So., 27.04.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Biosprit aus Jatropha
Das Kloster Mbinga liegt tief im Südwesten Tansanias. Ein Leben abseits von Teerstraßen und Stromleitungen. Doch die Nonnen dort wissen sich zu helfen.
Wenn Schwester Fides den Dieselgenerator anwirft heißt das: Hochbetrieb in der Wäscherei. Denn dann ist der Energiebedarf am größten. Immerhin wird hier Kleidung für 250 Menschen gereinigt. Normaler Diesel für den Saft aus der Steckdose ist den Vinzentinerinnen aber viel zu teuer. Deswegen setzen sie ganz auf Biosprit.
Diesel aus Fruchtsamen
Jatropha ist eine Wildpflanze, die problemlos auf kargen Böden wächst und wenig Wasser braucht. Sie gehört zur Familie der Wolfsmilchgewächse, und sie ist nicht essbar – viele Arten sind sogar giftig. Jatropha deckt den Treibstoffbedarf des Klosters. In den Samen der Frucht steckt der begehrte Stoff. Das ausgepresste Öl wird in Eimern gefiltert – und fertig ist das Pflanzenöl. Der ist umweltfreundlicher und billiger als fossiler Treibstoff.
Schwester Zaituni, die Generaloberin ist begeistert: Denn seit der Generator mit Biodiesel läuft, spart das Kloster eine Menge Geld. Und dieses brauchen die Nonnen dringend, um es für ihre eigentlichen Aufgaben zu verwenden beispielsweise für die Krankenpflege und die schulische Ausbildung.
Eine Pflanze mit vielen Einsatzmöglichkeiten
An der Fakultät für Agrarwissenschaften an der Universität Hohenheim züchten Wissenschaftler verschiedene Arten der Jatropha, um deren Potenzial für Biosprit und andere Anwendungen zu erforschen.
Prof. Klaus Becker beschäftigt sich seit 15 Jahren mit der Pflanze. Der Forscher hält das Gewächs für unschlagbar. Er nennt nur einige der vielen Vorteile: Jatropha wächst auf unwirtlichen, kargen Böden und stoppt dort die Bodenerosion. Sie schafft Arbeitsplätze und verringert die Co2-Emission. Außerdem kann man aus den Resten Futtermittel von guter Qualität und Biopestizide herstellen.
Die Energie steckt in der Frucht – genauer in ihrem Samen. Der wird von einer Schale umhüllt, die ebenfalls zur Energiegewinnung verfeuert werden kann. Entfernt man die Schale, bleiben die weißen Kerne mit durchschnittlich 35 Prozent Ölgehalt übrig. Aus dem ausgepressten Öl lässt sich ein exzellenter Biodiesel herstellen.
Verringerung von Schadstoff-Emissionen
Typische Jatropha- Anbaugebiete sind karge Flächen der Tropen und Subtropen, z.B. in Südamerika, Afrika und Südostasien. Auf 500 Millionen Hektar Ödland – so schätzen Experten –, könnte Jatropha angebaut werden, ohne Nahrungspflanzen zu verdrängen oder sie als Spritlieferant zu missbrauchen.
So bescheinigt denn auch das Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (IFEU) der Pflanze großes Potenzial und eine gute Ökobilanz, besonders in Schwellenländern. Dr. Guido Reinhardt vom IFEU erklärt: "Der große Vorteil, Jatropha-Öl bzw. -Biodiesel zum Beispiel in Indien und Entwicklungsländern einzusetzen, ist, dass dort Dieselkraftstoff mit hohem Schwefelanteil ersetzt wird, und man damit eine wesentlich niedrigere Luftverschmutzung erreicht."
Für indische Bauern ein gutes Geschäft
Dass die Jatropha leicht giftig ist, erweist sich als Vorteil. Dadurch schützt sie sich praktisch selbst. Auch Tiere finden keinen Geschmack an ihr. In einer kleinen Plantage, einhundert Kilometer nördlich der indischen Hauptstadt Delhi, wird Jatropha in Handarbeit geerntet. Für die Bauern ist die auch als Purgiernuss bekannte Pflanze ein gutes Geschäft. Früher mussten sie sich mit zwei- bis dreitausend Rupien monatlich zufrieden geben, die sie mit ein bisschen Gemüseanbau verdient haben. Seit sie Jatropha anbauen, verdienen sie 10.000 Rupien im Monat. Und sie haben mit der anspruchslosen Jatropha viel weniger Ärger: Denn sie braucht kaum Pflege und liefert trotzdem gute Ernten.
Konzerne wittern das große Geschäft
Doch der neue Biosprit hat auch seine Schattenseiten. Aus Afrika kommen erste Berichte über Enteignungen, weil Energie-Konzerne für große Jatropha-Plantagen an das Land vieler Kleinbauern wollen. Manche Regierungen erliegen den finanziellen Verlockungen, die der Biosprit-Boom mit sich bringt. Aber das ist möglicherweise nicht der einzige Pferdefuß am grünen Diesel.
Profitstreben birgt Gefahr von Rodungen
Dr. Guido Reinhardt sieht die größte ökologische Gefahr darin, dass Jatropha in Zukunft eben nicht nur auf kargen Böden angebaut wird, sondern dass womöglich Waldflächen gerodet werden, um Platz für den Biosprit-Lieferanten zu machen. Oder dass doch Anbauflächen von Nahrungsmitteln für Jatropha-Plantagen requiriert werden.
Der Erfolg der Jatropha hängt also entscheidend davon ab, ob es gelingt, ihren Anbau tatsächlich nur auf Ödland zu begrenzen. Und davon, wie sich der Ertrag durch Züchtung noch steigern lässt.
Aber gerade in dieser Beziehung ist Prof. Becker sehr zuversichtlich. Da sei noch viel Luft nach oben, schwärmt der Wissenschaftler, denn bisher sei ja noch gar nicht gezüchtet worden. Wenn man erst einmal die Genotypen gefunden habe, die in den unterschiedlichen Klimazonen am besten gedeihen, werde der Ertrag signifikant steigen, prophezeit Becker.
Ein wenig Luxus für die Nonnen
Für die Vinzentinerinnen im Kloster Mbinga hat sich der Umstieg auf Jatropha-Öl in jedem Fall gelohnt. Im Klostergarten probt der gemischte Chor – die Elektroorgel hat Saft. Die Anlage der "Öko-Nonnen", gebaut von deutschen Firmen, gilt als vorbildlich. Das Kloster bläst viel weniger Dreck in die Luft als früher. Und den Nonnen wird ihr karges Leben auch ein wenig erhellt: Die Abend-Andacht muss nicht mehr bei Kerzenlicht stattfinden.
Autor: Harald Brenner
Adressen & Links
Prof. Dr. Klaus Becker
Multifunctional plants - Food, Feed, Industrial Products (Leitung)
Universität Hohenheim
70593 Stuttgart
Tel.: 0711 459-23158
Fax: 0711 459-23702
Email: kbecker@uni-hohenheim.de
Internet: http://www.uni-hohenheim.de
Literatur
Stand: 06.11.2012 11:56 Uhr