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Thailand: Schüler protestieren gegen Regierung und König

Thailand: Schüler protestieren gegen Regierung und König | Bild: NDR

Für freie Wahlen, eine neue Verfassung, echte Demokratie geht sie seit Monaten auf die Straße. Panusaya Sithijirawattanakul, 22 Jahre und eines der Gesichter der Proteste in Thailand. Sie und andere demonstrieren gegen eine Regierung, in der ein Ex-General das Sagen hat. Aber sie fordern auch eine Reform des Königshauses – bisher ein Tabu in Thailand. "Wir versuchen seit 80 Jahren eine Demokratie zu werden, aber es gelingt uns nicht. Auch weil sich der König immer wieder in die Politik einmischt. Wenn wir dieses Problem lösen, lösen wir auch viele andere."

"Der König und seine Familie sind nichts Reales"

Instinktiv habe die Soziologie-Studentin die Privilegien der Monarchie schon als Kind abgelehnt, sagt Panunsaya. Einmal als der König durch ihr Stadtviertel fahren sollte, wurden alle Anwohner angewiesen sich an den Straßenrand zu stellen und vor dem König auf die Knie zu fallen. "Warum sind wir gezwungen das zu machen?, habe ich meine Mutter damals gefragt. 'Aus Respekt vor dem König', sagte sie.‘ Für mich machte das überhaupt keinen Sinn. Der König und seine Familie sind nichts Reales. Wir alle sind doch menschliche Wesen. Und niemand sollte vor einem anderen auf die Knie gehen müssen."

Ein Mann spricht in ein Mikrofon
Thailands Premierminister Prayut war bis 2019 auch Chef der Militärregierung.  | Bild: NDR

Thailand ist ein Land der Extreme, sagt Panunsaya, die selbst aus einer gut situierten Familie kommt. Ein Prozent der Bevölkerung besitzt mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens. Damit sich an diesen Machtverhältnissen nichts ändere, putsche sich das Militär immer wieder an die Macht – so die Studentin. Und nun haben die Generäle ihre Macht sogar in der Verfassung festschreiben lassen. "Eine Regierung sollte durch freie Wahlen legitimiert sein. Das, was wir gerade erleben, ist nicht normal. Die Militärs haben die Macht mit Gewalt ergriffen und dann alles dafür getan, diese zu behalten", sagt Panusaya.
Thailands Premierminister Prayut war bis 2019 auch Chef der Militärregierung. Er hat die Uniform ausgezogen und will sich jetzt das Image des demokratisch gewählten Regierungschefs geben. Noch belässt er es bei vereinzelten Verhaftungen und Warnungen: "Wenn es allen Seiten darum geht, die andere Seite niederzuringen, wird unser Land zusammenbrechen. Dann wird jeder in einem Land in Aufruhr und Flammen leben. Wenn das passiert, frage ich mich, was ich dann wohl tun soll."

Das Abbild des Königs ist in Thailands öffentlichem Leben omnipräsent. Der Monarch selbst verbringt seine Zeit gern im Ausland, aber dass er selbst für den Lockdown nicht in die Heimat zurückkam, hat viele Thailänder schockiert. "Unser Land leidet unter den wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie", sagt Panusaya. "Wir sollten auch das stetig steigende Budget des Königs diskutieren dürfen. Er führt mit dem Geld der Steuerzahler ein glückliches Leben in Europa. Wenn er in Deutschland ist, kann er hier nicht seine Pflicht tun. Damit verletzt er seine Landsleute, die ihn verehren, aber für die er nicht da ist."

Studenten und "Bad Students" demonstrieren

Eine Frau hat sich an einen Stuhl gefesselt und den Mund verbunden.
Proteste gegen Premierminister und Monarchie in Thailand. | Bild: NDR

Widerstand kommt nicht nur von den Universitäten: Benjamaporn Nivas ist 15 Jahre alt und Gründerin der Bewegung "Bad Students" – "ungezogene Schüler". Diese prangert ein Schulsystem an, dass wie ein Abbild einer feudalistischen Gesellschaft wirkt: Unterdrückung, Obrigkeitsdenken, zum Teil sogar Schläge. Selbst der Haarschnitt ist vorgeschrieben. Und das wollte Benjamaporn nicht mehr mitmachen: Mitten in Bangkok setzte sie sich auf einen Stuhl. Mit einer Schere vor sich und dem Schild: "Diese Schülerin verletzt die Schulregeln, weil sie lange Haare und einen Pony trägt. Sie dürfen sie bestrafen."
"Niemand sollte gezwungen sein, seine Haare zu schneiden. Das verletzt die Menschenrechte und hat nichts in einer Demokratie zu suchen. Regeln für Haare sind etwas für Diktaturen wie Nordkorea", sagt Benjamaporn Nivas. Die Aktion hatte Erfolg. Die Vorschriften wurden gelockert. Doch die Schülerin sagt: "Wir stehen erst ganz am Anfang." Und sie gehört zu einer neuen Generation, die selbstbewusst ihre Rechte einfordert. "Wir Jüngeren haben Internet und Social Media. Da können wir uns informieren, statt nur auf ein Bildungssystem zu vertrauen, das uns nicht über unsere Rechte aufklärt oder sie sogar verletzt. Die Generation vor uns musste dagegen irgendwelchen unsinnigen Regeln folgen."

Benjamaporn hat keine Angst, obwohl sie bei einer Demonstration riskiert, im Gefängnis zu landen – genauso wie Panunsaya. Wegen Majestätsbeleidigung. "Das Gesetz dazu muss abgeschafft werden, steht in dem Brief an den König", den Panunsaya an den Polizeichef übergibt. "Mal abwarten, ob er den Brief weiterleitet und sich etwas ändert. Aber wir werden das nicht auf sich beruhen lassen und im Zweifel wieder auf die Straße gehen", erklärt Panunsaya "Thailand gehört dem Volk, nicht dem König" steht auf einer Plakette, die die Demonstranten vor einer Tribüne in den Boden einlassen. Noch vor wenigen Monaten wäre eine solche Aktion undenkbar gewesen. Doch ein König mit Heiligenstatus – diese Zeiten sind für viele junge Thailänder vorbei.

Autorin: Sandra Ratzow, ARD Südostasien Singapur

Stand: 21.09.2020 15:54 Uhr

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