So., 16.03.25 | 23:35 Uhr
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Hilfe für sein Land
Friedenspreisträger Serhij Zhadan im Einsatz in der Ukraine
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Mitte 2024 trat der bekannte Schriftsteller Zerhij Zhadan in die ukrainische Nationalgarde ein, machte seine Grundausbildung. Heute kämpft er nicht an der Front, sondern setzt seine besondere Stärke ein: die Kommunikation. Er ist Bindeglied zwischen der 13. Brigade und seiner Heimatstadt Charkiw. Zhadan betreibt den Radiosender der Einheit, organisiert Spenden, Drohnen oder Störsender. Nebenbei veranstaltet der Friedenspreisträger des deutschen Buchhandels nach wie vor Lesungen, zu denen die Menschen pilgern, sie geben Halt und Trost. ttt hat Serhij Zhadan in Charkiw getroffen.
Als potentielles Ziel in Charkiw
Im Frühling in Charkiw, im Osten der Ukraine, unweit der russischen Grenze, erinnert nur das Jaulen der Sirenen an den Krieg. Die Menschen hier bemühen sich um Normalität. "Ich verstecke mich nicht in Schutzräumen, die anderen Charkiwer auch nicht", sagt Serhij Zhadan, "bestimmte Dinge nimmt man inzwischen einfach hin, es entsteht ein gewisser Fatalismus. Das heißt nicht, dass man sich aufgegeben hätte, aber wir wissen, dass wir alle potenzielle Ziele sind."
Berichte von der Front

Serhij Zhadan ist Schriftsteller und Musiker. In der Ukraine eine Art Nationaldichter und für viele ein Vorbild: Trotz ständiger Attacken bleibt auch er in Charkiw. Serhij Zhadan verkörpert den Widerstand: Im Mai 2024 absolviert er die militärische Grundausbildung und wird Teil der Nationalgarde. Im Kampfeinsatz ist er nicht, trotzdem wüssten seine Kommandeure immer, wo er sei und was er mache, erzählt er: "Ich erstatte regelmäßig Bericht. Das ist Teil meiner Arbeit und wird innerhalb der Brigade anerkannt. Sie wissen, dass diese Arbeit nützlich ist. Das motiviert mich und gibt mir zusätzliche Kraft und Energie." Von Charkiw ins Kampfgebiet sind es nur wenige Autominuten. Serhij Zhadan ist kein Frontsoldat, sondern berichtet in seinen Videos von den Soldaten seiner Einheit, der "13. Brigade", kurz "Chartija". Er leitet das gleichnamige Frontradio, wo er auch über Literatur und kulturelle Themen spricht. Es ist das erste Radio innerhalb der Verteidigungskräfte. Uns ist wichtig, über unsere Brigade zu berichten. Gleichzeitig finden wir, dass die Armee auch intellektuell sein muss, intelligent und gebildet.
Rolle der Kultur im Krieg
Für die Armee ist Serhij Zhadan als Aushängeschild wichtiger als an der Front: Denn er ist ein Rockstar: spielt mit seiner Band für die schutzsuchenden Menschen in der U-Bahn, sammelt Spenden und gibt Lesungen: Ganz aktuell diese Woche in Charkiw. "Man sollte die Rolle der Kultur im Krieg nicht überschätzen, denn Dichter können leider keine Panzer und Raketen aufhalten", sagt Serhij Zhadan, "doch man sollte sie auch nicht unterschätzen, denn Kultur berührt tiefe Dinge, die unsere Identität betreffen. Unter Kriegsbedingungen merkt man besonders deutlich, dass Kultur für viele Menschen wichtig ist."
Alltagsgeschichten
In seinen Texten erzählt Serhij Zhadan aus dem Alltag jener Menschen, die im Angesicht dieses Krieges leben, beschreibt mit unaufgeregten Worten die traurige Normalität dieser Tragödie, die stillen Momente. Seine neuen Geschichten erscheinen jetzt auf Deutsch: "Keiner wird um etwas bitten". Der deutsche Titel scheine ihm sehr treffend gewählt, so Zhadan, "Er vermittelt schärfer und präziser die Stimmung und Haltung vieler Bürger der Ukraine. Vor allem der Zivilbevölkerung, die geblieben ist, weil es ihre Stadt, ihr Land, ihre Heimat ist."
Ein Recht auf Würde
Seine Literatur wird international gefeiert: 2022 erhält er den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Er ist Ukraines wichtigster Kulturbotschafter. Doch seine Aufgabe sieht Serhji Zhadan jetzt vorerst in der Heimat: "Momentan habe ich einfach weder Zeit noch Lust, nach Deutschland zu fahren, um dem deutschen Publikum zu erklären, dass wir keine Nazis sind. Dass wir das Recht haben zu leben, unser Land zu verteidigen und nicht wir die Aggressoren sind." Beschämend fand er das Verhalten von Trump gegenüber Selenskyj im Weißen Haus. Die Ukraine stehe jetzt an einem Scheideweg. Doch über den Ausgang des Krieges will Serhij Zhadan nicht spekulieren. Es geht ihm um etwas anderes: "Trump wiederholt mit manischer Beharrlichkeit, die Ukrainer müssten dankbar sein. Das ist erniedrigend und zeigt, dass er vollkommen empathielos ist. Er versteht zudem nicht, was Würde bedeutet. Ein Land, das im vierten Jahr einer brutalen Besatzung standhält, hat ein Recht auf Würde." Mit seinem Buch und seinen Worten gibt Serhij Zhadan den Menschen ihre Würde zurück.
Autor: Max Burk
Stand: 16.03.2025 17:16 Uhr
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