So., 18.05.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Rückkehr der Raubtiere
Er ist einer großen Wildtiere, die nach Deutschland zurückgekehrt sind: der Luchs. Jeden Monat machen sich der Wildtier-Biologe Marco Heurich und sein Team auf, im Nationalpark Bayerischer Wald diesem Raubtier nachzustellen.
Die Raubkatze, die etwas so groß ist wie ein Schäferhund, durchstreift erst seit Mitte der 80er Jahre wieder den Bayerischen Wald und den angrenzenden Böhmerwald. Nachdem 1846 der letzte Luchs in Bayern erlegt wurde, versuchen Wissenschaftler heute das Tier wieder heimisch zu machen.
Wissenschaft tappt im Dunklen
Das Projekt startete mit 17 Luchsen aus den Karpaten. Doch noch immer ist nicht sicher, ob die Luchse hier dauerhaft überleben. Den Wissenschaftlern ist noch unbekannt, welches Lebensumfeld die Tiere brauchen, welche Gewohnheiten sie haben und wie sie selbst ihre Lebensumgebung verändern. Um sie zu schützen und um ihnen einen guten Lebensraum zu bieten, ist dieses Wissen aber notwendig.
Tier-Sender mit GPS
Die Wildtierbiologen vom Nationalpark haben während ihres Projekts immer wieder Tiere gefangen und mit Sendern versehen. Die neueste Generation dieser Sender basiert auf einer neuartigen Technik, die von Wissenschaftlern der Ludwig- Maximilian- Universität München entwickelt wurde. Ein GPS-Empfänger ermittelt die genaue Position des Luchses und überträgt diese Daten über Mobilfunk zu den Wissenschaftlern des Luchs-Projektes.
Einmal im Monat werden die Luchse über drei Tage lang rund um die Uhr verfolgt: "Mit der herkömmlichen Peilung, die nur einmal am Tag gemessen wird, wissen wir nur relativ grob, wo sich das Tier aufhält“, erklärt Marco Heurich, „Darüber können wir Rückschlüsse ziehen über das jährliche Streifgebiet, das bei den Luchsen 300 Quadratkilometer beträgt, zum Teil – bei den Männchen – auch noch darüber hinaus. Aber mit diesen zeitlich hoch aufgelösten Daten der Intensivpeilung, bei der wir alle Viertelstunde eine Information kriegen, wo sich das Tier aufhält und was es macht, können wir natürlich ganz andere Analysen betreiben."
Fehlende Akzeptanz
Aber das Tier in der Weite des Nationalparks Bayerischer Wald zu verfolgen und zu beobachten, ohne es zu stören, ist nicht einfach. Der Bayerische Wald und der angrenzende Böhmerwald bilden eines der größten Waldgebiete in Mitteleuropa. Scheinbar gute Bedingungen für die Luchse. Trotzdem ist ihr Bestand gefährdet. Noch immer lauern zu viele Hindernisse und Gefahren, weiß Marco Heurich: "Der Bestand ging in den letzten Jahren zurück. Ohnehin hat der Luchs eine sehr hohe natürliche Sterblichkeit. Dazu kommen dann aber auch noch Verluste durch den Menschen – beispielsweise durch die verkehrstechnische Erschließung, dass Luchse von Autos überfahren werden. Und auch Akzeptanzprobleme, weil Luchse Rehe und Haustiere reißen. Das hat schon, insbesondere in Tschechien, zur Wilderei geführt."
Heurich braucht überzeugende Argumente, um bei Bauern, Forstbetrieben und Jägern die Vorurteile gegenüber der Wildkatze abzubauen. Zum Beispiel die Behauptung von Jägern, dass die Raubkatze das Wild scheu mache.
Vergleich mit Rotwild-Senderdaten
Heurich nutzt deshalb die Bewegungsdaten der Luchse und kombiniert sie mit anderen Daten. Die Wildtierbiologen haben auch Rehe und Hirsche mit Sendern versehen.
In Kombination mit den Luchsdaten zeigen ihre Positionen, ob sie auf den Luchs reagieren, ob sie vor ihm flüchten, sich verbergen oder ob sie ihn gar nicht registrieren.
Nächtlicher Riss
Eine Luchsdame wird per Intensivpeilung verfolgt. Sie bewegt sich nur wenig. Ein Hinweis darauf, dass sie in der vergangenen Nacht Beute geschlagen hat und sich jetzt in deren Nähe aufhält. Marco Heurich holt Verstärkung, um den Riss zu finden und weitere Daten zu sammeln. Nach einer Stunde im Gelände entdecken die Biologen ein totes Reh. Die Spuren am Tier sind eindeutig. Ein Kehlenbiss und erste Fraßspuren an der Hinterkeule.
Überraschung in der Luchs-Falle
Sie installieren eine Fotofalle. Luchse fressen oft tagelang an einem Riss und kehren immer wieder zur Beute zurück. Und tatsächlich: In der Nacht geht eine Raubkatze in die Falle. Aber es ist nicht die gesuchte Luchsin, sondern ein junges Männchen. Marco Heurich ist freudig überrascht. Denn jeder gesichtete Nachwuchs ist neue Hoffnung für die Biologen.
Auf ihrer Spurensuche gehen sie deshalb auch kleinsten Hinweisen nach. Haare aus Haarfallen können nach DNA-Analysen ebenfalls klären, ob sich alte Bekannte oder Zuwachs herumtreibt. Manchmal stoßen die Forscher aber auch auf ganz andere Spuren.
Zufallsfunde
Immer wieder tauchen Wölfe im Nationalpark auf. Sie stammen aus der Slowakei oder aus einem Rudel das in Sachsen heimisch ist. Doch bis heute gibt es keinen Wolf, der dauerhaft im Gebiet ist. Vor vier Jahren hatte es einer versucht. Aber nachdem er auf einem Bauernhof ein Huhn gerissen hatte, wurde er erlegt. Raubtiere haben es nicht leicht in unserer Zeit.
Autor: Herbert Hackl
Stand: 11.05.2012 13:06 Uhr