Alfred Lion und Francis Wolff
Alfred Lion (1908-1987) und Francis (auch "Frank") Wolff (1908-1971) lernten einander schon als Teenager in ihrer gemeinsamen Heimatstadt Berlin kennen und teilten vor allem ihre Liebe für zeitgenössische amerikanische Musik. Ihr jüdischer Glaube machte es ihnen nach 1933 zunehmend schwer, im nationalsozialistischen Deutschland zu leben und Alfred entschied sich als erster, nach Amerika zu gehen. Doch den beiden engen Freunden war immer klar, dass sie auf jeden Fall ihre Liebe zum Jazz gemeinsam zum Beruf machen wollten. Francis Wolff gelang seine Flucht nach New York auf einem der letzten nicht von der Gestapo kontrollierten Schiffe.
Wieder vereint arbeiteten sie gemeinsam für ihr Label Blue Note Records: Alfred, Talentsucher und Produzent, schuf mit Hilfe des kongenialen Toningenieurs Rudy Van Gelder (1924-2016) den unverwechselbaren Blue-Note-Sound. Francis entwickelte mit seinen Fotografien und den Ideen des Grafikers Reid Miles (1927-1993) für die Cover den einzigartigen Look der Blue-Note-Platten. Die Anfänge waren bescheiden und richtig reich wurden sie niemals – aber sie prägten die Geschichte der Jazz-Musik für immer. Wichtig war vor allem: Der "Schwing" musste stimmen oder wie Alfred Lions einzige Anweisung an die Musiker mit seinem charakteristischen deutschen Akzent lautete: "It must schwing!"
Wegbereiter der Bürgerrechtsbewegung
Während afro-amerikanische Künstler in den USA unter Diskriminierung und Ausgrenzung litten, sahen die Deutschen Alfred Lion und Frank Wolff in den von ihnen engagierten Musikern bewundernswerte, ungemein talentierte Menschen. Sie zollten den Künstlern schlicht Respekt und pflegten mit ihnen einen würdevollen, mitmenschlichen Umgang. Bevor die Bürgerrechtsbewegung in den 1950er und 1960er Jahren ihren Höhepunkt erreichte und Martin Luther King, Jr. seine berühmte Rede "I have a dream" in Washington hielt, lebte man bei Blue Note diese Utopie schon lange einfach selbstverständlich. Heute müssen Alfred Lion und Francis Wolff wohl als frühe Wegbereiter dieser Bewegung gelten.
So arbeiteten sie ungeachtet der Hautfarbe auf Augenhöhe mit allen Künstlern und Künstlerinnen und entdeckten Jazz-Giganten wie Herbie Hancock, Quincy Jones, Sonny Rollins, Wayne Shorter, Miles Davis, John Coltrane, Thelonious Monk, Ornette Coleman oder Ron Carter. 1965 verkauften Alfred Lion und Francis Wolff Blue Note und Alfred ging in den Ruhestand. Francis Wolff, der noch eine Weile für das Label gearbeitet hatte, starb überraschend 1971. Auf seinem Grabstein steht: "Friend of Alfred Lion".
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