Affären und Prozesse

Die Gelsenberg-Affäre (1932)

Anfang der dreißiger Jahre setzt die Weltwirtschaftskrise Friedrich Flick schwer zu. Er ist hoch verschuldet und kann seine Kredite nicht mehr bedienen. Die Insolvenz droht.

Finanzminister Hermann Dietrich
Finanzminister Hermann Dietrich | Bild: SWR

Vor dem Untergang bewahrt ihn Finanzminister Hermann Dietrich, der ihm auf Staatskosten einen Teil seines Besitzes abkauft: Am 31. Mai 1932, dem Tag der Demissionierung des Kabinetts Brüning, unterschreibt der Minister den Vertrag, der Flicks Karriere rettet. Für 100 Millionen Mark übernimmt das Reich die Flicksche Beteiligung an der Gelsenberg-AG.

Was Dietrich letztlich dazu bewog, die Unterschrift ohne politische Rücksprache zu leisten, ist bis heute unklar. Sicher ist, dass schon hier die später sprichwörtlich gewordene "politische Landschaftspflege" im Spiel war. Alle Parteien – ausgenommen die Kommunisten – erhielten Geld von Flick, und im Vorfeld des Geschäfts spendete er allein für die Hindenburg-Wahl 950.000 Mark.

Daneben ging es aber auch um die Wahrung sogenannter "nationaler Interessen", weil Flick geschickt den Eindruck erweckte, es gäbe französische Kaufinteressenten. Und er hatte sich wirtschaftlich im polnischen Teil Oberschlesiens engagiert, weshalb ihn die Politik nicht fallen lassen wollte.

Kurz nach dem Deal schwappt eine Welle öffentlicher Empörung über die Republik: ein dreistelliger Millionenbetrag für die zahlungsunfähige Finanzholding – angesichts fehlender Mittel für die Arbeitslosenfürsorge ein Skandal! Zwar sanieren sich auch andere Großindustrielle in dieser Zeit auf Staatskosten, ohne dass es zum Aufschrei kommt, aber gerade dem "Börsenjobber" und "Kaufgenie" Flick will man das nicht durchgehen lassen: es kommt zur "Gelsenberg-Affäre".

Eine Zeitung bezichtigt Flick einer "Sozialisierung der Verluste, die hart an der Grenze der Sozialisierung der Korruption" liege. Das Gelsenberg-Geschäft bringt Flick auch den Zorn von Mitgliedern der "Ruhrlade" ein. Es gibt heftige Kritik von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und anderen: Flick habe durch die Verstaatlichung privatwirtschaftliche Prinzipien verletzt.

Nach "Gelsenberg" ändert Flick seine Unternehmensstrategie: Er entfernt sich von der Ruhr und den Ruhrbaronen, beendet das wilde Zusammenkaufen von Firmen und beginnt mit dem systematischen Aufbau eines Familienkonzerns im mittleren und südlichen Deutschland.

Der Nürnberger Prozess (1947)

Der Nürnberger Prozess (1947)

Friedrich Flick beim Nürnberger Prozess, 1947
Friedrich Flick beim Nürnberger Prozess, 1947 | Bild: SWR

Am 19. April 1947 beginnt im Nürnberger Justizpalast der Prozess gegen Friedrich Flick und seine Generalbevollmächtigten. Sie werden in fünf Punkten angeklagt: Beteiligung am "Sklavenarbeitsprogramm", Plünderung in den besetzten Gebieten, "Arisierung" jüdischen Vermögens, "vorschubleistende" Beteiligung an Verbrechen, die von der NSDAP und SS ausgeübt worden waren, und Mitgliedschaft in einer verbrecherischen Organisation.

In seiner Verteidigung präsentiert sich Flick als Opfer des NS-Regimes: Er habe allein die Ziele seines Unternehmens verfolgt, sich nicht an den Verbrechen des NS-Regimes beteiligt und könne deshalb nicht als Kriegsverbrecher verurteilt werden. Am 22. Dezember verkündet das Gericht nach 131 Verhandlungstagen das Urteil. Friedrich Flick wird in den Punkten Plünderung, Beteiligung am "Sklavenarbeitsprogramm" und wegen finanzieller Unterstützung des Regimes durch Zahlungen an den "Freundeskreis Himmler" für schuldig befunden, in den anderen Punkten nicht – auch aus prozessualen Gründen.

