lichtjahre voraus. Selbst zum Telefonieren fuhren viele Türken mit dem Schiff nach Kos. Heute ist die Lage genau umgekehrt: Wer in Istanbul etwas auf sich hält, hat ein Sommerhaus in Bodrum. Die Stadt wird von Touristen aus der Türkei, Europa und Russland förmlich überrannt: Schick, ursprünglich und auch preiswert kann man hier Urlaub machen. In Kos dagegen brechen die Buchungen ein - Angst vor der Krise und vergleichsweise hohe Preise. Ein Sinnbild für den Niedergang Griechenlands und den Aufschwung in der Türkei.

Autor: Michael Schramm / ARD Istanbul

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