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Goldrecycling: Bakterien als Goldwäscher

Vergoldete Steckerleiste auf einer Leiterplatte eines Laptops.
Ohne Gold wären unsere Laptops viel langsamer. | Bild: WDR

Jeder von uns trägt jeden Tag viel Gold mit sich herum. Denn es ist in jedem Smartphone, Laptop und jeder Kamera verbaut. Nicht weil es gut aussieht, sondern weil Gold nicht oxydiert und ein exzellenter Stromleiter ist, der schnelle Datenübertragung garantiert. Doch all diese Geräte sind nicht besonders langlebig. Allein in Deutschland fallen jedes Jahr eine Million Tonnen Elektroschrott an – ein enormes Recycling-Potenzial. Aus den meisten Elektronikgeräten ist das Edelmetall nicht mehr wegzudenken.

Doch die Goldgewinnung wird immer aufwendiger. Für nur ein Gramm Gold müssen in einer Mine bereits bis zu zwei Tonnen Erz ausgegraben und gesiebt werden. Der Energieaufwand, der dafür betrieben werden muss, verursacht so viel CO2 wie ein Auto, das drei Mal um die ganze Erde zu fährt! Dabei wird ein Gramm Gold insgesamt auch in fünf alten Rechnern oder in 40 Handys verbaut. Umso wichtiger, das wertvolle und aufwendig gewonnenen Gold für eine Wiederverwertung zurückzugewinnen. Aber rentiert sich Recycling überhaupt und ist es wirklich weniger umweltschädlich?

Zu Besuch beim Recycling-Giganten

Berge mit Elektroschrott auf einem Werksgelände.
Eine Million Tonnen Elektroschrott fallen pro Jahr an. | Bild: WDR

Wenn Elektronik in Deutschland richtig entsorgt wird, landet sie früher oder später in Lünen, einer Kleinstadt im Ruhrgebiet. Dort betreibt der Kupferhändler Aurubis ein gigantisches Recyclingwerk, das rund um die Uhr läuft. Hier werden möglichst alle Metalle aus dem Elektroschrott zurückgewonnen. Neben Gold sind nämlich in einem Smartphone bis zu 30 verschiedene Metalle verbaut. Um sie wiederverwenden zu können, müssen sie voneinander getrennt werden. Dafür wird der Schrott zunächst geschreddert, vom Kunststoff befreit und dann in einem 1.300 Grad heißen Hochofen zu einer flüssigen Masse eingeschmolzen.

Weil Gold ein sehr dichtes, schweres Metall ist, lagert es sich am Boden des Schmelzkessels ab – gemeinsam mit Silber und Kupfer. So kann Aurubis sie getrennt von leichteren Metallen abgießen. Aus ihrer heißen Masse werden tonnenschwere Platten geformt, die anschließend in verschiedenen Säurelösungen gebadet werden. Diese Säuren lösen immer nur ein bestimmtes Metall aus der Platte ab, um es in reiner Form zurückzugewinnen: erst Kupfer, dann Silber und zu guter Letzt Gold.

Aurubis gewinnt so jedes Jahr über 18 Tonnen Gold aus unserem Elektroschrott zurück. Weltweit macht Recycling bereits ein Viertel der Goldgewinnung aus. Wirtschaftlich rentiert sich das. Für die Umwelt ist damit aber noch nicht viel gewonnen. Um die Metalle einzuschmelzen, muss dem Hochofen ordentlich eingeheizt werden – und zwar mit Erdgas. Das setzt ebenfalls enorme Mengen CO2 frei. Hinzukommen hochgiftige Säuren, die zum Lösen der Metalle eingesetzt werden. Sie erfordern strengste Kontrollen und eine aufwendige Entsorgung. Wirtschaftlich lohnt sich das, weil ein Kilo Gold gut 50.000 Euro wert ist. Ein Klimaheld ist das recycelte Gold damit aber nicht.

Bakterien – umweltfreundliche Recycling-Alternative?

Ein Mann füllt ein Bakterium in einen Kessel mit Schrott.
Die Bakterien kommen mit Elektroschrott in einen Kessel. | Bild: WDR

Doch das Gold-Recycling der Zukunft könnte umweltschonender ablaufen – und zwar dank goldverliebter Bakterien. Die Biotechnologin Esther Gabor leitet dazu ein Projekt der hessischen Biotech-Firma BRAIN. Die Idee wirkt verwegen: Schließlich sind Zahnkronen gerade deshalb aus Gold, weil Edelmetalle Bakterien besonders gut abtöten. BRAIN besitzt jedoch ein Bioarchiv mit über 50.000 verschiedenen Bakterienstämmen, die Gabors Team auf ihre Reaktion mit Gold testeten. Mit Erfolg: Ein Bakterium, das Gabor in einem stillgelegten Bergwerk fand, zeigte eine ganz außergewöhnliche Reaktion. Gabor nannte es "Pseudonomas Metallosolvenz" – das metalllösende Bakterium.

In einem eigens dafür gebauten Labor-Container, dem sogenannten BioXtractor, zeigen die Forscher, was es kann. Dafür werden Wasser, pulverisierter Elektroschrott und das Bakterium in einen Stahlkessel gegeben. Darin können sich die Bakterien dank einiger Nährstoffe vermehren, bis sie allen Elektroschrott mit einem Bakterienfilm überzogen haben. Dort lösen sie dann einzig und allein die Goldpartikel im Wasser heraus.

Es entsteht eine Art Goldwasser, das jetzt getrennt vom restlichen Schrott abgepumpt und durch eine Art Schwamm gepresst wird. In diesem Schwamm befindet sich ein zweites Wunderbakterium, das das Gold aus dem Wasser aufsaugt. Wird der Schwamm verbrannt, bleiben kleine feine Goldklumpen übrig.

Goldrecycling ohne giftige Chemie – die Bakterien sollen völlig ungefährlich sein. Aber vor allem verursache das bakterielle Gold-Recycling – laut einer noch unveröffentlichten Studie, die das Forschungsinstitut nova-Institut bei BRAIN durchgeführt hat – nur halb so viel CO2, wie das energieintensive Einschmelzen des Schrotts!

Die Recyclingkette völlig neu denken

Goldperle
Goldperle – der Schatz, den die Bakterien bergen. | Bild: WDR

Ob sich die Bakterien auch für den industriellen Großmaßstab eignen, muss BRAIN noch beweisen. Für nächstes Jahr plant das Unternehmen eine erste industrielle Pilotanlage. Anders als bei Aurubis soll bei BRAIN nur Gold zurückgewonnen werden – und auch nur aus Leiterplatten, dem "Goldstück" von Rechnern und Handys. Bis alle Metalle aus allen Arten Schrott mithilfe von Bakterien zurückzugewonnen werden können, ist es noch ein weiter Weg. Zumal dafür eine etablierte Recycling-Infrastruktur komplett umgebaut werden müsste.

Gabor setzt daher zunächst auf die kleineren Schrott-Zulieferer von Aurubis. Mit einem BioXtractor könnten sie ohne größeren Aufwand das wertvolle Gold bereits selbst aus ihrem Schrott gewinnen, bevor sie den Rest an Aurubis senden. Denkbar also, dass das Gold unseres Smartphones in Zukunft nachhaltiger gewonnen wird – dank eines Bakteriums aus einer stillgelegten Mine.

Autor: Patrick Jütte (WDR)

Stand: 27.07.2020 09:39 Uhr

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