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Greenwashing: Nachhaltigkeit – Mega-Trend, Mega-Fake?

Bekleidung hängt auf Bügeln.
Trend zu Nachhaltigkeit: Recycling-Fasern. | Bild: BR

Noch immer trägt die Welt vor allem eins: Plastik! Rund 70 Prozent unserer Bekleidung enthalten Polyester, Nylon oder Acryl. Doch diese Kunstfasern belasten die Umwelt und werden erst nach Jahrzehnten abgebaut. Ein wichtiger Schritt wäre, mehr recyceltes Plastik und Bio-Baumwolle einzusetzen. Viele Labels werben derzeit mit Textilien aus recyceltem Kunststoff oder Ökofasern. Aber wie viel Recycling und Bio stecken tatsächlich in T-Shirts, Jeans und Pulli?

Das Interesse der Konsumenten für ökologische Bekleidung jedenfalls steigt: Laut Gesellschaft für Konsumforschung hat sich die Menge an Bekleidung mit Nachhaltigkeits-Label im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Nachhaltigkeit ist derzeit ein Mega-Trend, das zeigt auch die Werbung. Doch blickt man genauer auf die Etiketten, machen nachhaltige Fasern meist nur einen Teil des Materials aus. Fair produziert sind sie oft auch nicht. "Greenwashing" sagen Umweltexperten dazu. Das Etikett soll dem Kunden beim Kauf ein gutes Gefühl – und der Marke ein grünes Image geben.

Transparente Lieferketten durch neue Markiertechnik

Scanner wird auf Jeansballen gehalten, Bildschirm zeigt stilisierten Fingerabdruck.
Optischer Fingerabdruck: Herkunft der Fasern lässt sich scannen. | Bild: BR

Wie geht es besser? Der Faser-Experte Tobias Herzog von der Firma Tailorlux aus Münster hat ein Verfahren entwickelt, um die Wege des Materials nachzuverfolgen. Er weiß: Das Risiko für Tricksereien im Recyclingmarkt ist groß, vor allem wenn die Lieferketten über den gesamten Globus verteilt sind. Wie hoch der Anteil recycelter Fasern in den Textilien am Ende ist, lässt sich kaum mehr überprüfen. So könnten etwa minderwertige Baumwollreste oder billige Kunstfasern beigemischt werden.

Bei Altex, einer zertifizierten Textil-Recycling-Firma in Nordrhein-Westfalen, möchte Tobias Herzog seine neue Technik testen. Der Familienbetrieb setzt sich dafür ein, dass die Textilproduktion insgesamt transparenter wird. Die Idee: In den Stoff soll schon beim Recyclingprozess eine Markierfaser eingebaut werden. Dafür werden dem Recycling-Material feinste Viskosefasern beigemischt, die mit speziellen Farbpigmenten angereichert sind. Der Anteil der Farbpigmente ist allerdings so gering, dass die Fasern im fertigen Kleidungsstück nicht mehr sichtbar, aber eben nachweisbar sind. Mit einem Spektrometer lassen sich die Markierfasern anhand ihres Lichtspektrums wiedererkennen.

Nicht nur Recycling-Baumwolle lässt sich so zurückverfolgen, sondern auch zertifizierte Bio-Baumwolle oder recycelte Kunstfasern. Und auch was den Anteil an Recyclingfasern angeht, lässt es sich so nicht mehr so einfach tricksen. Tobias Herzog ist überzeugt: Seine Technik schafft Transparenz und wird dafür sorgen, dass sich diejenigen Textilfirmen durchsetzen, die eben kein reines Greenwashing betreiben.

Recycelte Polyesterfasern

Einige Modelabels verwenden inzwischen Recyclingfasern aus gehäckselten Plastikflaschen oder aus Abfällen der Textilproduktion. Eine der Firmen, die Recycling-Polyester in Deutschland produziert, ist Advansa in Nordrhein-Westfalen. Lohnt sich die Markiertechnik von Faserexperte Tobias Herzog auch hier? Als Granulat lassen sich seine Farbpigmente beim Einschmelzen mit der Kunstfaser verbinden und über die gesamte Lieferkette scannen. Ein großer Vorteil – denn auch bei der Polyesterproduktion kann getrickst werden. Der Grund: Der Preis für Polyester ist eng an den Ölpreis gekoppelt. Recyceltes Polyester ist deshalb aktuell teurer als neue Fasern. Das birgt das Risiko für Betrug bei der Mischung oder Deklaration. Hinzu kommt: Der Wunsch nach Recyclingfasern steigt. Noch ist das Markierverfahren relativ neu. Doch Tobias Herzog ist gerade dabei, auch große Hersteller, denen Transparenz immer wichtiger wird, für seine Tracking-Technik zu gewinnen.

Zurück zu Naturfasern

Betreiber der Textilagentur "Lebenskleidung" begutachten große Rollen mit gelben, grünen und grauen Woll-Fleece-Stoffen.
Fair und ökologisch: Fleece-Stoff aus regionaler Bio-Schafwolle. | Bild: BR

Doch wäre es insgesamt nicht besser, ganz auf Kleidung aus Kunstfasern zu verzichten? Enrico Rima und Jeanette Jungbluth sind Experten für "Slow Fashion". In ihrer Textilagentur in Berlin-Kreuzberg verkaufen sie das Rohmaterial, mit dem Öko-Fashion-Labels und deren Modedesigner arbeiten: zertifizierte Recyclingstoffe und umweltfreundliche Naturfasern. Ein Hit der aktuellen Kollektion: Ein flauschiger Fleece-Stoff aus regionaler Bio-Schafwolle. Sie stammt von einer Woll-Initiative aus dem Wendland, die für ihre Wolle einen fairen Preis bekommt. Gewebt wurde der Fleece-Stoff in Bayern. Die Fasern haben am Ende eine Strecke von 900 Kilometern zurückgelegt. Extrem wenig – verglichen mit den Textilströmen der Großkonzerne, die ihre Klamotten rund um den Globus schicken.

Innovative Stoffe

Enrico Rima möchte dazu beitragen, dass die textilen Lieferketten nachhaltiger werden und sich die Modeindustrie langfristig umstellt – eine immense Herausforderung. Doch es gibt erste Lösungen: Ein besonders innovatives Material, das auch von großen Modelabels verwendet wird, ist Lyocell. Eine synthetische Zellulose-Faser, die umweltschonend aus Eukalyptus-Holz gewonnen wird. Auch durch besondere Strick- und Webtechniken entstehen aus bekannten Materialien neue Fasern wie etwa ein Fleece-Stoff aus Bio-Baumwolle. Wegen seiner großen Maschen isoliert er gut und ist auch ohne Elastan dehnbar.

Dass auch die großen Marken anfangen, nachhaltige Fasern und Recycling-Stoffe zu verwenden, ist für die Berliner Textilexperten eine gute Entwicklung, die aber noch besser umgesetzt werden muss. Vor allem was Arbeitsbedingungen und fairen Handel angeht. Ihre Stoffe stammen meist von Familienbetrieben in Deutschland und Portugal, die sie regelmäßig besuchen. Auch das schafft Transparenz – auf einem Modemarkt, der anfängt, sich zu verändern.

Autor: Boris Geiger (BR)

Stand: 11.12.2020 16:40 Uhr

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