Sa., 10.10.20 | 16:00 Uhr
Das Erste
Auf dem Land ohne Auto – Wie geht das?
"Auf dem Land ohne Auto, das geht oft einfach nicht", das sagt selbst der Verkehrsplaner Prof. Christoph Hupfer, der mit seinen Kollegen an autofreien Mobilitätskonzepten auch für das Land arbeitet. Aber für das stadtnahe Umland existieren bereits eine ganze Reihe Alternativen zum Auto. Gerade diese Region spielt nämlich auch eine große Rolle für das innerstädtische Verkehrsproblem, denn die Staus in der Stadt werden ganz wesentlich von den vielen Pendlern mitverursacht. In Karlsruhe sind es zum Beispiel 80.000 Autos, die jeden Tag in und durch die Stadt rollen. Schafft man für diese Pendler attraktive Alternativen zum Auto, wird der Verkehr in der Stadt sich erheblich entspannen.
Park & Ride – gut gedacht, schlecht gemacht
Eine Möglichkeit sind Park & Ride-Plätze im Umland der Stadt, wo Pendler aus den Dörfern vom Auto auf die Bahn umsteigen können. Das hat für Pendler den Vorteil, dass sie lange Staus auf den Zufahrtswegen vermeiden können, aber es gibt in den meisten Städten ein entscheidendes Problem: Die Parkplätze reichen nicht aus. Beispiel Karlsruher Umland: für die 80.000 Autos der Pendler gibt es gerade mal 6.000 Park & Ride-Plätze. In anderen Städten ist die Diskrepanz oft noch größer. Hier fordern Verkehrsexperten dringend Nachbesserung, damit das Umsteigen auf den ÖPNV leicht und bequem ist.
Der Ruf-Bus schließt die Mobilitäts-Lücke
Ein weiteres Problem für Pendler aus dem Umland sind häufig die letzten Kilometer von der Bahnhaltestelle bis zum Heimatdorf. In der Regel werden diese Strecken mit Bussen an das öffentliche Nahverkehrsnetz angebunden. Aber gerade abends und am Wochenende, wenn die Nachfrage gering ist, lohnt sich für die Verkehrsbetriebe der Einsatz von großen Bussen oft nicht mehr. Deshalb hat man für diese Zeiten das ÖPNV-Angebot häufig einstellt.
Hier können sogenannte Ruf-Busse helfen, die Lücke im Fahrplan zu schließen. Ähnlich wie bei Taxis starten sie nur bei Bedarf und können dann gleich mehrere Kunden auf der Strecke einsammeln. Dazu muss der Ruf-Bus rechtzeitig im Voraus angefragt werden, damit sich Kundenwünsche miteinander verbinden lassen ( sogenanntesPooling = Bündeln von Fahrten). Der Karlsruher Verkehrsverbund testet die Ruf-Bus-Lösung, die hier "MY-Shuttle" heißt, gerade in den Nachbargemeinden von drei Endbahnhöfen und ist bisher mit der Nachfrage zufrieden.
Das Shuttle kann per App und Telefon geordert werden und ist für Besitzer eines Bahntickets sogar kostenlos. Auch wenn dieses Angebot den Verkehrsverbund eine Menge Geld kostet, erst mit dem Shuttle ist das ÖPNV-Angebot im städtischen Umland komplett, weil man andernfalls für die Strecke zum Bahnhof, doch auf ein eigenes Auto angewiesen ist. Und wenn man erst einmal im eigenen Auto sitzt, fahren viele aus Bequemlichkeit, oder mangels Park & Ride-Plätzen, auch gleich direkt in die Stadt.
Autobahn fürs Fahrrad
Ein anderes Konzept für Pendler, um in die Stadt oder zu den großen Arbeitgebern im Umland zu kommen, sind sogenannte Radschnellwege. Auf diesen breit ausgebauten Radwegen, die keine anderen Verkehrswege kreuzen und nachts manchmal sogar beleuchtet sind, kommen Radfahrer sehr schnell an ihr Ziel. Auf Distanzen von 5 bis 20 Kilometern und vor allem mit E-Bikes, können solche "Rad-Autobahnen" eine echte Alternative zu Autostraßen in die Stadt sein, die meist sehr stauanfällig sind.
Leider ist das deutsche Radschnellwegenetz bisher kümmerlich. Während Deutschland mit über 12.000 Kilometer das drittlängste Autobahnnetz der Welt besitzt, umfasst das Radschnellwegenetz nur etwas mehr als 100 Kilometer. Dieser Rückstand wurde inzwischen erkannt und das Bundesverkehrsministerium fördert deshalb unter bestimmten Auflagen Radschnellwege jedes Jahr mit 25 Millionen Euro. Ab 2021 sollen es sogar 50 Millionen sein.
Mitfahr-Apps haben großes Potenzial
Wer allerdings in seinem Heimatdorf weder auf einen Radschnellweg, noch auf einen Ruf-Bus oder eine Bahnstation zugreifen kann und trotzdem jeden Tag in die Stadt oder zu seinem Arbeitgeber pendeln muss, kann auch das altbewährte Konzept der Mitfahrgelegenheit nutzen. Mittlerweile gibt es dafür zahlreiche Apps, mit denen man bequem per Smartphone Angebote posten, oder nach ihnen suchen kann. Da man auf der jeweiligen Plattform angemeldet sein muss, gilt dieses Verfahren als relativ sicher. Außerdem können große Arbeitgeber oder Kommunen Verträge mit App-Anbietern schließen, um den Arbeitnehmern firmeninterne Mitfahrplattformen anzubieten. Bisher mangelt es oft noch an ausreichenden Mitfahrangeboten, weil die Möglichkeiten zu wenig bekannt sind. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass sich dieses Problem beheben lässt – durch gezielte Bewerbung der App.
Insgesamt scheint es an autofreien Konzepten für das stadtnahe Umland nicht zu mangeln. Es kommt jetzt allerdings darauf an, dass Bund und Länder vor allem die kleinen und finanzschwachen Gemeinden nicht mit den Kosten allein lassen, denn profitieren werden von einer autofreien Mobilität der Pendler am Ende alle – vor allem auch die Städte.
Autor: Jörg Wolf (SWR)
Stand: 10.10.2020 17:41 Uhr