Mo., 10.10.16 | 04:50 Uhr
Das Erste
USA: Wahlkampf im Wohnzimmer
In aller Herrgottsfrühe wirbeln sie schon im Hause Donnelly. Mike und sein jüngs ter Sohn Joshua bereiten das Familienfrühstück, keine Kleinigkeit bei sieben Kindern. Mike und Patty kennen sich schon aus der Schulzeit. Beide sind bibeltreue Christen, wertkonservativ – wie die meisten hier in West Virginia. Den erbitterten Wahlkampf zwischen Trump und Clinton verfolgen die frommen Donnellys kaum noch: zu viel Hass, Sünde und Lügen. "Unser großartiges System wird von Politikern wie diesen beiden zu Grunde gerichtet. Sie respektieren das Volk nicht. Es macht mich traurig, diese beiden zu sehen. Aber ich habe Hoffnung und glaube noch immer, die amerikanischen Werte sind noch da. Aber dies ist eine schwierige Zeit", sagt Mike Donnelly.
Misstrauen gegenüber den Mächtigen
Ihr Zuhause soll den Kindern eine heile Welt sein, hier gelten die christlichen Moralvorstellungen noch etwas, die von rücksichtslosen Politikern mit Füßen getreten werden. So groß wie ihr Gottvertrauen ist Mikes und Pattys Misstrauen gegenüber den Mächtigen – ob im Weißen Haus oder im US-Kongress, ob bei Demokraten oder Republikanern. "Wir müssen den Einfluss Washingtons einschränken, die Macht an die Bürger zurückgeben und an die Bundesstaaten. Es gibt inzwischen eine Bewegung in Amerika, die die alte föderale Republik wiederherstellen will", erzählt Mike Donnelly.
Die Donnellys nehmen für sich das Grundrecht in Anspruch, ihre Kinder zu Hause zu unterrichten. Home Schooling heißt das und ist legal in allen 50 Bundesstaaten, solange der Lehrstoff bestimmte Standards erfüllt. Keines ihrer Kinder wollten Mike und Patty Amerikas Schulsystem anvertrauen, das sie für verkommen halten. "Ich habe sieben Kinder, die alle sehr unterschiedlich sind. Ich mag, dass uns der Hausunterricht Flexibilität lässt. Nicht nur im Hinblick auf den Stundenplan und den Unterrichtsablauf. Klar ist es schwierig, im Klassenraum zu stehen und ich habe den größten Respekt für Schullehrer, das ist schwer. Aber ich denke nicht, dass die Enge eines Klassenzimmers der beste Raum zum Lernen ist", sagt Mutter Patricia Donnelly.
Vor allem wollen sie ihre Kinder vor den düsteren Seiten der amerikanischen Gesellschaft beschützen. Die studierte Lehrerin Patty vermittelt Wissen aus religiösen Quellen einschlägiger Verlage. Die älteren Söhne nehmen zusätzlich an Online-Kursen teil und haben Zugang zum Internet. Mit den Schülern da draußen will Joseph nicht tauschen: "Hier, wo ich lebe, sollen die Schulen fürchterlich sein, hab ich gehört. Dort passieren viele schlimme Dinge. Sogar Drogen gibt es. Viele Kids müssen sich damit rumschlagen. Da passiert einfach viel Mist, der nicht sein sollte. Damit will ich nichts zu tun haben."
Wahl: Donnellys sind noch unentschlossen
Um Gottes Segen bittet Mike für seine Familie, wann immer er das Haus verlässt. Seine Kinder sollen gehorsam, respektvoll und fleißig sein. Der Rechtsanwalt war früher Soldat, ein Irakveteran und glühender Patriot. In Charles Town, West Virginia stehen die Demokraten auf ziemlich verlorenem Posten. Hillary Clinton ist nicht sehr beliebt, Donald Trump aber auch nicht gerade ein Kandidat der Herzen, weil hier vor allem Konservative wohnen, die ihn für gewissenlos halten. Auch die Donnellys sind noch unentschlossen, wo sie am 8. November ihr Kreuz machen sollen. Schließlich geht es um die Zukunft ihrer Kinder, das Schicksal des Landes.
Patty bringt die Jüngsten zur Kirche, Religionsunterricht und Bibelstunde für die Kinder. Buffet und Plaudern mit Gleichgesinnten für die Eltern. Jetzt, wo Amerika so gespalten wirkt wie nie, genießen Mike und Patty den Zusammenhalt der bibeltreuen Gemeinde: "Es ist mir wichtig, auch für meine Kinder, dass wir Menschen treffen, die Ähnliches glauben. Sie haben viele Freunde hier und können auch mal mit Gleichaltrigen spielen", sagt Mike Donnelly.
Hausunterricht wird immer beliebter
Die Donnellys werben inzwischen aktiv für den Hausunterricht. Einmal in der Woche verwandelt sich ihr Zuhause in ein Zentrum für home schooler aus der Umgebung. Zwei bis drei Millionen US-amerikanische Kinder werden inzwischen abseits der Schulen unterrichtet. Ihre Eltern wollen sie nicht dem Staat anvertrauen, sondern selbst für ein solides und christliches Wertefundament sorgen. Auch, um sie zu wappnen für all das Schlechte in der Welt. "Beim Abendessen reden wir schon über die Nachrichten des Tages, aber vor den Kleinen natürlich nicht über all diese furchtbaren Dinge, die gerade passieren", erzählt Patricia Donnelly. Ihre heile Welt kann scheinbar nicht einmal der heftige Wahlkampf erschüttern. Aber die Donelleys beten dafür, dass Amerika wieder auf den rechten Weg zurückfindet.
Autor: Stefan Niemann, ARD-Studio Washington
Stand: 12.07.2019 23:18 Uhr
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