Friedrich Flick erhält eine siebenjährige Haftstrafe. Bis zum Sommer bleibt er als Zeuge für die noch laufenden Prozesse in Nürnberg, dann wird er nach Landsberg verlegt. Flick muss in dieser Zeit mit Enteignung, mindestens aber mit Entflechtung seines Konzerns rechnen.

Schnell wird klar, dass seine ostdeutschen Unternehmen wohl auf Dauer verloren sind. Sein Besitz im Westen kann Flick retten – durch taktisches Geschick, treue Mitarbeiter und Beziehungen nach "oben". Auch um einer Enteignung zuvorzukommen, verkauft er einen großen Teil seines Ruhrkohlebesitzes, verfügt nun über große Barmittel und kauft sich in Zukunftsindustrien ein: Automobil, Papier und Chemie.

Der Düsseldorfer Prozess (1962)

Als Otto-Ernst Flick im Mai 1962 beim Düsseldorfer Landgericht Klage gegen seinen Vater einreicht, droht dem Flick-Konzern die Auflösung. Denn genau darauf zielt die Klage ab: Der Gesellschaftervertrag vom Dezember 1961 wird von Otto-Ernst angefochten und die Auflösung der Flick KG verlangt. Otto-Ernst will "seinen" Anteil aus der Konzernmasse herausholen und unabhängig vom alten Flick agieren.

Der vor Gericht ausgetragene Familienstreit wird von der Presse dankbar aufgegriffen: Erstmals fällt Licht in das bisher für die Öffentlichkeit verschlossene Haus Flick. Und da Vater und Sohn nun versuchen, die Presse jeweils in ihrem Sinne zu instrumentalisieren, fließen auch Informationen. Dieser Streit, der den Konzern von innen zu zerstören droht, hat eine lange Vorgeschichte und wird 1958 zum familiären Drama.

In einer denkwürdigen Familienkonferenz sprechen die Eltern ihren beiden Söhnen die Fähigkeit zur Unternehmensführung ab, Otto-Ernst wegen Übereifers, Friedrich Karl wegen mangelnden Fleißes. Otto-Ernst sieht sich seitdem um seine berufliche Zukunft betrogen und provoziert den Vater immer wieder mit einsamen, teils bizarren geschäftlichen Entscheidungen, zum Beispiel mit dem Kauf einer Plantage in Mozambique, die bald hoch verschuldet ist und für deren Verluste der Vater aufkommen soll.

Otto-Ernst verliert schließlich den Prozess und wird vom Vater verstoßen. Friedrich Karl, von Friedrich Flick "das Bürschchen" genannt, kommt nach dem Tod des Patriarchen ans Ruder und führt den Konzern bis zum Verkauf 1986.

Der "Flick-Skandal" (1981-1987)

Otto Graf Lambsdorff
Otto Graf Lambsdorff vor Beginn seiner dritten Vernehmung am Zeugentisch | Bild: SWR

Die Geschichte der "Parteispenden-Affäre" reicht in das Jahr 1975 zurück, als der Flick-Konzern für knapp zwei Milliarden Mark ein Aktienpaket von 29% der Daimler-Benz AG an die Deutsche Bank verkauft.

Bundeswirtschaftsminister Hans Friderichs sowie sein Nachfolger Otto Graf Lambsdorff setzen sich dafür ein, dass der Verkaufserlös steuerfrei bleibt, weil das Geld "volkswirtschaftlich besonders förderungswürdig" reinvestiert werde. Nach einer Durchsuchung des Büros des Flick-Buchhalters Rudolf Diehl im November 1981 stoßen Ermittler der Steuerfahndung auf Listen, die Geldzahlungen des Flick-Konzerns an hochrangige Politiker von CDU, CSU, SPD und FDP belegen, darunter Friderichs und Lambsdorff.

