So., 22.06.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Rohstoffquelle Müll
Was nicht mehr hip ist, wird schnell entsorgt. Was kaputt geht, nicht mehr repariert. Die Lebenszyklen von Computern, Fernsehern oder Handys werden immer kürzer.
Seit 2006 muss Elektroschrott bei speziellen Sammelstellen abgegeben werden. Das funktioniert auch immer besser. Trotzdem kommt insgesamt nur die Hälfte dort an. Pure Verschwendung. Denn im Geräte-Abfall verbergen sich echte Schätze.
Elektronikschätze voller Gold und Silber
Ein Recyclinghof in Goslar. Auf den ersten Blick ein ganz normaler Schrottplatz. Doch Kai Kramer von der Firma Electrocycling packt bei jeder neuen Fracht mit IT- und Bildschirmmüll der Schürfrausch. Vor allem in den hochwertigen Leiterplatten steckt jede Menge wertvoller Rohstoffe. Besonders begehrt: Kupfer, Gold und Silber, die wegen ihrer Leitfähigkeit in der Elektrotechnik eingesetzt werden.
Das Recycling dieser Rohstoffe ist inzwischen ein Milliardengeschäft. Der Grund liegt in dem ungebremsten Rohstoffhunger Chinas, der weltweit zu einer Rohstoffknappheit geführt hat.
In Goslar werden die Kunststoffgehäuse der Geräte entfernt und die schadstoffhaltigen Teile ausgebaut. Der Rest kommt in einen High-Tech-Shredder, der alles in kleine Stücke zermalmt. Das, was sortenrein getrennt wird, bringt Geld. Kein Abfall soll übrig bleiben.
Magnet angelt nach Eisen
Ein starker Magnet fischt die Eisenteile heraus. Dann separiert eine Maschine das leichte Aluminium von Schwermetallen wie Kupfer. Aluminium und Eisen werden direkt zum Einschmelzen verkauft. Fast ohne Qualitätsverlust entstehen daraus neue Produkte. Die kostbarste Ausbeute ist aber das Kupfergemisch, das auch die begehrten Edelmetalle Gold und Silber enthält. Die wertvolle Ladung wird zum Kupferrecycler nach Hamburg geschickt.
Recycling verhindert weiteren Tagebau
Gebrauchtmetalle umweltfreundlich und wirtschaftlich lohnend wieder auf den Markt zu bringen, das erforscht Martin Faulstich an der Technischen Universität München.
Er wirbt für die Erhöhung der Recyclingquoten. Schon allein damit wird Deutschland unabhängiger von Importen. "In Deutschland und Europa sind die Kupfervorräte schon erschöpft. Und weltweit geht das natürliche Kupfer in der Erdkruste in den nächsten 30-40 Jahren auch zur Neige", meint Martin Faulstich. Sein Fazit: "Unser Abfall ist unsere neue europäische Kupfermine."
Der Abbau von Kupfererz ist aufwändig und führt zu einem gigantischen Landschaftsverbrauch. Im weltweit größten Erzvorkommen in Chile fliegen täglich bis zu 600.000 Tonnen Gestein in die Luft. Für eine Tonne Kupfer braucht man 500 Tonnen Geröll - aber nur fünf Tonnen hochwertige Recycling-Leiterplatten. Dabei entfällt auch der Transport um den halben Erdball.
Weltweit größte Kupferrecycling-Anlage in Hamburg
Beim größten Kupferrecycler der Welt, der Norddeutschen Affinerie in Hamburg, landet Elektroschrott aus ganz Europa in einem riesigen Schmelzofen. Allein in Deutschland werden jährlich über 750.000 Tonnen Elektro- und Elektronikgeräte gesammelt.
Das darin enthaltende Kupfer läuft nun als 1300 Grad heiße, brodelnde Flüssigkeit durch die Anlage der Affinerie. In einem komplizierten Prozess wird das Schwermetall dabei von Fremdstoffen gereinigt.
Aus der glühenden Metallsuppe gießen die Arbeiter große Platten, die sie dann in ein Elektrolyse-Bad hängen und veredeln. Am Schluss entsteht aus dem Recyclingmaterial zu 99,99 Prozent reines Kupfer. Hochwertiger Rohstoff - aus Müll.
Zurück bleibt ein schlammiger Bodensatz. Und der hat es in sich, besteht er doch aus Gold und Silber. Die heiß begehrten Edelmetalle werden zu funkelnden Barren gegossen.
Die eindrucksvolle Bilanz: Aus einer Tonne Leiterplatten gewinnt die Affinerie bis zu 200 Kilo Kupfer, ein Kilo Silber und 250 Gramm Gold.
Recycling schützt Umwelt
Auch der ökologische Nutzen ist gewaltig. Beim Recyceln von Kupfer wird, so der Rohstoffexperte Martin Faulstich, nur ein Fünftel der Energie benötigt, die bei der Herstellung aus Erzen erforderlich ist. Und verheerende Umweltschäden können reduziert werden, denn in Gold- und Kupferminen entstehen durch den hohen Chemikalieneinsatz riesige Mengen an Giftmüll, die Grundwasser und Luft verseuchen.
Für Kai Kramer ist der Handel mit recycelten Rohstoffen ein Geschäft mit Zukunft und für die Wirtschaft bedeutet es Unabhängigkeit von knappen und teuren Importen. Immerhin stammt bereits ein Viertel von dem heute verarbeiteten Kupfer, Gold oder Silber aus recyceltem Material.
Autorin: Angela Scheele
Adressen & Links
Prof. Martin Faulstich
Technische Universität München
Lehrstuhl für Rohstoff- und Energietechnologie
Petergasse 18
94315 Straubing
Tel. 0 94 21 - 187 - 101
Internet: http://www.rohstofftechnologie.de
Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V.
Hohe Straße 73
53119 Bonn
Tel 02 28 - 9 88 49-0
E-Mail: info@bvse.de
Internet: http://www.bvse.de
Literatur
Die gesamtwirtschaftliche Bedeutung von Sekundärrohstoffen in:
IW-Trend-Vierteljahresschrift zur empirischen Wirtschaftsforschung
aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln,
33 Jahrgang, Heft 3/2006
Stand: 11.05.2012 13:02 Uhr