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Früherkennung von Typ-1-Diabetes bei Kindern

Plakat über die Forschung von Typ-1-Diabetes am Helmholtz Zentrum München
Forschung von Typ-1-Diabetes am Helmholtz Zentrum München. | Bild: BR

Diabetes Typ 1 ist die häufigste Stoffwechselerkrankung bei Kindern. Für die meisten Familien kommt die Diagnose aus heiterem Himmel, denn nur knapp 20 Prozent der betroffenen Kinder haben schon einen nahen Verwandten mit Typ-1-Diabetes. Deshalb wird bei über 80 Prozent der Kinder oft erst sehr spät erkannt, dass sie unter der Stoffwechselerkrankung leiden. Das liegt auch daran, dass die typischen Warnzeichen wie starker Durst, übermäßiger Harndrang oder Gewichtsverlust häufig anderen Erkrankungen zugeordnet werden. Und so landen immer wieder Kinder mit einer schweren und gefährlichen Stoffwechselentgleisung, einer sogenannten Ketoazidose, auf der Intensivstation.

Die Fr1da-Studie

Blutproben in einem Labor.
Blutproben werden für die Studien gesammelt und analysiert. | Bild: BR

Typ-1–Diabetes ist eine sogenannte Autoimmunkrankheit, bei der das eigene Immunsystem die Zellen zerstört, die Insulin produzieren. Die Krankheitsentwicklung vollzieht sich "lautlos", also ohne Symptome – und das über Monate bis Jahre.
Bislang wurde bei Kindern meist nur dann eine Früherkennungsuntersuchung durchgeführt, wenn bereits Verwandte an Typ-1-Diabetes erkrankt sind. Um auch die Kinder zu entdecken, die Typ-1-Diabetes entwickeln und keine betroffenen Verwandte haben, wird die Fr1da-Studie durchgeführt. Mittlerweile wurden über 140.000 Kinder gescreent. In Deutschland können Kinder in Bayern, Niedersachsen und Sachsen zwischen 2 und 10 Jahren an der Fr1da-Studie teilnehmen.

Im Rahmen der U7 bis U11, oder bei jedem anderen Kinderarztbesuch in diesem Zeitraum, wird Blut abgenommen und auf Diabetes-Autoantikörpern untersucht. Sie entstehen, wenn die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse entzündet sind. Der Nachweis von mehreren verschiedenen Autoantikörpern ist ein sicheres Zeichen dafür, dass bei dem Kind bereits ein Frühstadium des Typ-1-Diabetes vorliegt, obwohl es noch keine Symptome zeigt. Schulungen für Eltern und Kind sowie Nachuntersuchungen helfen dann, dass die Familien gut vorbereitet sind, wenn die Krankheit ausbricht, und es zu keinen schweren Stoffwechselentgleisungen kommt.

Die Freder1k-Studie

Noch früher als die Fr1da-Studie setzt die Freder1k-Studie an. Für dieses Risiko-Screening haben sich mehrere Forschungseinrichtungen und Kliniken in Europa zusammengeschlossen. Hier wird ein erhöhtes Risiko für Typ-1-Diabetes bei Neugeborenen ermittelt. Die Untersuchung im Rahmen der Freder1k-Studie wird von einem Arzt durchgeführt und kann zusammen mit dem Neugeborenen-Screening oder in den ersten sieben Tagen nach der Geburt stattfinden. Sollte bei dem Neugeborenen ein erhöhtes genetisches Risiko für Typ-1-Diabetes festgestellt werden, werden die betroffenen Familien in einem persönlichen Gespräch ausführlich über das Ergebnis und dessen Bedeutung informiert. Europaweit wurden inzwischen mehr als 270.000 Babys untersucht.

Das Immunsystem unterstützen

Insulinpulver wird in ein Essen gegeben.
Insulinpulver wird für eine Studie in die Nahrung gemischt. | Bild: BR

Lässt sich der Ausbruch der Stoffwechselerkrankung verzögern oder gar ganz verhindern? Das untersuchen Ärzt*Innen vom Helmholtz Zentrum München und der Technischen Universität München gemeinsam mit Partnerinstitutionen. Kinder mit Risikogenen oder Autoantikörpern, die bei den Früherkennungsuntersuchungen entdeckt wurden, konnten an speziellen Studien teilnehmen. Für eine bestimmte Zeit bekommen die Kinder zu einer Mahlzeit Insulinpulver verabreicht. Denn die erste fehlgeleitete Autoimmunantwort richtet sich gegen das Insulin. Es wird vom Immunsystem als "gefährlich" eingestuft und ruft eine Abwehrreaktion hervor. Hier setzt die Studie an.

Da das Insulinpulver oral aufgenommen wird, hat es keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel. Sobald es aber im Darm ankommt, wird das Insulinpulver über die Darmschleimhaut aufgenommen und dem Immunsystem sozusagen "vorgestellt". So soll es lernen, Insulin als "ungefährlich" einzustufen, damit es nicht zu einer Entzündungsreaktion kommt. Der Ansatz ist vielversprechend. Doch erste Ergebnisse werden erst 2025 vorliegen.

Die Darmflora unterstützen

Mit einer Spritze wird ein Bakterienstamm in eine Babymilchflasche gegeben.
Bakterienstamm wird der Babynahrung zugeführt. | Bild: BR

Ein anderer Ansatz wird mit der SINT1A-Studie verfolgt. An ihr können noch Kinder bis zum Alter von sechs Wochen teilnehmen, wenn bei ihnen durch die Freder1k-Studie ein erhöhtes genetisches Risiko für die Entwicklung eines Typ-1-Diabetes festgestellt wurde. Bei dieser Studie wird die Darmflora unterstützt. Aus früheren Untersuchungen wissen Ärzt*Innen, dass eine gesunde Darmflora Entzündungen reduziert und das Immunsystem positiv beeinflusst.

Eine gesunde Darmflora ist unter anderem von dem Bakterienstamm Bifidobacterium infantis besiedelt. Kinder, bei denen dieser Bakterienstamm kaum vorhanden ist, entwickeln häufiger entzündliche Darmerkrankungen, Allergien oder Autoimmunerkrankungen. Deshalb wird Säuglingen dieser Bakterienstamm, auch Probiotikum genannt, täglich im ersten Lebensjahr verabreicht, um die Darmflora zu unterstützen. So soll die Entwicklung der Stoffwechselerkrankung gebremst oder sogar verhindert werden.

Autorin: Christiane Streckfuß (BR)

Stand: 23.07.2021 11:34 Uhr

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