Sa., 28.03.20 | 16:00 Uhr
Das Erste
Alternsforschung: Die Formel für das ideale Leben im Alter
Wie gelingt es zufrieden und gesund alt zu werden? Das ist eine zentrale Frage der Alternsforschung. Und eine ziemlich komplexe: Denn hier spielen nicht nur Biologie und Medizin eine Rolle, sondern auch andere wissenschaftliche Disziplinen wie Psychologie, Soziologie und Ökonomie. Und bisher sind noch längst nicht alle Geheimnisse rund ums Altern gelüftet. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat unlängst das neue Jahrzehnt 2020 bis 2030 als "Dekade des gesunden Alterns" ausgerufen, eine Priorität darin: Global sollen weitere wissenschaftlich hochwertige Daten rund um gesundes Altern zusammengetragen werden. Nichtsdestotrotz gibt es auch jetzt schon Erkenntnisse, welche Faktoren für ein gutes Leben im Alter besonders wichtig sind.
Superfoods für ein gutes, langes Leben?
Ob es eine optimale Ernährung für das Leben im Alter gibt, wollte die Universität Gießen in einer 20-jährigen Langzeitstudie herausfinden. Ein allgemeingültiges Geheimrezept haben sie in dieser Studie nicht gefunden, stattdessen aber Zusammenhänge zwischen der Körperzusammensetzung und bestimmten Krankheiten: So hatten beispielsweise die Personen mit einem höheren Anteil an Muskel- anstatt Fettmasse stabilere Knochen – und somit ein geringeres Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche.
Eine Studie der Universität Göteborg hat 2010 untersucht, ob die gesunde "mediterrane Ernährungsweise", die vor allem durch viel frisches Gemüse, Pflanzenöle, Fisch und wenig Fleisch charakterisiert ist, auch ein Prädiktor für ein längeres Leben ist. Wie die Forscher erwartet hatten, starben diejenigen Älteren eher, die rauchten, wenig körperlich aktiv waren oder einen höheren Bauchumfang hatten. Und tatsächlich lebten die Älteren länger, je mehr ihre Ernährung in Richtung Mittelmeerkost ging. Einen besonders starken Einfluss auf die Langlebigkeit fanden die Wissenschaftler beim Genuss von Vollkornprodukten, Lebensmitteln reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und bei geringem Alkoholkonsum statt völliger Abstinenz.
Neue Hinweise für den positiven Einfluss von Ballaststoffen aus Vollkornprodukten auf ein langes, gesundes Leben fand jüngst auch das Deutsche Institut für Ernährung. Unter anderem wirken sich Ballaststoffe positiv auf den Blutzuckerspiegel aus und beugen so Diabetes vor. Auch beim Thema Fleischverzehr gibt es neue Ergebnisse – während bisher vor allem das rote Fleisch für erhöhte Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich gemacht wurde, hat eine US-amerikanische Studie jetzt herausgefunden, dass das für alle Fleischsorten, auch Geflügelfleisch, gilt. Einzig Fisch macht da eine Ausnahme.
Einzelne Superfoods für ein langes Leben gibt es nicht – es kommt immer auf eine gute Mischung an: Wer sich möglichst frisch und vollwertig ernährt – mit viel Gemüse, Obst, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten, pflanzlichen Fetten und wenig tierischen Produkten – hat gute Chancen auf ein gesundes, längeres Leben!
Wer rastet, der rostet – immer in Bewegung bleiben!
Laut WHO sind Ernährung und Bewegung die zwei zentralen Faktoren, was gute Gesundheit im Alter anbelangt. Hierzulande bewegen sich die Älteren immer mehr – das hat die Generali Altersstudie herausgefunden. Während 1986 lediglich 1 Prozent der über 65-Jährigen angab, regelmäßig Sport zu treiben, sind es heute 44 Prozent. Und das ist wichtig, denn schon ab dem 30. Lebensjahr nimmt unsere Muskelkraft kontinuierlich ab. Dass Krafttraining auch im höheren Alter wichtig ist, haben Studien vielfach gezeigt. Gerade was die Sturzprävention betrifft: Wer Muskeln hat, stürzt weniger! Und Stürze sind ein zentrales Gesundheitsrisiko im Alter – laut dem American Journal of Medicine fällt jeder dritte über 65-Jährige mindestens einmal im Jahr hin. Und mindestens jeder zehnte Sturz hat ernste Folgen, wie zum Beispiel eine Hüftfraktur, von denen drei von vier Betroffenen sich nie mehr vollständig erholen werden.
Doch nicht nur Kraft, auch Ausdauer ist wichtig. Bereits eine knappe halbe Stunde moderates Training jeden Tag – dazu zählen auch normale Alltagsbewegungen wie Fahrrad fahren oder spazieren gehen – verlängern das Leben. Solch eine regelmäßige Bewegung hält auch den Geist fit: Eine Studie der Uni Greifswald zeigt: Wer körperlich fit ist, hat auch ein fitteres Gehirn. Und auch wenn die Mechanismen dahinter noch nicht bekannt sind: Körperliche Inaktivität ist ein Risikofaktor für Demenz. Durch eine Kombination von gesunder Ernährung und körperliche Bewegung lässt sich das Risiko für Demenz um 60 Prozent senken.
