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Überleben im Zoo

Wenn Tiere in Zoos geboren werden, ist die Freude groß: bei Tierpflegern, Zoodirektoren, Tierforschern und natürlich erst recht bei den Zoobesuchern und Tierfreunden.

Das Lachen über solch freudiges Ereignis bleibt einem dann im Halse stecken, wenn sich die in Gefangenschaft lebenden Raubtiere plötzlich seltsam verhalten. So geschehen im Nürnberger Zoo: Die Eisbären-Mutter Vilma tötete ihre beiden Jungen.

Ein kannibalisches Verhalten des Vaters wollte der Zoo im Vorfeld verhindern: Schon vor Wochen wurde der Vater der Jungtiere, Eisbär Felix, vorsichtshalber in den Zoo nach Gelsenkirchen gebracht.

Auffälliges Verhalten der zweiten Eisbären-Mutter

Kleine Eisbärin auf dem Arm
Wie bei "Knut": Dem Reiz dieses Eisbärbabys kann keiner widerstehen. | Bild: dpa

Vera, die zweite Eisbären-Mutter des Nürnberger Zoos, kommt mit ihrem Baby aus der Höhle. Denn die erscheint ihr nicht mehr sicher. Sie ist nervös, verwirrt, sucht nach einem neuen Unterschlupf – den es im Gehege aber nicht gibt. Bevor auch das letzte Baby stirbt, schreitet die Leitung des Tierparks ein: Das Kleine, das vorläufig den Namen "Flocke" erhalten hat, wird von der Mutter getrennt.

Gestörtes Verhalten durch Gefangenschaft?

Die große Frage, wären Eisbären in den Weiten der Arktis genau so mit ihrem Nachwuchs umgegangen? Oder wurde dieses Verhalten etwa durch die Gefangenschaft im Zoo verursacht?

Am Kieler Institut für Polarökolgie erforschen Wissenschaftler wie Michael Spindler das Leben in Arktis und Antarktis. Der Institutsdirektor hat selbst schon mehrere Expeditionen zu den beiden Polen geleitet. Kindstötungen kommen im Tierreich immer wieder vor, weiß der Wissenschaftler:

"Kindstötungen im Tierreich, muss man sagen, ist nichts außergewöhnliches, sicherlich auch nicht der Normalfall. Der Normalfall ist, wenn Eltern in den Nachwuchs investieren, wollen sie den Nachwuchs auch groß kriegen. Es gibt aber immer wieder Fälle, wo Kindstötung der "effizientere Weg" ist, so zum Beispiel, wenn nicht mehr genügend Energie mehr vorhanden ist, dass die Eltern selber durchkommen würden, dann würde auch Brutgeschäft aufgegeben werden, um die Chance zu haben, um auch wieder gesunden Nachwuchs wieder in die Welt zu setzen."

Was also auf den ersten Blick für’s Überleben der Art nachteilig erscheint, macht bei genauerem Hinsehen durchaus Sinn.

Auch bei Pinguinen gibt es das Phänomen: Bleibt das Weibchen mit Nahrung aus, kümmert sich das zurückgebliebene Männchen eine Weile um den Nachwuchs. Wenn der Pinguin-Vater aber merkt, dass ihm die Kräfte schwinden, überlässt er die Kleinen ihrem Schicksal – und das ist der sichere Tod.

Eisbären in der Wildnis

In der Arktis: Eine Eisbären-Mutter krabbelt mit ihren zwei Jungen im Frühjahr aus der Höhle, die sie in den Schnee gegraben hatte. Mehrere Monate hat sie ihre Kinder darin groß gezogen, ohne einmal herauszukommen.

