Bernhard Nellessen über den Film
Der SWR-Fernsehdirektor spricht über das Dokudrama und die Hintergründe
Konrad Adenauer. Ein Name, der sofort ein Bild entstehen lässt: markantes Gesicht, aufrechte Gestalt, erhobener Zeigefinger, manchmal ein verschmitztes Lächeln. Der Name einer Legende, schon zu Lebzeiten und bis heute. Selbst wenn man nur nüchterne Jahreszahlen betrachtet, wird einem schnell die Dimension dieses Menschenlebens klar:
Er ist zehn Jahre, als Carl Benz 1886 seinen Motorwagen patentieren lässt; als er 1967 stirbt, startet die erste Saturn V Rakete, die zwei Jahre später die ersten Menschen zum Mond bringen wird. Aufstieg und Fall des Deutschen Kaiserreichs, die Weimarer Republik, Hitlers "Tausendjähriges Reich", zwei Weltkriege, seinen persönlichen Aufstieg und Fall als Oberbürgermeister von Köln – all dies hat Konrad Adenauer erlebt und all diese Erfahrungen bringt er mit, als er 1949 antritt, um als Kanzler die junge Bundesrepublik zu gestalten und 14 Jahre lang entscheidend zu prägen.
Autor Werner Biermann hat sich auf das Wagnis eingelassen, dem Menschen hinter der Legende nachzuspüren: Was trieb den Menschen Adenauer an? Wie errang er Macht und mit welchen Mitteln verteidigte er sie? Was waren die tatsächlichen Erfolge von Adenauers Politik? Wo irrte er? Konrad Adenauer hat der Außenwelt nur wenige Einblicke in sein Innerstes gegeben. Umfangreiche Recherchen und vor allem viele Gespräche mit der Familie Adenauer und weiteren Zeitzeugen gaben Stück für Stück den Blick hinter die Kulissen frei. Allein mit Originalmaterialien, Zeitzeugeninterviews und Bewertungen durch Historiker wäre dies schwer möglich gewesen. Es sind vor allem die zahlreichen Inszenierungen, beruhend auf teilweise privaten Quellen, die auch den Menschen Adenauer erkennen lassen. Dass dank der Unterstützung durch die Stiftung Konrad-Adenauer-Haus und das Bundeskanzleramt an den Orten gedreht werden konnte, die Konrad Adenauer persönlich wichtig waren und die immer noch im Originalzustand erhalten sind, erhöht die atmosphärische Dichte der Szenen. Dokumentationen und Dokudramen zur Zeitgeschichte sind Bestandteile öffentlich-rechtlichen Programms, denen sich der SWR in besonderer Weise verpflichtet fühlt und mit denen er auch im Ersten immer wieder erfolgreich vertreten ist.
Wir danken unseren Koproduktionspartnern ARTE und WDR, deren Unterstützung dazu beigetragen hat, dieses Dokudrama möglich zu machen. "Konrad Adenauer – Stunden der Entscheidung" fügt sich ein in einen Schwerpunkt unserer dokumentarischen Arbeit. Die Geschichte der frühen Bundesrepublik hat die Redaktion Zeitgeschehen des Südwestrundfunks in den vergangenen Jahren intensiv beschäftigt: der Mehrteiler "Hitlers Eliten nach 1945" (2002) thematisierte die Nachkriegskarrieren von Juristen, Militärs, Ärzten und Journalisten – "Unsere 50er Jahre: Wie wir wurden, was wir sind" den Alltag der Adenauerzeit. "Heimkehr aus dem Osten: Adenauers Kampf um die Gefangenen" (2005) und "Planspiel Atomkrieg: Adenauers Kampf um die Bombe" (2008) beschrieben das politische Wirken 'des Alten' aus Rhöndorf. Während der Dreharbeiten zu unserem Flick-Projekt entstand die Idee, auch Konrad Adenauer mit den Mitteln des Dokudramas zu beschreiben. Aber kann man Adenauers außergewöhnlicher Persönlichkeit und gleichermaßen seiner politischen Bedeutung überhaupt gerecht werden? Drei Jahre und elf Drehbuchfassungen hat es gebraucht: Unser Dokudrama wird die Erinnerung an diesen großen Deutschen wach halten.
Bernhard Nellessen
SWR-Fernsehdirektor