SENDETERMIN Mo., 27.04.20 | 23:45 Uhr | Das Erste

Geschichte im Ersten: Kinderraub der Nazis

Jozef Sowa am Grab
Noch heute belastet es Jozef Sowa, von seiner Verschleppung zu erzählen. | Bild: MDR/Monika Sieradzka / Elisabeth Lehmann

Es ist ein Verbrechen, das bis heute weitgehend unbekannt ist: Die Nationalsozialisten verschleppten während des Zweiten Weltkriegs Zehntausende Kinder und brachten sie in deutschen Familien unter. Die meisten der Kinder stammten aus Polen. Ihre Identität wurde verschleiert, um sie als "deutsche Kinder" in die Volksgemeinschaft einzufügen. Sie wurden illegal aus Waisenhäusern fortgebracht oder direkt aus ihren leiblichen Familien gerissen. Nach Kriegsende mussten viele der geraubten Kinder zurück in ihre Heimat, die ihnen oft fremd geworden war.

Noch heute fühlen sich die Menschen entwurzelt

Einige dieser Menschen leben noch heute, zerrissen und ohne Wurzeln. Noch immer treibt es Jozef Sowa Tränen in die Augen, wenn er von der Tragödie seines Lebens erzählt. Seine Eltern wurden 1943 in Polen von Wehrmachtssoldaten ermordet, er und seine Geschwister nach Deutschland verschleppt. Seine Schwester Janina wurde zur Adoption freigegeben und lebt bis heute dort. Dieser Kinderraub war kein Zufall. Heinrich Himmler wies 1941 an, "besonders gutrassige kleine Kinder polnischer Familien zusammen zu holen und von uns in besonderen Kinderheimen zu erziehen."

Isabel Heinemann
Die Professorin und Historikerin Isabel Heinemann forscht seit Jahren zu den geraubten Kindern. | Bild: MDR/Monika Sieradzka / Elisabeth Lehmann

"Er wollte damit das deutsche Volk aufstocken", erklärt Professorin Isabel Heinemann. Seit Jahren forscht die Historikerin zu den geraubten Kindern, von denen es nach ihrer Schätzung europaweit etwa 50.000 gibt. Die größte Gruppe stammt aus Polen. Kinder ohne den Schutz leiblicher Eltern gerieten über das "Rasse- und Siedlungshauptamt der SS" in deutsche Familien, ihre wahre Identität wurde verschleiert.

Die Wiedereingliederung der "Hitler-Kinder" war oft problematisch

Nach dem Ende des Krieges kamen diejenigen, deren Herkunft rekonstruiert werden konnte, zurück in ihre Heimat. Ein oft fremd gewordenes Land, in dem die Identität als deutsches "Hitler-Kind" die Wiedereingliederung erschwerte. Die Verantwortlichen für die Verschleppungen wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Der Film begibt sich auf Spurensuche der polnischen Kinder, die ihr Leben lang Suchende zwischen zwei Welten blieben.

Ein Film von Elisabeth Lehmann und Monika Sieradzka

Diese Sendung ist nach der Ausstrahlung zwölf Monate lang in der ARD Mediathek verfügbar.

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