Übrigens: Es ist nie zu spät, damit anzufangen. Im Journal of Amercian Geriatrics Society wurde 2019 eine eindrucksvolle Studie veröffentlicht: Durch sechs Monate Ernährung- und Bewegungsprogramm konnten die Teilnehmer, die sich vorher nur wenig bewegt hatten, ihr biologisches Alter um ganze acht Jahre senken.
Die Macht von sozialen Kontakten
Menschen sind soziale Wesen – und dass soziale Beziehungen zentral für ein zufriedenes Leben im Alter sind, spiegelt sich auch in den Ergebnissen der Generali Altersstudie wieder. Egal ob ein großer Freundes- und Bekanntenkreis, Partner, Kinder oder Enkel: Die Befragten, die diese Menschen in ihrem Leben haben, sind zufriedener. Einsamkeit scheint hierzulande auch nicht allzu verbreitet zu sein – nur knapp jeder 20. über 65 fühlt sich häufig einsam.
Ein Problem der Alternsforschung ist jedoch, dass tatsächlich einsame und isolierte ältere Menschen auch für die Wissenschaftler tendenziell schlecht erreichbar sind – und somit womöglich auch in der Forschung unterrepräsentiert sind. "Soziale Kontakte sind deshalb so wichtig, weil sie der Ausgangspunkt oder auch der Katalysator für so viele andere positive Faktoren sind", beschreibt Alternsforscher Prof. Christoph Strünck es. Sich mit anderen zu treffen, sei eine Motivation und Gelegenheit beweglich und körperlich fit zu bleiben. Wer für kleinere Unterstützungen im Alltag auf ein Netz an Freunden und Verwandten zurückgreifen kann, bleibe zudem länger selbstständig und Pflegebedürftigkeit zögere sich aus vielerlei Gründen hinaus. Aktuelle Studien finden immer mehr wissenschaftliche Hinweise dafür: Sich mit anderen Menschen zu beschäftigen, hält beispielsweise auch das Gehirn fit – so fand eine englische Studie heraus, dass Menschen, die mit 60 Jahren viele gute soziale Kontakte pflegen, später ein deutlich verringertes Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Dass soziale Isolation und ein reizarmes Umfeld das Gehirn sogar schrumpfen lassen, hat eine neue Studie im New England Journal of Medicine gezeigt und eine weitere Studie mit Londoner Heimbewohnern kommt zum Ergebnis, dass bereits eine Stunde soziale Interaktion pro Woche die Lebensqualität bei Demenzkranken deutlich verbessert.
Zu sozialen Kontakten zählen übrigens nicht nur Menschen, auch Haustiere scheinen das Leben zu verlängern. Laut einer schwedischen Studie haben Hundebesitzer nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall ein geringeres Sterberisiko. Egal ob gesunde Ernährung, Bewegung, ein aktiver Alltag, Gesundheitsvorsorge oder Unterstützung: Die Impulse dafür gehen oft von den sozialen Kontakten aus. Kein Wunder also, dass ältere Menschen mit guten Netzwerken zufriedener und gesünder sind.
Städte und Kommunen – sie tragen große Verantwortung!
Dass gerade die Städte und Kommunen eine wichtige Verantwortung für ein gutes Leben im Alter haben, betont die WHO immer wieder. Auch die Expertenkommission des deutschen Altenberichts hat die aktuelle Ausgabe voll und ganz diesem Thema gewidmet. Denn im Alter, wenn sich der eigene Aktionsradius einschränkt, werden die lokalen Angebote wichtiger. Egal ob Pflegeangebot, altersgerechte Mobilitätskonzepte oder die Förderung von Bewegung, gesunder Ernährung und sozialen Kontakten – überall haben die Städte und Kommunen einen wichtigen Einfluss.
[W] wie Wissen hat dazu die Stadt Arnsberg in NRW besucht, die bereits seit rund 20 Jahren die Fachstelle "Zukunft Alter" betreibt und damit als Vorbild gilt. Sie initiiert, berät, koordiniert und fördert verschiedenste Projekte. Nicht nur niederschwellige soziale Treffpunkte, wie Kochtreffs oder Begegnungscafés, oder auch Bewegungsangebote. Auch ältere Menschen, die sich im Rentenalter mit ihren eigenen Fähigkeiten für andere engagieren wollen, werden hier unterstützt: Rund 150 ausgebildete "SeniorTrainerInnen" bieten für ihre Mitbürger Projekte und Unterstützung zu unterschiedlichsten Themen an.
Und sich zu engagieren, hilft nicht nur der Gesellschaft, sondern stärkt auch die eigenen sozialen Kontakte und fördert die Lebenszufriedenheit, wie die Generali Altersstudie zeigt. Ob später in Rente gehen oder sich ehrenamtlich engagieren – länger aktiv zu bleiben, verlängert das Leben, zeigt auch eine US-amerikanische Langzeitstudie. Und Städte wie Arnsberg zeigen, wie sich all die Faktoren für ein gutes, zufriedenes und aktives Leben im Alter auf lokaler Ebene fördern lassen.
Autorin: Clarissa Juse (WDR)
Stand: 26.03.2020 17:10 Uhr