Mo., 15.06.09 | 21:15 Uhr
Das Erste
Liselotte Pulver
Ihr Lachen – mitreißend, erfrischend, befreiend. Man hat es geradezu im Ohr, wenn man den Namen Lilo Pulver hört. Die große Zeit der Schauspielerin Liselotte Pulver waren die 50er und 60er Jahre – die Zeit des "Deutschen Nachkriegsfilms", als ein Filmschauspieler noch ein Star und das Kino mehr als Unterhaltung war: ein Fluchtort, um die Zerstörung, die die Nazizeit und der Zweite Weltkrieg hinterlassen hatten, zu vergessen.
"Das damals bis ins Innerste erschütterte deutsche Volk ließ sich gerne von einer Schweizerin trösten", schrieb ihre Schwester, die Journalistin Corinne Pulver, in ihrer Biografie "Meine Schwester Lilo Pulver". Liselotte setzte "dem Ernst der Stunde das hartnäckigste Lachen" entgegen. Kobold und Kumpel war sie, ein verschmitztes Mädchen, eine tollkühne Reiterin oder eine in Maßen moderne junge Frau. Filme wie "Ich denke oft an Piroschka", die Spessart-Trilogie oder "Die Zürcher Verlobung" – und viele mehr – waren Kassenschlager.
Dabei ist ihr Lachen nicht mehr als ein Schutzschild: gegen ständige Liebesnöte. Geboren wird Liselotte Pulver 1929 in Bern, in eine alteingesessene Familie. Beide Eltern – der Vater wollte Maler, die Mutter Opernsängerin werden – können ihre Künstlerträume nicht verwirklichen. Sie ist die Dritte, die Nachzüglerin. "Eigentlich hätten wir sie gar nicht mehr gebraucht", sagt ihre Schwester. Liselotte will es allen zeigen, die ihr nichts zutrauen oder nichts von ihr wissen wollen. Sie beschließt als junges Mädchen, Schauspielerin und berühmt zu werden.
Der deutsche Film entdeckt die junge Schweizerin als neuen, jungen Typ. Eine große Tragödin will sie werden – und wehrt sich monatelang gegen eine Rolle, die ihr den Durchbruch bringt: "Ich denke oft an Piroschka" unter der Regie von Kurt Hoffmann. Dieser Regisseur erkennt als Erster das komische Talent der jungen Schauspielerin – und dreht mit ihr insgesamt zehn Filme. Bald gehört "Lilo", wie man sie in Deutschland nennt, zu den beliebtesten Schauspielerinnen des deutschen Films.
Fast wäre sie ein Weltstar geworden. Aber oft steht sich die Pulver selbst im Weg. Eine Rolle in "Ben Hur" wird ihr angeboten und die weibliche Hauptrolle an der Seite von Charlton Heston in "El Cid". Weil sie vertraglich gebunden ist, bekommt Sophia Loren diese Rolle. Aus der Hollywood-Karriere wird nichts. Noch heute, sagt sie, könne sie sich deswegen "in den Hintern beißen". Dafür begegnet sie in "Gustav Adolfs Page" der Liebe ihres Lebens, dem Schauspieler und Theaterregisseur Helmut Schmid, den sie 1961 heiratet. Lilo kauft ein Anwesen am Genfer See und bekommt zwei Kinder: den Sohn Marc-Tell und die Tochter Melisande. Aber Anfang der 60er Jahre wird "Opas Kino" für tot erklärt und Lilo Pulvers große Zeit ist vorbei. Mit ihrem Ehemann zusammen geht sie auf Theater-Tournee und tritt im Fernsehen auf, als "Lilo" in der Sesamstraße.
Die Frau, deren Lachen zu ihrem Markenzeichen wurde, muss privat schwere Schicksalsschläge ertragen, die ihre große Karriere schließlich beenden. 1989 stürzt sich ihre Tochter von der Berner Münsterplattform rund 30 Meter in die Tiefe. 1992 stirbt nach 30 Jahren glücklicher Ehe ihr Mann. Lilo zieht sich an den Genfer See zurück und schreibt ihre Autobiografie, der Titel: "Wenn man trotzdem lacht".
Liselotte Pulver lebt heute in einem Haus für betreutes Wohnen in Bern. Freiwillig ist sie ins Altersheim gezogen. Sie will ihre Ruhe haben. Fast ein Jahr lang haben sich die Autorin und der Produzent um sie bemüht, ihr zahlreiche Blumensträuße geschickt, mit Freunden und Geschwistern geredet. Dann hat sie endlich – nach Jahren wieder – ein langes Interview gegeben: Und sie war wieder ganz die alte Lilo.
Ein Film von Birgit Kienzle