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Lahar Dompteure

Im Kinohit “Herr der Ringe” dienten sie als Kulisse für das düstere Bergland “Mordor”. Die Vulkane des Tongariro National Parks im Zentrum der Nordinsel Neuseelands gehören zu den aktivsten Vulkanen der südlichen Hemisphäre.

Am 23. September 1995 fliegt der Gipfel des Mount Ruapehu samt Kratersee in die Luft. Ein Amateurvideo zeigt, wie sich nach dem Ausbruch ein “Lahar” den Berg hinunterwälzt. Lahars sind Schlammlawinen, die entstehen, wenn sich das Wasser der Kraterseen mit vulkanischer Asche vermischt.

Lahars sind unberechenbar

Der 2800 Meter hohe Ruapehu ist der aktivste Schlammvulkan der Welt. Seine Lahars können verheerende Folgen haben:

Am 24. Dezember 1953 riss ein Lahar eine Eisenbahnbrücke am Fusse des Berges um und begrub den gerade darüberfahrenden Zug unter sich. 153 Menschen starben bei der grössten Zivilkatastrophe in der Geschichte Neuseelands. Der Lahar von 1953 kam ohne Vorwarnung: Er wurde nicht durch einen Vulkanausbruch ausgelöst, sondern durch einen Dammbruch am Kraterrand. Der Wasserspiegel des Sees war durch Schneeschmelze unbemerkt angestiegen, bis die Wassermassen den Kraterrand an seiner niedrigsten Stelle durchbrachen.

Neues Lahar-Frühwarnsystem

Um für diesen Fall gerüstet zu sein, installierten neuseeländische Wissenschaftler vor zwei Jahren am Kraterrand ein Lahar-Frühwarnsystem. Sie vergruben Schocksensoren im sogenannten "Tephradamm", der aus poröser, aufgeworfener Vulkanasche besteht. Die Position der Schocksensoren ist mit Holzlatten markiert. Sie sollen Erschütterungen und Bewegungen im Erdreich registrieren, die einem Dammbruch vorausgehen.

Harry Keys, ein Geologe des Department of Conservation, der neuseeländischen Naturschutzbehörde, erklärt, wie das Frühwarnsystem funktioniert: "Wir haben zwei Lahar-Warnsysteme auf dem Berg. Außerdem eine ganze Anzahl von Seismographen, die von unseren Geologen überwacht werden. Alle Daten werden in Echtzeit hier in dieser Box aufgezeichnet – ein ziemlich umfassendes System also."

Lahars dringen bis in die Ebenen vor

Das System soll die Bevölkerung am Fuße des Vulkans schützen. Aus der Ferne ist das Bild des Friedens trügerisch, denn Lahars können durch die Flusstäler bis in die Ebenen vordringen. Dann müssen mehrere hundert Farmer evakuiert werden, wie zum Beispiel Hamish und Carla Blackburn.

Ihre Farm liegt jenseits einer kleinen Brücke. Wenn sie vom Lahar zerstört wird, sind die Blackburns von der Außenwelt abgeschnitten. Carla Blackburn beschreibt, wie sie vor einem Lahar gewarnt wird: "Ich werde in der Arbeit angerufen. Mein Mann hat einen Piepser, wenn er auf dem Feld ist. Ich muss dann von meinem Arbeitsplatz über die Brücke zu unserer Farm fahren. Und dann muss ich mit den Kindern wieder zurück, ehe die Brücke weggespült wird."

Feuertaufe für Frühwarnsystem

Frühjahr 2007: Bewährungsprobe für das Frühwarnsystem. Wieder ist der Kratersee durch die Schneeschmelze bis an den Rand angeschwollen und droht zu bersten. Am 18. März, 11 Uhr 24 vormittags passiert es: eine ferngesteuerte Kamera zeichnet den Augenblick des Dammbruches am Kraterrand auf. 1,3 Millionen Kubikmeter Wasser stürzen den Berg hinunter – soviel wie in ein Olympiastadion passt.

Das Wasser vermischt sich mit der Vulkanasche des Kraterrandes und wird zum zähflüssigen Brei, der Felsbrocken und Erdreich mit sich reißt. Obwohl der Lahar sich im Tal nur noch mit 25 Stundenkilometern vorwärts bewegt, ist seine Schubkraft gewaltig. Eine Webcam zeichnet den Ansturm des Lahar auf einen Pfeiler im Fluss auf, der zu einem älteren Warnsystem gehört.

Bevölkerung wird evakuiert

Dank Frühwarnsystem können die Bevölkerung gewarnt, Straßen gesperrt und der Verkehr umgeleitet werden. Die Brücke der Blackburns wird vom Lahar komplett überspült. Die Farmer schaffen es, sich und ihre Kinder rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Auch die Züge werden rechtzeitig gestoppt. Diesmal sind keine Menschenopfer zu beklagen.

Ein Satellitenbild der NASA zeigt, wie weit der Lahar über den Flusslauf in die Ebene vorgedrungen ist. Noch haben die Vulkanologen nicht alle Daten ausgewertet. Für den Vulkanologen Dr. Vern Manville aber ist der Lahar vom März für die Wissenschaft ein voller Erfolg.

Erkenntnisse für die Wissenschaft

Über das Zeitraffer-Video vom Dammbruch hat er die zeitgleichen Ausschläge der Schocksensoren gelegt: Man sieht, wie die Sensoren eine ganze Reihe von Schocks im Kraterdamm melden, ehe der Damm zehn Minuten später bricht. Das Warnsystem funktioniert. Vern Manville resümiert: "Da wir den Lahar vorhersagen konnten, waren wir in der Lage, eine große Menge Daten zu sammeln. Wir haben den Laharfluss an mehreren Stellen gemessen, vom Kratersee bis hinunter zum Meer. Wir konnten die ganze Evolution aufzeichnen, von Anfang bis Ende. Und das wird Einsichten liefern, nicht nur in diesen Lahar, sondern für ähnliche Laharflüsse in anderen Ländern rund um die Welt."

Frühwarnsystem noch nicht ganz ausgereift

Blauer See im Hintergrund der Kraterrand des Vulkan
Die Ruhe trügt | Bild: BR

Am 25. September 2007 hat der Mt. Ruapehu aber noch eine Überraschung parat. Eine Eruption unter dem Kratersee löst nachts einen Lahar aus. Ohne Vorwarnung, denn die Sensoren des Frühwarnsystems waren nur auf einen Dammbruch eingestellt.

Der Mt. Ruapehu bleibt unberechenbar. Aber die Vulkanologen wollen mit einem separaten Frühwarnsystem für Eruptionen auch diese Problematik in den Griff bekommen. Das System soll vulkanische Erdbeben registrieren, die einer Eruption vorausgehen. Ein Ausbruch wie der von 1995 würde sich mit diesem Frühwarnsystem bereits Jahre vorher ankündigen.

Autor: Ulli Weissbach

Stand: 11.05.2012 13:03 Uhr

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