Gestört wurden wohl die Artgenossen im Zoo so Prof. Michael Spindler: "Wenn eine Eisbären-Mutter in ihrer Höhle gestört wird, hat sie keine Sicherheit ihren Nachwuchs auch wirklich gefahrlos groß zu kriegen und dann würde sie diese Höhle verlassen. Und sich eine neue Höhle suchen möglicherweise. Und bei dieser Störung, die stattgefunden hat, ist davon auszugehen, dass die Mutter im Zoo keine neue Höhle finden konnte, wo sie glaubt, ihr Junges gefahrlos großziehen zu können."

Endlich wieder Bewegung. Die zwei Kleinen sind noch etwas unsicher auf den Beinen – ist ja auch das erste Mal. Die Familie ist während der Wintermonate nicht gestört worden. Die Jungen sind schon aus dem Gröbsten heraus.

Auch die Bärin in der Antarktis wirkt ganz entspannt. Denn es droht kaum Gefahr. Schließlich sind Eisbären die Könige der Arktis. Die Raubtiere stehen in der Nahrungskette ganz oben.

Unerfahrene Eisbär-Mütter

Und trotzdem: Für Erstgebärende in freier Wildbahn, genau so wie für Vilma und Vera im Zoo, kann es stressig werden wie Prof. Michael Spindler weiß: "Erstgebärende Mütter haben mit Geburten eben bisher keine Erfahrungen gemacht und sind deshalb relative unsicher. Und bei irgendwelchen Störungen oder bei Stress bedingten Situationen reagieren sie dann nicht wie wir das erwarten normal. Sondern da kann es zu Störungen kommen und zur Aufgabe der gesamten Nachwuchspflege."

Aber warum hat Vilma die eigenen Jungen aufgefressen? Dem Laien erscheint das zunächst abstoßend und schrecklich. Die Experten erklären: Ein totes Baby liegen zu lassen, das wäre Verschwendung von Ressourcen. Denn der Kadaver bedeutet Fleisch, Nahrung. Und die braucht der Bär in freier Wildbahn zum überleben. Diesen Instinkt haben auch die Tiere im Nürnberger Zoo nicht verloren.

"Flocke" wird sich nie in freier Wildbahn behaupten müssen. Menschen ziehen sie groß. Sicher nicht artgerecht, aber wohl ihre einzige Chance.

Autor: Andreas Szelenyi

Knuts Futtermix

Doch die ganze Republik scheint um die kleine Eisbärin besorgt. Sie soll nun eine Spezialnahrung aus Berlin bekommen, die schon Eisbär Knut schlabberte. Der Tierarzt André Schüle vom Zoologischen Garten Berlin soll nach einem Bericht der "Abenschau" des rbb den Nürnberger Tierpflegern Maissirup geschickt haben. Diese Flüssigkeit werde bei der Handaufzucht der Hundewelpenmilch beigemischt. Der Maissirup verhindert, dass die Milch verklumpt und dann für eine Darmverstopfung sorgen kann. Diese könnten für ein Eisbärenbaby tödlich werden. Den Tipp für diesen Futtermix hatten die Berliner Pfleger und Tiermediziner vom Zoo in San Francisco aus den USA erhalten, die schon gute Erfahrungen damit gemacht hätten.

Suche nach einem passenden Namen

Bereits auf Hochtouren läuft der Wettbewerb um einen passenden Namen um die kleine Eisbärin. Bereits sind mehr als 14.000 Namensvorschläge auf der Internetseite des Nürnberger Zoos eingegangen. Die Seite war erst am Freitag eingerichtet worden. Das Interesse für die Internetseite war so groß, dass bereits schon am Freitag der Server lahmgelegt wurde. Die Kapazitäten seien inzwischen erheblich erweitert worden. Bis Sonntagabend rechnet der Zoo mit 20.000 Vorschlägen. Darunter befinden sich Namen wie Franka, Lina und Käthe oder auch Nibs, Snowwhite, Aichá und Yuki Chan.

Redaktionelle Ergänzung: Sebastian M. Krämer
Quellen: dpa, AFP

Stand: 23.08.2012 16:40 Uhr

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