So., 06.01.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Das tierische Fortpflanzungsgeschäft
Das kleine Wesen schaut mit seinen großen Augen neugierig in die Kamera. Die Ohren sind gespitzt. Aufgeregt läuft es hin und her. Mit seinen knapp vierzig Zentimetern Körpergröße ist Vorsicht angebracht. Es ist ein Fingertierweibchen.
Ihr Name ist Kintana. Im Gehege ist es dunkel, denn Fingertiere sind nachtaktiv. Der Zoo von Bristol hat alles so eingerichtet, dass sich das seltene Tier wohl fühlt - soweit das in Gefangenschaft überhaupt geht. Frei lebend trifft man Fingertiere nur in Madagaskar an.
Der ursprüngliche Lebensraum ist bedroht
Doch das Leben dort ist gefährlich für die Halbaffen. Ihr Lebensraum, der Regenwald wird nach und nach zerstört, und sie werden gejagt. So ist das Leben im Zoo zwar eng, aber wenigstens nicht bedrohlich. Doch Kintana ist nicht glücklich. Gerade geschlechtsreif geworden sehnt sie sich nach einem Männchen.
In Frankfurt fehlt die Fingtier-Frau
900 Kilometer weiter östlich. Im Zoo Frankfurt. Der Fingertier-Mann Malalla hat ebenfalls den Blues. Das Junggesellenleben als kleinster Star des Frankfurter Zoos ist zwar ganz lustig. Doch auf Dauer fehlt die Frau. Was Malalla nicht weiß: Seine Pflegerinnen sind auf Brautschau in Bristol, England. Seit einer Woche machen sie sich mit Kintana vertraut. Schließlich soll Kintana nach Frankfurt kommen und da ist es wichtig, dass die Tierpflegerinnen genau wissen, wie sie sich verhält und was ihre Besonderheiten sind.
Das Weibchen aus Bristol geht auf Reisen
Zwei Tage später verlässt Kintana in einer Holzkiste den Bristolner Zoo. Der Transport Kintanas ist einer von vielen zwischen den Zoos Europas. Es geht darum Männchen und Weibchen zusammen zu bringen, damit sie sich paaren. Das Europäische Erhaltungszuchtprogramm, kurz EEP regelt das Ganze. Etwa 150 Arten werden so gezüchtet. Alle paar Tage reist in Europa ein Elefant, Tiger oder Tasmanischer Teufel von A nach B. Immer die Hoffnung im Gepäck, dass am anderen Ende das familiäre Glück lauert. Was Kintana angeht, so ist der Ausgang tatsächlich ungewiss. Denn oft scheitern die Zuchtversuche der Zoos, weil sich die Partner in spe nicht verstehen.
Einzelgänger zusammenbringen
Dieses Risiko wollen die Frankfurter Zoologen nicht eingehen. Deshalb lassen sie sich Zeit mit dem ersten Kontakt zwischen Kintana und Malalla. Acht Monate nach Ankunft in Frankfurt wartet das Fingertierweibchen immer noch auf das versprochene Treffen mit dem Fingertiermännchen. Sie hat sich zwar schon gut eingelebt im Frankfurter Zoo, aber noch ist sie nicht geschlechtsreif. Darauf will die Chefpflegerin Astrid Parys aber warten. Denn Fingertiere leben in der freien Natur auch als Einzelgänger. Nur wenn sie sich paaren, kommen sie zusammen. Momentan können sich die beiden Halbaffen durch eine Sichtfenster sehen und riechen.
Erster Kontakt
Mallala, das Männchen markiert auch schon freudig seine Seite. Kintana scheint das auf jeden Fall interessant zu finden. Immerhin ein gutes Zeichen. Ein Blick in die Zuchterfolge anderer Zoos zeigt wie schwierig es wird und die Biologin Christina Schubert spricht sogar von einer Sensation, wenn die Nachzucht gelänge. Denn bisher sei es nur einmal gelungen, dass Fingertiere, die selbst im Zoo geboren wurden, erfolgreich Nachwuchs gezeugt hätten. Das Fingertiermännchen Malalla und das Weibchen Kintana haben es also nicht leicht. Schließlich haben sie nie die freie Wildbahn und andere Artgenossen kennen gelernt. Sie sind also allein auf ihre Instinkte angewiesen.
Die Erhaltungszuchtprogramme der Zoos sind sicher ein teurer und aufwendiger Weg, Arten vor dem Aussterben zu bewahren. Doch so lange die Lebensräume vieler Arten zerstört werden, ist jede pragmatische Lösung erstmal hilfreich.
Autor: Hilmar Liebsch
Stand: 11.05.2012 13:05 Uhr