So., 27.02.22 | 23:50 Uhr
Das Erste
"druckfrisch"-Musiker des Monats:
"druckfrisch"-Musiker des Monats Februar 2022 wird der südafrikanische Pianist Abdullah Ibrahim, früher auch bekannt als Dollar Brand. Wenige Musiker können wirklich so wie er als "Legende" betrachtet werden. Der heute 82-Jährige hat als Kind in den Townships von Kapstadt das Klavierspielen als Autodidakt begonnen, landete bei Duke Ellington und spielte wenig später schon Free-Jazz mit John Coltrane.
Er komponierte mit "Manenberg" aber auch die glücklich machende Hymne der Anti-Apartheits-Bewegung. Es ist der seltene Fall, dass ein Jazzmusiker einmal einen echten Hit landete und zugleich die Weltgeschichte prägte. Abdullah lebt seit einigen Jahren im bayerischen Chiemgau, wo er für "druckfrisch" auch die 1’11" Fassung seines lyrischen "Blue Boleros" eingespielt hat. Eine Ehre ihn in der Sendung gehabt zu haben. "Solotude" heißt seine neue Platte mit meditativer Solopiano-Musik.
Begonnen hatte die 181. Ausgabe von "druckfrisch" melodramatisch mit der vielleicht bombastischsten Filmmusik der letzten Jahre: Mit Hans Zimmers und Benjamin Wallfischs Titeltrack zu "Blade Runner 2049", einem unerwartet abstrakten Meisterwerk, das wir dem in Hollywood ansässigen Produzenten von nicht immer avantgardistischen Filmmusiken ("König der Löwen") gar nicht zugetraut hätten. Hans Zimmer umgekehrt hätte wohl nicht erwartet, dass er in seinem Heimatland einmal eine intellektuelle Literatursendung eröffnen darf.
Den immerwährenden Flug der Möwen über Istanbul begleitet dann der in dieser Stadt aufgewachsene Musiker Saam Schlamminger mit seinem leider seit über einem Jahrzehnt nicht fortgeführten Projekt "Chronomad". Früher war er mit ihm öfters zu Gast auf dem Soundtrack unserer Sendung. Die zehn Stücke auf seiner 2004 erschienene CD "Sokut" sind alle in unterschiedlichen Taktzeiten komponiert. Der Track "Dore Hindi" dürfte (außer aus zahllosen übereinander geschichteten Samples) aus einem 7/8tel Takt bestehen, ist aber rhythmisch so morgenländisch kompliziert, dass wir uns zugegebenermaßen nicht gaaanz sicher sind, ob wir richtig gezählt haben.
Mit der nicht immer ganz kitschfreien Sound von Sigur Rós muss man beim Einsatz als Filmmusik extrem vorsichtig sein. Leicht können die Bilder der intendierten Größe der Musik nicht standhalten. Für die apokalyptischen Aufnahmen aus dem winterlich verlassenen Herrenhauser Park konnte die Musik aber gar nicht groß genug sein. In dem Track "Svefn-g-englar", den wir ausgewählt haben, wird sogar einmal kurz in der von den Musikern erfundenen Phantasiesprache gesungen … eine Besonderheit in dieser sonst ganz instrumental gehaltenen Sendung.
Und dann machen wir – so wie sich das Fernando Aramburu gewissermaßen gewünscht hat – "Krach"! Zum Abschluss dürfen die beiden Musiker Andreas Gerth & Carl Oesterhelt – so wie einst im WDR Karlheinz Stockhausen – noch einmal ihre Ringmodulatoren anwerfen und lautstark "The Aporias of Futurism" hinterherlauschen … so lautet auch der Titel ihres letzten, tollen Doppelalbums, das – wer hätte das bei einer solchen Musik gedacht – schon in der Novembersendung einmal Verwendung gefunden hatte.
Von Andy Ammer
Titel | Interpret |
---|---|
Blade Runner | Hans Zimmer, Benjamin Wallfisch |
Dore Hindi | Chronomad |
Blue Bolero | Abdullah Ibrahim |
Svefn-g-englar | Sigur Rós |
Annotations 2 | Andreas Gerth & Carl Oesterhelt |
Stand: 27.03.2022 13:34 Uhr
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