So., 17.02.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Schmerz
James Bond ist ein richtiger Held. Einer, der trotz Schmerzen nicht so schnell aufgibt. Er behält in brenzligen Situation die Nerven.
Gibt’s solche Helden nur im Film oder können bestimmte Menschen wirklich mehr Schmerzen ertragen als andere? Und wenn ja, warum? Diese Fragen versuchen Forscher am Collegium Helveticum in Zürich zu beantworten.
Ein Held kennt keinen Schmerz
"Dieser James Bond beispielsweise rettet ja zum Schluss immer eine Prinzessin, die er dann auch bekommt oder rettet das Königreich. Das ist das hehre Ziel, wie wir sie mit ganz starken Emotionen verbinden", sagt der Leiter des Collegium Helveticum, Prof. Gerd Folkers. Die Forscher glauben: Emotionen sind der Schlüssel. Wer sich als Held fühlt, wird wirklich tapferer sein und mehr Schmerzen aushalten. Diese These wollen sie in einem Experiment überprüfen. Dafür suchen sie ein passendes Rollenspiel mit richtigen Helden.
Erster Teil des Experiments
Ohne emotionales Rollenspiel. Hier soll die Versuchsperson zunächst ihre normale Schmerztoleranz zeigen. Dazu wird am Arm eine Heizplatte angelegt. Deren Metallboden verursacht schon bei relativ niedrigen Temperaturen heftige Schmerzen auf der Haut. Die Temperaturmessung beginnt bei 35 Grad. Bei 48 Grad reicht es. Der Schmerz ist zu stark.
Zweiter Teil des Experiments
Die Person muss sich in die Rolle des Helden versetzen. Seine Aufgabe ist es nun, sich durch ein Labyrinth kämpfen, um eine Prinzessin zu retten. Dafür wird er emotional so richtig aufgeputscht. Nach knapp 15 Minuten Rollenspiel kommt das Ergebnis: In der Heldenrolle erträgt die Versuchsperson drei Grad mehr.
Dem Schmerz einen Sinn geben
Für Amrei Wittwer, Pharmazeutin und Co-Autorin der Studie, steht fest: "Es kann jede Person, wenn sie sich in die Rolle eines Helden hineinversetzt, einen starken Charakter spielt und dem Schmerz einen Sinn geben kann, obwohl der unerträglich ist, Dann hält diese Person mehr Schmerzen aus und empfindet diese Schmerzen auch als weniger unangenehm."
Emotionen beeinflussen also die körpereigene Schmerzbekämpfung, vermuten die Forscher. Bei Verletzungen geht ein Signal über die Nervenbahnen und das Rückenmark ins Gehirn. Dort wird dann das Schmerzgefühl ausgelöst.
Als Reaktion erzeugt das Gehirn starke Schmerzmittel: so genannte Opioide. Sie lindern den Schmerz. Positive Emotionen wie Heldenrollen scheinen dabei zu bewirken, dass mehr von diesen Opioiden ausgeschüttet werden. Der Schmerz lässt nach.
Gleiches Experiment bei Frauen
Die Schweizer machen den gleichen Versuch mit Frauen. Denn sie halten allgemein weniger Schmerzen aus als Männer. Was bewirkt die Heldenrolle bei Ihnen? Das Ergebnis: Auch Frauen ertragen in der Heldenrolle mehr Schmerzen. Allerdings auf etwas niedrigerem Niveau.
"Das bedeutet, dass wir dem Arzt ,der Ärztin ein Werkzeug in die Hand gegeben haben, das sie zusätzlich einsetzen kann, weil es nun quantitativ nachgewiesen ist, dass eine emotionale Therapie des Schmerzes in Anführungsstrichen sehr weit helfen kann, wenn eine medikamentöse Therapie ergänzt werden muss", unterstreicht Prof. Folkers. In einer neuen Studie wollen die Forscher zur Zeit wissen: Sind Menschen, die mehr Schmerzen aushalten, auch risikobereiter?
Autor: Mike Kortsch
Adressen & Links
Collegium Helveticum
Ansprechpartner:
Amrei Wittwer, Elvan Kut, Prof. Gerd Folkers
Schmelzberg 25
8092 Zürich (Schweiz)
Tel.: 0041 44 632 6906
Fax: 0041 44 632 1204
E-Mail: wittwer@collegium.ethz.ch, kut@collegium.ethz.ch
Internet: http://www.collegium.ethz.ch/
Literatur
Weil ich mit Schmerzen leben muss
Interviews mit Schmerzpatienten. Therapiewege bei chronischen Beschwerden.
Autor: Hartmut Göbel
Verlag: Südwest-Verlag
ISBN-Nr. 3517082457
Wenn der Schmerz nicht aufhört
Autoren: Robert Reining, Anita Schweiger
Verlag: dtv
ISBN-Nr. 3423244216
Stand: 25.07.2013 11:06 Uhr