Schnell wird in der Öffentlichkeit der Verdacht laut, dass es sich bei diesen verdeckten Parteispenden um mehr oder weniger offenkundige Bestechungszahlungen handelt, die im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung für den Erlös aus dem Verkauf der Daimler-Aktien stehen.

1983 wird ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt, um den Vorwürfen der Bestechlichkeit nachzugehen und den Skandal aufzuklären. Er kommt zu dem Ergebnis, dass in den Jahren 1969 bis 1980 rund 25 Millionen Mark aus den Flick-Kassen an die Parteien CDU, CSU, FDP und SPD geflossen sind.

Die Enthüllungen des Flick-Skandals erschüttern das Vertrauen in die politischen Institutionen der Bundesrepublik und beenden einige Politikerkarrieren. Nachdem die Staatsanwaltschaft Ende November 1983 Anklage erhebt, tritt Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff von seinem Amt zurück. Wenige Monate später kündigt sein Vorgänger Friderichs seinen Rückzug vom Amt des Vorstandssprechers bei der Dresdner Bank an.

Eine Aussage des Flick-Gesellschafters Paefgen vor dem Untersuchungsausschuss führt am 25. Oktober 1984 auch zum Rücktritt von Bundestagspräsident Rainer Barzel, der 1973 einen Beratervertrag von Flick erhalten hatte.

Die juristischen Folgen für die beteiligten Flick-Manager und Politiker bleiben dagegen gering. Am Ende des Parteispenden-Prozesses im Februar 1987 wird Eberhard von Brauchitsch zu zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe verurteilt. Ebenso müssen die ehemaligen Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff und Hans Friderichs hohe Geldstrafen zahlen. Vom Vorwurf der Bestechung und Bestechlichkeit werden die drei Angeklagten jedoch freigesprochen.

Friedrich Karl Flick, der während der ganzen Affäre seine Unschuld beteuert, wird für die Spendenpraxis seines Konzerns juristisch nie belangt.

Der Streit um die "Flick-Collection" (2002-2004)

Jahrzehntelang hatten sich Friedrich Flick und seine Söhne geweigert, zumindest eine moralische Mitverantwortung für Unrecht und Unmenschlichkeit während des NS-Regimes, für "Arisierung", Raub und Zwangsarbeit zu übernehmen.

Stattdessen haben sie immer wieder versucht, die Bitte von Opfern um Entschädigung abzuwehren. Am Ende wendet sich diese Art von Geschichtsverweigerung auch gegen die Enkel.

Als Friedrich Christian, Sohn von Otto-Ernst Flick, seine Kunst-Sammlung, die "Flick Collection", öffentlich ausstellen will, kommt es zu hitzigen Debatten. Die Kunstwerke, so die Gegner, seien mit jenem Geld erworben worden, das letztlich auch mit der Ausbeutung von Zwangsarbeitern erwirtschaftet wurde. Solange Friedrich Christian Flick sich weigere, Entschädigung zu zahlen, sei die Ausstellung nicht hinnehmbar.

In Zürich und München scheitert die Ausstellung am Protest von Künstlern und Intellektuellen. In Berlin werden die Bilder schließlich gezeigt, nach einer erneuten Debatte über die geschichtliche Verantwortung der Flick-Erben. Dabei werden auch Differenzen zwischen den Nachfahren publik.

Dagmar Ottmann, die Schwester von Friedrich Christian Flick, verwahrt sich in einem offenen Brief gegen die pauschale Beschuldigung aller Familienmitglieder. Sie selbst habe bereits Anfang 2001 in den Zwangsarbeiterfonds eingezahlt – anonym, um ihre Brüder nicht öffentlich bloßzustellen.

Ottmanns Vorschlag, die Ausstellung zu vertagen und zunächst die Ergebnisse eines von ihr angestoßenen Forschungsprojekts abzuwarten, hat keinen Erfolg. Ein halbes Jahr nach Ausstellungseröffnung zahlt Friedrich Christian Flick fünf Millionen Euro in den Zwangsarbeiterfonds.

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