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Sondengänger – Hilfe oder Fluch für die Archäologie?

Seine Sondengängerkarriere begann Boris Ahlers illegal. An Wochenenden zog er mit Metalldetektor und Spaten los. Ziel war das Rheinland, an Orte, die in der Antike von Römern besiedelt waren.

Boris Ahlers ist ein Unternehmer aus Hamm in Westfalen. In seiner Kindheit interessierte er sich für Geschichte, denn auf dem Feld hinterm Haus fand er beim Spielen immer wieder rätselhafte alte Dinge: Scherben, Murmeln, Metallstücke.

Sein Großvater erzählte ihm, dass die Fundstücke aus längst vergangenen Zeiten stammten: aus Dörfern, die an Orten standen, an denen sich heutzutage nur noch Felder befinden.

Mit Metalldetektor ins Rheinland

Diese Suche nach Spuren aus der Vergangenheit ließ Boris Ahlers nicht los: Als Erwachsener kaufte er sich einen Metalldetektor und ging mit Bekannten auf Spurensuche. Sie fuhren an alte Römersiedlungen im Rheinland, um dort nach Münzen, Fibeln oder Beschlägen zu graben. Alles Dinge, die mit einem Detektor erkannt werden können.

Die Sammlung in seinen Vitrinen wuchs. Doch ebenso wuchs sein schlechtes Gewissen: Ist es rechten, antike Fundstücke aus dem Boden zu holen und weder der Grundbesitzer weiß etwas davon?

Der Weg in die Legalität

Mann mit Metalldetektor kniet
Der Hobby-Archäologe Boris Ahlers auf Sondengang. | Bild: WDR

Um sein Hobby rechtlich abzusichern, versuchte er beim Amt für Bodendenkmalpflege des Landes Nordrhein- Westfalen, eine Genehmigung zum Gehen mit der Sonde zu erhalten. Aber es dauerte lange, bis ihm Vertrauen entgegengebracht wurde und das Amt ihm eine Genehmigung ausstellte.

Nach mehreren Seminaren zu Grundlagen des archäologischen Arbeitens wurde Boris Ahlers schließlich zum ehrenamtlichen Mitarbeiter des Amtes. Die zuständigen Archäologen in Westfalen wiesen ihm nun Stellen zu, auf denen er mit der Metallsonde suchen durfte: Ackerflächen, die für wissenschaftliche Grabungen wertlos sind, aber auf denen Sammler einige interessante Gegenstände finden können.

Vertrauensarbeit

Das Interesse an der regionalen Geschichte wuchs und damit auch das Wissen darüber. Dank der Arbeit des Sondengängers können die Archäologen manche Fundorte nun genauer datieren- oder sogar gänzlich neu bewerten. Boris Ahlers darf inzwischen an bestimmten Stellen gezielt nach Besiedlungsspuren suchen – insbesondere an Orten, an denen gebaut wird oder sogar auch an offiziellen Ausgrabungen.

Schmaler Grad

Der Grat zwischen ehrenamtlicher Mitarbeit und illegalem "Raubgraben" ist sehr schmal. So wurden ehrenamtliche Metall-Sondengänger in der Rheinebene eingesetzt. Dort gab es bei Rheinzabern in der Antike bis ins 4. Jahrhundert hinein eine Manufaktur für Keramik – die so genannte Terra Sigillata.

Ein Großteil des Bodens dort ist heute geschützt, Baugenehmigungen werden nicht erteilt. Die Bodenschicht der Ackerflächen schützt zum Teil tief liegende römische Grabstätten oder Brennöfen mit noch erhaltener Keramik.

Der Oberkonservator des Amtes für Archäologie in Speyer, Dr. Rüdiger Schulz, wollte einige Stellen untersuchen lassen, an denen er noch unentdeckte Gräber vermutete.
Die Fundstücke, die er von diesen Untersuchungen bekam waren jedoch nicht die beste Qualität. Aber er schöpfte keinen Verdacht.

Keramikfunde aus Rheinzabern im Internet auf

Eines Tages tauchten in der Internet-Auktionsplattform Ebay Keramiken auf, die offensichtlich aus Rheinzabern stammen könnten. Auf die Hinweise von Kollegen schaltete Rüdiger Schulz die Staatsanwaltschaft ein. Schon bald war klar, es war ein Metallsondengänger aus der eingesetzten Gruppe.

Über eintausend Einzelstücke mit einem Wert von 300.000 Euro wurden in seiner Wohnung sichergestellt. Dabei zerstörte der Täter über dreißig Römische Gräber. Die Inventare hatte er nicht katalogisiert, so dass diese für eine wissenschaftliche Auswertung verloren sind. Der Sondengänger wurde zu zwei Jahren Haft auf vier Jahre Bewährung und über einhundert Stunden gemeinnützige Arbeit verurteilt.

Rechtslage

In diesem Fall wurde das Vertrauensverhältnis zwischen Behörden und den Sondengänger erheblich beschädigt. Dabei gehen Sondengänger, wenn sie in offizieller Mission tätig sind, nicht leer aus: Boris Ahlers erhält seine Fundstücke zurück, nachdem die Archäologen sie ausgewertet haben.

Denn in Nordrhein-Westfalen gilt die "Hadrianische Teilung", die aus dem Römischen Recht stammt. In Hessen und Bayern wird das ebenfalls praktiziert. Alle anderen Bundesländer haben das sogenannte "Schatzregal": Der Finder muss wertvolle Funde komplett an den Staat abgeben.

Autor: Matthias Müller
Redaktionelle Bearbeitung: Sebastian M. Krämer

Stand: 11.05.2012 13:08 Uhr