SENDETERMIN So., 03.12.23 | 23:05 Uhr | Das Erste

Klimakatastrophe und Stillstand

Wie wir alle Druck auf die Politik machen können

Wie wir alle Druck auf die Politik machen können | Video verfügbar bis 03.12.2024 | Bild: AFP PHOTO / Abdulla Al-Bedwawi

Am 30. November hat die Weltklimakonferenz COP28 in Dubai begonnen. Ihr erklärtes Ziel: den Klimaschutz weltweit voranzutreiben und ärmeren Ländern Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten. Hehre Absichten. Doch was ist davon zu halten? Die Bilanz der letzten Jahre ist jedenfalls schockierend. Die vor acht Jahren mit dem Abkommen von Paris selbstgesteckten Ziele – allen voran die Beschränkung auf 1,5 Grad Celsius Erwärmung – sind kaum noch erreichbar. 2023 war das wärmste Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Weltweit nehmen Extremwetterereignisse wie Hitze, Regen, Dürre zu. Wie ist es möglich, dass trotz der Dringlichkeit die Umsetzung der Maßnahmen nur schleppend vorangeht? Und was ist dagegen zu tun? Darüber hat ttt mit der Klimaforscherin Friederike Otto und Jürgen Resch, dem Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, gesprochen.

Profitinteressen und Lobbyismus

Friederike Otto
Friederike Otto | Bild: WDR

Die Physikerin und Philosophin Friederike Otto forscht am "Grantham Institute for Climate Change" in London zu Extremwetter, von dessen Auswirkungen die armen Länder am stärksten betroffen sind. "Was wir als allererstes auf dieser COP brauchen, ist ein absoluter Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen. Das ist bisher noch nicht global beschlossen worden", sagt sie. "Der Grund, dass die ganzen letzten Jahrzehnte nicht viel passiert ist, ist nicht, weil wir nicht wussten, dass es den Klimawandel gab, sondern weil es ganz klare Interessen gibt, mit dem Verbrennen von Öl, Gas und Kohle weiterhin Geld zu machen." Friederike Otto nennt das "Raubtierlobbyismus". Dagegen forscht und schreibt sie an. Ende Dezember erscheint ihr neues Buch "Klimaungerechtigkeit". Erst kürzlich wurde sie mit dem Deutschen Umweltpreis ausgezeichnet.

Veränderung jetzt

Jürgen Resch
Jürgen Resch | Bild: WDR

Mit dem enormen Einfluss, den die energieintensiven Industrien auf die Politik haben, beschäftigt sich auch Jürgen Resch. Seit 1988 leitet er die Deutsche Umwelthilfe (DUH). Er drängt darauf, dass sich die Politik widersetzt: "Was wir brauchen, das sind mutige Politiker, die auch mal die Kraft haben, sich gegen starke Wirtschaftsinteressen hinzustellen." Die DUH hat bei der Aufdeckung des Dieselskandals eine entscheidende Rolle gespielt, die Einführung des Dosenpfandes forciert, die Zulassung gefährlicher Pestizide verhindert und in großen Kampagnen die Dringlichkeit von mehr Klima- und Umweltschutz in die Öffentlichkeit gebracht. Mit zahlreichen Klagen hatten Resch und die DUH vor Gericht Erfolg. Erst vor wenigen Tagen hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ein bahnbrechendes Urteil gesprochen und die Bundesregierung zu einem Klimaschutz-Sofortprogramm in den Bereichen Verkehr und Gebäude verpflichtet. "Hier haben wir noch die Gerichte, die tatsächlich in Deutschland funktionieren, die gerade jetzt auch in der Umsetzung des Klimaschutzes einmal mehr beweisen, dass unsere demokratische Grundordnung noch lebt und dass es für jeden einzelnen von uns möglich ist, wirksam Druck zu machen und was zu verändern."

"Jeder hat Einflussmöglichkeiten"

"Druck machen!" – so heißt auch sein kürzlich erschienenes Buch. Es zeigt, warum die Politik immer wieder vor den Profitinteressen der Wirtschaft einknickt und was wir dagegen tun können. Auch wenn die Gefahr groß ist, dass sich in Dubai die Lobby der fossilen Industrie erneut durchsetzt, plädiert Jürgen Resch dafür, nicht aufzugeben: "Ich möchte dazu aufrufen, dass man eben nicht resigniert, sondern aufzeigen, dass, wenn man im Kleinen oder im Großen etwas unternimmt, man eine Stadt plastikfrei bekommen kann, dass im Bereich des ökologischen Landbaus vieles möglich ist." Und auch Friederike Otto betont: "Jeder von uns, selbst wenn man nicht bei der letzten Generation dabei ist oder auf Klimademonstrationen geht, jeder von uns hat Einflussmöglichkeiten."

Kein Wunder, dass die beiden angefeindet werden und immer wieder heftigen Shitstorms bis hin zu Morddrohungen ausgesetzt sind. Einschüchtern lassen sie sich nicht. Im Gegenteil. "Wie gehe ich mit den Anfeindungen um? Ich ziehe mir jeden Morgen meine Rüstung an und denke, wir haben unglaublich viel verändert", sagt Friederike Otto. "Das ist der Grund, warum wir angefeindet werden, weil wir eben echte positive Änderungen voranbringen."

Buchtipps

Friederike Otto: Klimaungerechtigkeit.
Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus zu tun hat
Ullstein Verlag 2023, Preis: 22,99 Euro
(erscheint am 28. Dezember 2023)

Jürgen Resch: Druck machen!
Wie Politik und Wirtschaft wissentlich Umwelt und Klima schädigen – und was wir wirksam dagegen tun können.
Ludwig Verlag 2023, Preis: 22 Euro

Autorin des TV-Beitrags: Claudia Kuhland

Die komplette Sendung steht am 3. Dezember ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.

Stand: 18.01.2024 15:52 Uhr

1 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.