Mo., 11.10.21 | 00:15 Uhr
Das Erste
Erklär mir Liebe: Antje Rávik Strubel
Heißt sie nun Adina? Oder Sala? Doch Nina? Oder ist sie einfach nur 'Kleiner Mohikaner'? Die zarte junge Frau aus einem Skifahrerdorf im tschechischen Riesengebirge ist in Helsinki gestrandet, studiert oder arbeitet, man weiß es nicht so genau, sortiert Erinnerungen, Traumata und Identitäten und versucht, vielleicht zum ersten Mal, wirklich sie selbst zu werden, als ihr, irgendwo draußen, in einer Bucht am Meer, die blaue Frau erscheint: Ein magisches Zitat? Ein Spiegel? Eine Mahnung aus der Vergangenheit?
"Vor ihrer hell umrissenen Gestalt bricht das Dunkel des Tunnels jäh ab. Sie schaut mir entgegen. Ich frage sie, ob sie in der Nähe wohne. Ob sie oft am Hafen sei. Die Geste, die ihre Antwort begleitet, beschreibt einen Kreis, keine Richtung. Sie komme gern hierher. Das Klirren der Segelstangen, das Schreien der Möwen, der Geruch nach Teer, das gefalle ihr. Nur hier könne sie mit mir reden, zwischen den Schienen, den Schuppen und der Badestelle am Ufer, an der eine Bank aufgestellt ist." So beginnt also ein Gespräch, zwischen Adina und der blauen Frau, das gar nichts märchenhaftes hat: Denn es geht um das Heute, um die schwierige Gegenwart Europas wie das fragile Leben der Frau, die wohl doch Adina heißt, und die, verunsichert, verängstigt nach einem sexuellen Übergriff, ihren Weg ins Morgen sucht. Antje Rávik Strubel erzählt uns das, zwingend und schön, psychologisch klar und streng ausdifferenziert, vor dem fahlen Leuchten der finnischen Landschaft: Eine große, berührende Geschichte!
Antje Rávik Strubel, geboren 1974 in Potsdam, studierte Literaturwissenschaften und Psychologie. 2001 erschien ihr erstes Buch "Offene Blende". Mit ihrem neuen Roman ist sie für den Deutschen Buchpreis nominiert.
(Antje Rávik Strubel: "Blaue Frau", S.Fischer Verlag)
Stand: 10.10.2021 16:38 Uhr
Kommentare