SENDETERMIN So., 20.07.08 | 17:03 Uhr | Das Erste

Schwimmrekorde durch Hightech

Haie gehören zu den besten Schwimmern der Erde. Millionen Jahre Evolution haben ihre Körper so geformt, dass sie nahezu mühelos durchs Wasser gleiten.

Beinahe mühelos durchs Wasser gleiten – genau das können jetzt auch Wettkampfschwimmer dank eines revolutionären neuen Schwimmanzuges, dem LZRacer (sprich Lazer Racer).

Ein Rekord jagt den anderen

Seit der Schwimmanzug auf dem Markt ist, wird ein Weltrekord nach dem anderen gebrochen.

Bei den diesjährigen Europameisterschaften in Eindhoven gewann der Franzose Alain Bernard mit dem Hightech-Anzug die 50 Meter Freistil in 21,50 Sekunden und die 100 Meter Freistil in 47,50 Sekunden. Er stellte in beiden Disziplinen einen neuen Weltrekord auf. Nur fünf Tage später unterbot der Australier Eamon Sullivan in Sydney den Weltrekord in 50 Meter Freistil um 0,22 Sekunden.

Eine zweite Schwimmhaut

Entwickelt wurde der neue hydrodynamische Schwimmanzug auf der Südinsel Neuseelands an der University of Otago in Dunedin. Dort gibt es einen "Flume", einen Wasserkanal, in dem der Strömungswiderstand von Körpern gemessen werden kann.

Der Student Bryn Murphy schwimmt für das neuseeländische Nationalteam. Er verdient sich als Testschwimmer im Flume nebenbei etwas Geld. Das Anziehen des Schwimmanzuges ist umständlich – fast so als würde man eine zweite Haut überstreifen. "Also, bei einem brandneuen LZR Racer braucht man bis zu 25 Minuten", sagt Bryn, "Ich hab jetzt schon etwas Übung und schaffe es in fünf bis zehn Minuten."

Am Anfang stand die Haihaut

Der amerikanische Biomechanik-Experte David leitet die Tests. David Pease hat schon in den 90er Jahren in den USA an der ersten Generation optimierter Schwimmanzüge gearbeitet. Damals ging es noch darum, die schuppenartige Struktur der Haihaut in der Faserstruktur des Anzuges zu imitieren, um die gewünschte Wasserschlüpfrigkeit zu erzielen.

Flume – ein Laufband fürs Schwimmen

Im Prinzip funktioniert ein Flume wie ein Laufband im Fitness-Center: Die Testperson schwimmt in gleichbleibender Position gegen einen regulierbaren Wasserstrom an. Der 25 Meter lange Flume in Dunedin ist der einzige auf der südlichen Hemisphäre. 190.000 Liter Wasser strömen mit bis zu vier Metern pro Sekunde durch den geschlossenen Wasserkreislauf, angetrieben von drei Turbinen. Eine ganz schöne Wucht, die einem Schwimmer entgegen kommt, wie David Pease beschreibt: "Wenn wir auf Weltrekord-Geschwindigkeit gehen, sagen wir mal für die 50 Meter, das sind dann 2,3 Meter die Sekunde. Das fühlt sich dann so an als würde man bei 150 Stundenkilometern auf der Autobahn die Hand aus dem Fenster halten."

Testphasen

Das perfekte Zusammenspiel von Körper und Anzug wird in zwei Testphasen erprobt:
Im ersten Durchlauf hängt der Schwimmer an einer Stange, die seine Position konstant hält. So kann bei unterschiedlicher Strömungsgeschwindigkeit der Wasserwiderstand des Körpers gemessen werden.

Mithilfe einer Software zur Strömungssimulation wird die Schlüpfrigkeit des Anzugs optimiert: Diese Technologie wurde bisher nur der Formel 1 und im Bootsbau eingesetzt.

In einer zweiten Testphase werden physiologische Faktoren gemessen.
Zum Beispiel wie viel Sauerstoff der Schwimmer im jeweiligen Anzug verbraucht. Dabei hängt der Schwimmer nicht mehr an der Stange, sondern schwimmt frei gegen die Strömung an.

Passgenauer Schnitt

Für jeden Schwimmer wird ein eigener passgenauer Anzug hergestellt. Die Körpermaße misst ein so genannter "Body Scanner". Hergestellt werden die Anzüge dann in einer Firma in Portugal. Der ultraleichte Stoff des Anzuges wurde von der NASA entwickelt und besteht aus Nylon und Polyurethan. Die Nähte sind per Ultraschall verschweißt, um die Oberfläche extrem reibungsarm zu machen.

Schwimmkorsett

Durch seine spezielle Materialstruktur drückt der Hightech-Anzug der zweiten Generation den Körper wie ein Korsett in Form und gibt ihm eine stromlinienförmige Kontur, während die erste Generation noch um die Haut schlackerte. David Pease erklärt: "Die Hüfte ist mit einer extra Materialschicht verstärkt, die diesen Bereich wie ein Korsett zusammendrückt. Der Anzug sitzt wie ein Ring um die Hüfte und hält sie in Form, fast wie ein Reifen um ein Fass. Dadurch bleibt die Körperposition im Wasser stabil, der ganze Körper wird zusammengepresst und die Erhebungen abgeglättet."

Diese zweite Generation von Ganzkörperanzügen verringert den Wasserwiderstand des Schwimmers um weitere fünf Prozent im Vergleich zum Vorgängermodell.

"Man fühlt sich wie eine Rakete unter Wasser", sagt Bryn, "besonders bei den Wenden und beim Start, stromlinienförmig und schnell, wie ein Fisch im Wasser." David Pease bremst jedoch voreilige Hoffnungen: "Für Athleten ist der Anzug fantastisch, aber er macht aus einem Hobbyschwimmer noch keinen Weltmeister."

Kampf der Ausrüster bei Olympia?

Bei den olympischen Spielen in Peking werden mehrere Teams mit dem Hightech-Anzug auf Medaillenjagd gehen. Nur das deutsche Olympiateam hat das Nachsehen. Der DSV hat einen Sponsorenvertrag mit einem anderen Sportartikelhersteller. Aber vielleicht können sich die Schwimmer einfach bei einem Unterwasserlehrgang vom natürlichen Vorbild Hai inspirieren lassen.

Autoren: Sarah Spitzner, Ulli Weissbach

Adressen & Links

David Pease

Biomechniker

School of Physical Education
University of Otago
P.O. Box 56
Dunedin 9054
New Zealand

E-mail: david.pease@otago.ac.nz
Internet: http://physed.otago.ac.nz

Stand: 11.05.2012 13:03 Uhr

Sendetermin

So., 20.07.08 | 17:03 Uhr
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