So., 12.11.23 | 23:50 Uhr
Das Erste
John Akomfrah
Der britische Videokünstler in der Frankfurter Schirn
Andere Perspektiven und neue Einsichten – das versprechen die Videoarbeiten des britischen Künstlers John Akomfrah. Die Frankfurter Schirn widmet ihm jetzt eine Ausstellung mit drei raumumspannenden Multi-Screen-Installationen. "John Akomfrah – A Space of Empathy" ist bis zum 28. Januar 2024 zu sehen. ttthat mit dem Künstler und mit der Kuratorin Julia Grosse gesprochen.
Der Raum der Empathie
"Ich möchte nicht, dass Leute sich das einfach nur ansehen, um es anzusehen. Sie sollen es für sich selbst betrachten. Das ist der Raum der Empathie. Sie treten mit dem Werk in eine Gemeinschaft", sagt John Akomfrah. 1957 in Ghanas Hauptstadt Accra geboren, lebt und arbeitet er in London. 1982 war er Mitbegründer des Black Audio Film Collective in London, eines der einflussreichsten Beispiele für kollektive Arbeit von Schwarzen im kulturellen Bereich in Großbritannien. Die in Frankfurt ausgestellten Werke setzen sich kritisch mit dem Kolonialismus, der Klimakrise und der globalen Migration auseinander. Seine großformatigen Screens erzählen von Umbrüchen und Krisen.
Schönheit und Schrecken
"Vertigo Sea" aus dem Jahr 2015 ist eine poetische Reflexion über das Verhältnis zwischen Mensch und Meer. Virtuos setzt John Akomfrah Schönheit und Schrecken in dichtgeschnittenen Sequenzen parallel. Es geht um Walfang, Menschenhandel und die Tragödie der im Meer ertrunkenen Flüchtlinge. "Die Geschichte der Jagd auf Wale ist nicht gleichzusetzen mit der Geschichte des atlantischen Sklavenhandels. Aber es gibt Zusammenhänge. Zum Beispiel haben die Hersteller der Schiffe, die für den Transport der versklavten Afrikaner gebaut wurden, später diese Technologie genutzt, um Walfangboote zu verbessern. Es gibt also eine Art gegenseitiger Befruchtung von Geschichten."
Modelle der Zukunft
In diesem Jahr wurde John Akomfrah zum Ritter des British Empire geschlagen. International ist er ein Star, in Deutschland bisher noch nicht ganz so bekannt. "Deutschland ist halt ein bisschen langsamer manchmal, wenn es um solche Perspektiven geht", sagt Julia Grosse, die Kuratorin der Ausstellung. "Mich hat es wirklich auch sehr verwundert, weil auch gerade diese Ebene des Filmes für Zuschauer*innen… - es ist nicht einfach, aber es ist ein zugängliches Medium."
"The Unfinished Conversation", 2012 entstanden, ist eine Hommage an Stuart Hall (1932-2014), den einflussreichen britischen Kulturtheoretiker, Soziologen und Begründer der "Cultural Studies". Hall, wie Akomfrah nach Großbritannien eingewandert, begriff Identität nicht als etwas Festgeschriebenes. "Der Grund, warum ich 'Das unvollendete Gespräch' gemacht habe, ist der Einfluss von Stuart Halls Denken auf meine Generation. Er machte uns die Frage von Konstruktion verständlich, dass die Dinge nicht festgelegt sind, sondern immer neu gemacht und gedacht werden. Speziell in Bezug auf das Schwarzsein."
Akomfrahs jüngstes Werk "Becoming Wind" (2023) ist eine allegorische Darstellung des Paradieses und seiner Zerstörung. Allerdings verzichtet der Künstler auf jegliche Moralisierung. Stattdessen will er Mitgefühl in uns wecken – und uns sensibilisieren für neue Konzepte der Zukunft. "Es bedarf einer gewissen Eleganz, einer Beweglichkeit und Entmaterialisierung dessen, was wir sind", sagt John Akomfrah. "Auch für unsere Modelle der Zukunft: Warum versuchen wir es nicht etwas eleganter und immaterieller so wie der Wind? Etwas beweglicher, ohne dabei Ressourcen zu verbrauchen und viele Spuren zu hinterlassen?"
Autorin des TV-Beitrags: Anke Rebbert
Die komplette Sendung steht am 12. November ab 20 Uhr zum Abruf in der Mediathek bereit.
Stand: 12.11.2023 17:58 Uhr
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