So., 15.06.08 | 17:03 Uhr
Das Erste
Trinkwasser aus dem Bodensee
Der Bodensee ist Europas bedeutendstes Trinkwasserreservoir und fasst rund 50 Milliarden Kubikmeter Wasser. Bei Sipplingen, am Überlinger See – einem Seitenarm des Bodensees, liegt die größte Fernwasserversorgung Deutschlands.
Hier wird das Trinkwasser aus dem Bodensee entnommen, aufbereitet und in das Netz der Fernwasser-Versorgung eingespeist. Die Entnahmestelle liefert Trinkwasser für Millionen Menschen vor allem in den mittleren Neckarraum.
Wassermangel in Baden Württemberg
Das sonnenverwöhnte Baden-Württemberg hat im Vergleich zu allen anderen Bundesländern die geringsten Wasservorkommen. Besonders betroffen sind der mittlere Neckarraum um Stuttgart sowie weite Teile der Schwäbischen Alb.
Die Gebiete sind extrem niederschlagsarm und die Böden speichern das Grundwasser schlecht.
Früher mussten in heißen Sommern oft Tankwagen Trinkwasser herbeischaffen, um die Bevölkerung zu versorgen.
Technische Meisterleistung
Wasser aus dem Bodensee zu gewinnen, aufzubereiten, um damit eine mehr als 200 Kilometer nördlicher gelegene Region zu versorgen, gilt bis heute als Pioniertat. Die schon länger bestehenden Pläne konnten erst in den 1960er und 1970er Jahren umgesetzt werden. Ab da verfügten Ingenieure über das Know-How und die Maschinen, um das gigantische Vorhaben der Fernwasserversorgung in Angriff zu nehmen.
Riesige Bohrmaschinen trieben unterirdische Stollen durch das Gestein der Schwäbischen Alb, mannshohe Rohre mussten präzise verlegt werden. Heute hat das weit verzweigte Leitungsnetz eine Länge von mehr als 1.700 Kilometern. Vom Bodensee bis nach Stuttgart braucht das Trinkwasser zwei Tage.
Wasserschutzgebiet
Bei der Stadt Sipplingen liegt das Wasserschutzgebiet, aus dem das Rohwasser entnommen wird. Um Verschmutzungen - etwa durch Öl - vorzubeugen, ist das Areal für Motorboote gesperrt.
In sechzig Metern Tiefe wird das Rohwasser über drei Entnahmeköpfe abgesaugt. Dort hat das Wasser das ganze Jahr über eine Temperatur von vier bis fünf Grad und ist sauber. Der Chef der Bodenseewasserversorgung Prof. Hans Mehlhorn ist begeistert von der guten Qualität: "Es macht einfach Spaß aus diesem See Trinkwasser zu schöpfen. Ich habe den schönsten Beruf, den es überhaupt gibt."
Giftanschlag 2005
Wie alle offenen Gewässer ist auch der Bodensee gegen Verunreinigungen nicht gefeit. Am 18. Oktober 2005 erfolgte sogar ein Giftanschlag. Der Täter versenkte Kanister mit Pflanzenschutzmitteln im Wasserschutzgebiet. Wegen des enormen Verdünnungseffekts ließen sich glücklicherweise nur unbedenkliche Spuren nachweisen. Dennoch ein Schock. Seither wird die Seefläche zusätzlich von Kameras und Radar überwacht und es werden ausgeklügelte Analysemethoden eingesetzt, um Verunreinigungen rechtzeitig aufzudecken.
Qualitätssicherung
Täglich nehmen Mitarbeiter der Bodensee- Wasserversorgung Proben, um die Inhaltsstoffe zu analysieren. Mit ihren extrem feinen Untersuchungsverfahren können die Chemiker auch geringste Veränderungen nachweisen. Ihnen entgeht kein Fremdstoff, der die Gesundheit der Verbraucher gefährden könnte. Bodenseewasser, das zeigen die Ergebnisse, ist von hoher Qualität.
Genug Wasser auch in Zukunft?
Die Alpengletscher liefern mit ihrem Schmelzwasser den Löwenanteil dessen, was dem Bodensee zufließt. Doch was, wenn diese Quelle durch die Klimaerwärmung zu versiegen droht? Prof. Hans Mehlhorn gibt Entwarnung: "Durch den Bodensee fließt das Hundertfache, dessen was wir entnehmen und das Volumen des Bodensees ist so groß, dass das alleine für vierhundert Jahre reichen würde."
Der Alpenrhein, der als Hauptquelle den Bodensee speist, wird also auch in Zukunft noch genug Wasser liefern – Wasser, das Millionen Menschen dringend brauchen.
Autor: Hans J. von der Burchard
Stand: 06.11.2015 09:32 Uhr