SENDETERMIN So., 10.02.08 | 17:03 Uhr | Das Erste

Wissen im Alltag - Überleben im Schnee

Aufstieg in den Schnee, zu einer ungewöhnlichen Skitour. Ärzte aus ganz Europa wollen lernen, wie man in Schnee und Eis überlebt und wie man Verletzten in der Kälte hilft.

Was sie noch nicht wissen: Schon bald wird aus der Übung Ernst. Noch ist alles ganz harmlos. Skifahren steht schließlich auch auf dem Programm. Bester Schnee in knapp 3000 Meter Höhe am Bernina-Pass in den Schweizer Alpen.

Doch dann ändert sich die Situation. Der Gestürzte hat sich den Fuß gebrochen. Glück im Unglück: Es sind ja Ärzte anwesend. Es geht zwar etwas durcheinander bei soviel geballter Kompetenz. Aber in wenigen Minuten ist das Bein geschient. Und – was das Wichtigste ist: Kurz darauf ist der Rettungshubschrauber da, der Verletzte kommt in Sicherheit.

Alle wissen, daß das auch schlimmer hätte ausgehen können. Bei schlechtem Wetter etwa. Dann hätte der Hubschrauber nicht landen, der Verletzte nicht geborgen werden können. Und was wäre dann?

Die Ärzte gehen die Situation durch. Einer der Teilnehmer spielt einen Verletzten, der alleine schon seit Stunden im Schnee liegt. Er ist zwar nur leicht verletzt, aber stark unterkühlt. So sehr, daß er kaum ansprechbar ist.

Ein reiß- und wetterfester Plastiksack, der Biwak-Sack, kommt zum Einsatz. Und warmer, gezuckerter Tee. Mit dem Tee wird von innen, mit dem Sack von außen gewärmt. Den 400 Gramm leichten Biwak-Sack sollte jeder im abseitigen Gelände mit sich führen. Im Ernstfall bietet er im Freien die einzige Chance zu überleben. Ganz wichtig auch: der Unterkühlte darf auf keinen Fall abgerubbelt oder stark bewegt werden.

Bastian Ringe: "Die Finger, die Füße, die Zehen sind als allererstes, was betroffen ist. Dann kommt die Nase, die Ohren. Aber der Körperkern hält sich relativ warm. In dem Moment, wo ich jetzt anfange den Menschen abzurubbeln oder in zu bewegen, das heißt ich transportiere dann das kalte Blut aus der Peripherie von den Füßen, von den Fingern heraus nach oben in das Zentrum des Körpers. Es vermischt sich. Und dann kommt es halt, was man bei Lawinenopfern als Bergungstod bezeichnet."

Der Unterkühlte sollte auch auf keinen Fall mit Schnee abgerieben werden. Dennoch wird jetzt mit Schnee gewärmt. Indirekt. Die Gruppe gräbt einfach ein Loch in die nächste Wächte. In einer knappen halbe Stunde baut sie eine recht komfortable Schnee-Höhle. Das zeigt: Ohne Schaufel ist man im Hochgebirge aufgeschmissen. Im Schnee ist Luft eingeschlossen. Dadurch isoliert der Schnee gut vor der kalten Außenluft. Und er hält den Wind ab. In der Höhle ist es erstaunlich warm. So kann man – eingepackt in den Biwak-Sack – problemlos eine Nacht verbringen.

Aber was ist, wenn die Verletzungen schwer sind. Der Verunglückte schnell ins Tal muß? Dann sind Phantasie und Geschick gefragt. So, jetzt habe ich vorne mal die Spitzen beieinander. Jetzt muß ich hinten den Ski miteinander verbinden." Mit Skiern, Stöcken, Schneeschaufeln, ein paar Schnüren und etwas Geschick baut Bergführer Reiner Taglinger in wenigen Minuten einen stabilen Schlitten. Mit dieser Übung zeigt Taglinger aber auch, daß so ein Transportgerät seine Tücken hat. Vor allem für jemanden mit einer schmerzhaften Verletzung. Denn der Schlitten ist natürlich völlig ungepolstert.

Reiner Taglinger: "Gut, der ist natürlich im Vergleich zum professionellen Akia ist schon etwas schwieriger zu fahren. Und dann – wie gesagt – der Verletzte hat es nicht sonderlich gemütlich auf dem Ding. Das ist ein absoluter Notbehelf." Das Beispiel zeigt: Im Ernstfall ist das Überleben im Schnee der Berge nur mit der richtigen Ausrüstung überhaupt möglich.

Autor: Jan Kerckhoff

Literatur

Praktische Berg- und Trekkingmedizin

Autoren: Andrew J. Pollard , David R. Murdoch.
dt. Herausgeber: Christine Graf, Richard Rost.
Verlag: Ullstein Medical, 1998

Erste Hilfe und Gesundheit am Berg und auf Reisen

Alpine Lehrschrift
Autor: Walter Treibel
Verlag: Bergverlag Rother, 2006

Stand: 11.05.2012 13:08 Uhr

Sendetermin

So., 10.02.08 | 17:03 Uhr
Das Erste

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