Trügerische Hoffnung aus Pseudo-Verlagen
Sie hatte Krebs und die Chancen auf Heilung standen schlecht: Da stieß Moderatorin Miriam Pielhau im Internet auf ein angebliches Wundermittel. Doch die Studien waren wenig wissenschaftlich.
Miriam Pielhau hatte ihre letzte Hoffnung darauf gesetzt: GcMAF. Ein vermeintliches Wundermittel gegen Krebs – in Deutschland nicht zugelassen. Pielhau, eine hochintelligente Frau, Journalistin und Moderatorin, bekannt aus "taff" und "Big Brother", war schwer an Krebs erkrankt. Im Internet war sie auf Studien zu dem Mittel gestoßen, berichtet ihre Freundin Eva Imhof: "Sie hat gesagt: Ich habe da jetzt ein Mittel entdeckt. Da werden im Körper die guten Zellen aktiviert, und die Krebszellen werden von den körpereigenen Zellen quasi vernichtet.' Sie war Feuer und Flamme. Es war das Licht am Ende des Tunnels."
Ein trügerisches Licht. Denn die Studien, die Pielhau gelesen hatte und die die Wirkung dieses vermeintlichen Wundermittels beschreiben, seien "grottenschlecht", sagt die Onkologin Jutta Hübner. Die Professorin an der Friedrich-Schiller-Universität Jena beschäftigt sich seit langem mit alternativen Krebstherapien. Die Publikationen zu GcMAF aber seien "vom Ansatz, von der Methodik her in keiner Weise geeignet, eine Wirksamkeit zu beweisen." Fallberichte, die veröffentlicht wurden, würden mehr Fragen aufwerfen als sie beantworteten, sagt Hübner. "Das ist überhaupt keine richtige wissenschaftliche Darstellung, wie man sie normalerweise nüchtern und mit Fakten unterlegt, machen würde."
Studien in unwissenschaftlichen Verlagen erschienen
Tatsächlich sind verschiedene Studien zu GcMAF in Pseudo-Fachzeitschriften erschienen, die wissenschaftliche Standards grob missachten. Offenbar wurden sie vor Veröffentlichung nicht durch andere, erfahrene Krebsspezialisten geprüft. Die angeblichen Forschungsarbeiten zu GcMAF finden sich oft bei einem Verlag namens "Science Publications", der seinen Sitz in Dubai hat. In diesem Verlag sind zahlreiche fragwürdige Studien erschienen. Zudem gelang es Reportern des Rechercheteams NDR, WDR und "SZ-Magazin" zwei sinnentleerte Studien bei unterschiedlichen Fachzeitschriften des Unternehmens zu publizieren. Die Firma "Science Publications" hat sich dazu auf Anfrage nicht geäußert.
Warum solche schlechten Studien veröffentlicht werden? Sie gaukeln Wirksamkeit vor, wo keine ist. GcMAF sollen nach Angaben des Vertreibers Immuno Biotech bereits mehr als 10.000 Menschen genommen haben. 450 Euro kostet die Dosis laut Internetseite für acht Wochen.
Prozess gegen Anbieter des Mittels
In London wird einem GcMAF-Anbieter derzeit der Prozess gemacht. Der Brite David Noakes, Geschäftsführer von Immuno Biotech, soll das vermeintliche Wundermittel über Jahre hinweg illegal als Medikament verkauft haben – eine Straftat. Beworben hat er es mit zahlreichen Studien, die heute noch auf seiner Internetseite stehen. Erschienen sind diese Arbeiten zumeist in pseudo-wissenschaftlichen Verlagen. Noakes selbst hat auf Anfragen nicht reagiert. Er ist nicht der Einzige, der mit GcMAF Geld verdient. Noch heute bieten auch in Deutschland Heilpraktiker und Ärzte Behandlungen mit dem umstrittenen Mittel an. Auch unter neuen Namen wie GOleic. Ein Mittel, von dem Krebsspezialistin Jutta Hübner sagt, sie würde es nicht einmal Patienten geben, bei denen sie keine weitere Therapiemöglichkeit habe. "Die möglichen schädigenden Wirkungen sind völlig unklar."
Qualität von Studien für Laien schwer zu durchschauen
Miriam Pielhau hat GcMAF in den letzten Wochen und Monaten Hoffnung gemacht – trügerische Hoffnung. In einem Buch, erschienen kurz vor ihrem Tod im Juli 2016, pries sie noch das scheinbare Wundermittel. Überzeugt, weil sie glaubte, seriöse wissenschaftliche Forschung studiert zu haben. Hätte sie wissen können, dass sie einem Betrug aufsaß? Nein, sagt Gerd Antes von der Cochrane Deutschland Stiftung, der seit langem medizinische Studien auf ihre Qualität prüft. Ein Patient oder seine Angehörigen hätten "nicht die geringste Chance", solche Fake-Studien zu erkennen.
Von Svea Eckert und Peter Hornung, NDR
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