Ulrich Noethen als Kapitän Gustav Schröder
Kapitän Gustav Schröder
Im Mittelpunkt der Handlung steht Kapitän Gustav Schröder, verkörpert von Ulrich Noethen. Dank seiner Umsicht und Zivilcourage kann eine größere Katastrophe verhindert werden. Das Schiff muss keinen deutschen Hafen ansteuern, sondern kann in Antwerpen ankern. Schröder lässt nichts unversucht, um seine Passagiere zu retten. Er nimmt Kontakt zum kubanischen Präsidenten Bru auf, entwickelt Pläne, die „St. Louis“ an der englischen Küste an Land zu setzen, verhindert eine Meuterei der Passagiere an Bord.
Inteview mit Ulrich Noethen
Sie haben sich mit der Zeit des Nationalsozialismus in verschiedenen Arbeiten intensiv auseinandergesetzt. Nun verkörpern Sie einen Kapitän in dieser Zeit. Was macht es mit Ihnen, dem Schauspieler Ulrich Noethen, wenn er sich für die Rolle des Gustav Schröder eine Uniform anziehen, die Parteinadel anheften und sich das "Hitlerbärtchen" wachsen lassen muss? Wie beeinflusst allein das Kostüm und die Maske die Haltung zur Rolle?
Im Laufe meines Berufslebens habe ich schon Uniformen aller Art getragen, auch ein sogenanntes "Hitlerbärtchen" ist mir aus diversen Rollen vertraut. Ich musste meinem Umfeld dann oft erklären, dass dieses sogenannte "Zwei-Finger"-Bärtchen seinerzeit an sich nicht für nationalsozialistische Gesinnung stand, sondern dem Zeitgeist geschuldet war; ich habe damit auch Gegner und Opfer des Nazi-Regimes, wie etwa Anne Franks Vater Otto Frank, spielen dürfen.
Heutzutage ist es aber ein Icon für Hitler und den Nationalsozialismus. Die Rationalisierung der ursprünglichen (Nicht-) Bedeutung dieses Bärtchens machte es ein wenig leichter für mich, aber trotzdem hasst es ein Teil von mir, es zu tragen, weil es sich im Gegensatz zum Kostüm nach Drehschluss nicht abnehmen lässt und die Menschen privat irritiert, weil sie eben nun doch Hitler damit assoziieren. Aber mit diesen Überlegungen bin ich natürlich schon mitten drin im Nachdenken über die Figur "Kapitän Schröder". Denn genau wie an die Frisur im Gesicht und auf dem Kopf, stelle ich die Fragen an das Kostüm: Wie fand Schröder das eigentlich? Hat er darüber nachgedacht? Oder war es für ihn selbstverständlich? Was hat für ihn die Uniform bedeutet? War sie nur Ausdruck der ihm verliehenen Autorität? Hat sie seinen Rücken gerader gemacht? Hat sie ihn anders denken lassen? Hat er in Zivil anders gedacht?
Und wie ist das mit dem Parteiabzeichen? War das Anstecken dieser Nadel ein eigener Entschluss aus tiefer Überzeugung? Oder Mitläufertum? Oder Tarnung? Gab es solche Überlegungen bei Schröder? Die Auseinandersetzung mit diesen Äußerlichkeiten ist ein selbstverständlicher, wichtiger Teil meiner Arbeit. Es hilft, mich als Person zurückzunehmen und die Rolle in den Vordergrund zu stellen.
Gustav Schröder war Kapitän. Als oberste Autorität an Bord hatte er das letzte Wort. In dieser Zeit musste man sich aber auch mit dem Willen und der Macht der Partei auseinandersetzen und arrangieren. In welchen Momenten kam Gustav Schröder, so wie Sie ihn verkörpern, mit sich selbst in Konflikt?
In den Momenten, in denen er sein Wertesystem sortiert, die Hierarchie der Autoritäten. Rein rational ist er geübt darin, die Befehlskette anzuerkennen oder auszuüben. Emotionalität und Menschlichkeit scheinen hier erstmal keine übergeordnete Rolle zu spielen. Aber dann wird ihm klar, dass es nicht nur darum geht, Fracht von A nach B zu schippern, sondern dass sein Handeln oder Nichthandeln ganz wesentlich in das Schicksal dieser "Fracht" eingreifen wird, dass es um Menschen geht, über deren Leben oder Tod er mitentscheidet.
Schröder sieht die Not dieser Menschen, das himmelschreiende Unrecht, die Schäbigkeit und Verlogenheit derer, die keinen Finger krumm machen. Er hat aber auch Kenntnis von denen, die sich für die Flüchtlinge stark machen und die Hoffnung nicht aufgeben wollen. Und er kann sein Schicksal nicht mehr losgelöst von dem der Flüchtlinge betrachten, sie sind ihm nahe. Vergleichsweise rasch kommt Schröder über seine Begriffe von Ehre, Pflicht und Anständigkeit dazu, dass Rettung von Menschenleben höchste Priorität hat, und ist wieder mit sich im Reinen.
War Gustav Schröder ein mutiger Mann, in dem Sinn, dass er die Gegebenheiten anerkannte, ohne sich ihnen auszuliefern?
Ein mutiger Mann, keine Frage, ein stiller Held, der sich seiner Möglichkeiten und Grenzen bewusst ist und danach handelt, ohne Pathos, ohne viel Tamtam. Ein Held ohne Idee von Heldentum, sondern mit der Überzeugung, doch nur das als richtig und menschlich Erkannte selbstverständlich zu tun. Das sind mir die Liebsten.
Was können wir von Gustav Schröder immer wieder neu lernen?
Diese Geschichte erinnert uns daran, zu welcher menschlichen Größe wir fähig sein können. Dass der Mensch da zu sich findet, wo er nicht nur sich, sondern seinen Mitmenschen sieht. Dass sich Mitmenschlichkeit auch in einer unmenschlichen Umgebung durchsetzen, fordern und leben lässt. Ganz einfach und selbstverständlich. Dass wir reale Helden möglichst nah an der historischen Wahrheit in all ihrer Menschlichkeit darstellen können, bringt sie uns auch als Vorbilder näher.
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