So., 02.03.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Ökoarchitektur
Sie ist ein heimlicher Star. Sie ist ständig präsent im Fernsehen, und zudem besuchen rund drei Millionen Menschen sie jedes Jahr: die gläserne Kuppel des umgebauten Reichstagsgebäudes.
Doch was viele nicht wissen: Die Kuppel ist nicht nur schick, sondern erfüllt auch einen umweltfreundlichen Zweck.
Bauen für’s Klima
An dem Konus in der Mitte der Reichstagskuppel sind die zahlreichen Spiegel so angebracht, dass sie das natürliche Licht über Berlin einfangen und durch eine Glassscheibe in den Plenarsaal hinunter spiegeln. Das bedeutet, es wird viel weniger künstliches Licht und damit Energie gebraucht als mit herkömmlicher Bau- und Lichttechnik.
Clevere Luftzirkulation
Doch das Reichstagsgebäude hat noch mehr zu bieten. Luft von außen wird angesaugt und dringt langsam durch den Boden in den Plenarsaal: Durch die Erwärmung steigt die Luft nach oben und entweicht durch den Konus in der Mitte in das Dach der Kuppel.
Von dort aus entweicht diese angewärmte Luft durch das immer geöffnete Kuppeldach nach draußen. Nur an warmen Tagen und wenn der Plenarsaal voll ist, müssen Ventilatoren der natürlichen Luftzirkulation nachhelfen.
Wieder ein Energiesparvorteil gegenüber einer üblicherweise eingebauten Klimaanlage. Und allein mit der Heizkraft aus Biodiesel sollen 94% Kohlendioxid zum Vorgängermodell eingespart werden.
Energiesparende Gebäude
Einer der Architekten, die am Umbau des Reichstags mitgearbeitet haben, ist Stefan Behling. Er ist Professor in Stuttgart und Architekt bei Foster and Partners in London. Sein Ziel sind Gebäude, die nicht nur gut aussehen, sondern die Bedürfnisse der Menschen berücksichtigen und dabei noch möglichst wenig Energie verbrauchen.
Eine Hülle ähnlich der Erdatmosphäre
Eine perfekte Hülle, so Stefan Behling, sei zum Beispiel die Erdatmosphäre. Sie ist nur hauchdünn und schützt die Erde doch vor immensen Temperaturunterschieden von mehreren 100° Grad Celsius zwischen der sonnenzugewandten und der sonnenabgewandten Seite.
Trotzdem bleibt das Klima auf der Erde für Lebewesen stabil. Eine an die Außenbedingungen anpassungsfähige Hülle wollten Stefan Behling und seine Kolleginnen und Kollegen konstruieren, als sie die philologische Bibliothek der Freien Universität in Berlin bauten.
Die Hülle ist doppelschichtig: Die äußere besteht aus Aluminium- und Glaspaneelen, durch die das Licht ins Innere fällt. Die innere Hülle besteht aus dünnem Glasfaserstoff. Der streut das Licht so, dass niemand geblendet wird, aber jeder Arbeitsplatz natürliches Licht erhält. Außerdem sind beide Hüllschichten mit Klappen versehen, die sich je nach Wetterlage und Temperatur automatisch öffnen und schließen. Im Winter zum Beispiel bleiben vor allem viele Klappen in der äußeren Hülle verschlossen. So entsteht im Hüllzwischenraum eine warme Pufferzone, die gegen die Kälte außen schützt und so Heizkosten spart.
Das energieproduzierende Haus
Am besten wäre es, wenn ein Haus nicht nur wenig Energie verbrauchen, sondern sogar Energie produzieren würde. Die Stuttgarter Arbeitsgruppe entwickelt dazu Systeme, um natürliche Energiespender wie Wind und Sonne zu nutzen. Ein Beispiel sind Solar-Kollektorröhren, die bis jetzt nur auf Dächern angebracht wurden.
Solar-Röhren
Doch bei einem Hochhaus reicht die Fläche auf dem Dach nicht aus, um genug Kollektoren anzubringen und damit den Energieverbrauch zu decken. Deswegen haben die Stuttgarter Konstruktionen entwickelt, um die Röhren in die Fassaden der Hochhäuser zu integrieren.
Nach verschiedenen Bruchtests, in denen die Haltbarkeit der Röhren unter Beweis gestellt werden musste, werden solche Systeme jetzt vom Londoner Architekturbüro übernommen und in die nächsten Häuserprojekte in Abu Dhabi eingebaut. Ausgerechnet dort, wo mit Öl noch viel Geld verdient wird, machen sich die Bauherren schon heute Gedanken über die Zeit nach Öl und importieren dafür das vorhandene Know-How aus Deutschland.
Eine ganzheitliche Vision
Von den großen Städten wie zum Beispiel Tokio oder Peking haben Architekten gelernt, dass Stadtplanerinnen und Stadtplaner die Städte wieder als Ganzes planen und die Menschen dicht beieinander wohnen lassen müssen. Seien die Wege kurz, dann entstünde gar nicht erst das Bedürfnis viel Zeit und Energie mit dem Auto zu verschwenden", so Behling.
Ein solches Projekt hat er mit seinen Kolleginnen und Kollegen gerade in Angriff genommen. Im Auftrag der Libyschen Regierung planen sie gerade eine 5000 Quadratkilometer große Region aus einer Hand. Dabei sollen nur erneuerbare Energien verwendet werden. Außerdem soll berechnet werden, wie die Lebensmittel am energetisch günstigsten hin und der Müll abtransportiert wird.
So soll die bis jetzt unberührte Natur möglichst lange unberührt erhalten bleiben. Doch auch weltweit gedacht, gibt es nach einer neueren Untersuchung Möglichkeiten: Mit der bereits heute vorhandenen Gebäudetechnik könnte man bei Gebäuden und Häusern bis 2020 rund dreißig Prozent Kohlendioxid einsparen.
Autorin: Tanja Winkler
Stand: 05.08.2015 10:56 Uhr