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Giftpaket nach Rügen

Otto Bergemann
Otto Bergemann, 1959 wegen mehrfachen Mordes zum Tode verurteilt. | Bild: SFB

Am Ende ist es das SED-Politbüro, das den Fall auf höchster Ebene entscheidet: mit einem Todesurteil.

Das Opfer ist zunächst die 20-jährige Anna Denczyk, Arbeiterin in einem Fischkombinat in Saßnitz auf Rügen - 1955 in der noch jungen DDR. Nur knapp überleben sie und eine Freundin den Genuss vergifteter Lebkuchen aus einem anonymen Paket. Sehr bald aber vermutet Anna Denczyk hinter dem seltsamen Absender "Der Weihnachtsmann aus Jüterbog" einen konkreten Menschen: Otto Bergemann arbeitet in der Nähe der brandenburgischen Kleinstadt auf dem volkseigenen Gut Kaltenhausen. Von dort stammt auch Anna; sie vermutet einen Racheakt des über 50-Jährigen, vor dessen sexuellen Nachstellungen sie schließlich nach Saßnitz ausgewichen war. Außerdem war Bergemann bereits aufgefallen, als Annas kleiner Bruder zwei Jahre zuvor auf ungeklärte Weise durch Gift starb.

Beteiligung an Judenerschießungen

Die Ermittlungen von Vopo, Kripo und Stasi gegen das SED-Mitglied Bergemann ziehen sich jahrelang hin, und als Bergemann endlich gesteht, scheint eine unspektakuläre, glimpflich verlaufene Beziehungstat endlich aufgeklärt. Da bezichtigt sich Bergemann zusätzlich der Beteiligung an Judenerschießungen und an Verbrechen gegen russische Kriegsgefangene 1941 in Rowno, Ukraine. Recherchen und Zeugen können die Angaben zunächst nicht bestätigen - derartige Kriegsverbrechen sollte es dort erst 1943 gegeben haben-, und obendrein widerruft Bergemann. Mit dem Einsatz eines besonders qualifizierten Kripomannes aber ("ein Spitzenvernehmer") kommt es nun zum mehrmaligen Wechsel von Geständnissen und Widerrufen. Am Ende des Prozesses aber "passen" auch die Fakten und Zeugenaussagen, der Angeklagte resigniert. Obwohl der Staatsanwalt "lebenslänglich" für angemessen hält, wartet auf Otto Bergemann - die Guillotine.

Ute Bönnen und Gerald Endres haben über das bisher Bekannte hinaus einen Fall recherchiert, der in der DDR-Presse wohlweislich nicht hochgespielt wurde. Er sollte aber doch zeigen, wie die DDR mit einem Nazi-Verbrecher umgeht - im Gegensatz zur BRD. Auch wenn er vielleicht keiner war. Zu den Zeitzeugen, die sich an diesen Fall erinnern, gehören Anna Denczyk und ihre damalige Kollegin, der Sohn des Hingerichteten, ein Mitglied der Mordkommission Potsdam sowie Verwandte und Nachbarn aus Jüterbog und Kaltenhausen.

Film von Ute Bönnen und Gerald Endres (SFB)

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