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Das Familienleben der Pottwale

Genau zwischen Amerika und Europa, in der Mitte des Atlantiks, liegen die Azoren. Das besondere an den neun kleinen Inseln ist: Sie sind die "Gipfel" eines gewaltigen Gebirges, das aus mehren tausend Meter Tiefe emporwächst.

Die Azoren sind eine der wenige Orte der Erde, wo Pottwale direkt an der Küste, ihre Lieblingsspeise aus der Tiefsee holen – Tintenfische. Theoretisch kann man die Riesen hier besonders gut beobachten – einfach ist es trotzdem nicht.

Ohne Nachwuchs machen sich die größten Fleischfresser der Erde gerne unter Wasser davon, wenn sich ihnen Wissenschaftler wie Monica Silva nähern. Doch Monica hat ein Pottwalbaby gefunden, das ihr bei den Forschungen "hilft". Das sechs Monate alte, aber schon über fünf Meter lange Kalb kann noch nicht tauchen. Die Mutter kehrt aus der Tiefsee zurück – von einem Tauchgang, der fast eine Stunde gedauert hat. Das hungrige Kalb drängt sich sofort an die Mutter, um zu trinken. Die Biologin will die Rätsel der Pottwale lösen: Wie tief sie tauchen - Was sie dort unten tun und wohin sie wandern.

Kinderstube der Pottwale

Die individuell geformte Schwanzflosse identifiziert das Weibchen – es lebt schon fast drei Monate rund um die Azoren. Ein langer Zeitraum für diese rastlosen Vagabunden, deren Wanderungen kaum erforscht sind.

Monicas Archiv beweist: Die Azoren sind die Kinderstube der Pottwale. Manche Tiere kommen seit den 80er Jahren hierher. Das ist eine einzigartige Situation für Monica Silva, weil dieser lange Zeitraum hilft, die Fruchtbarkeit und die Vermehrungsraten der Weibchen zu erforschen. Das sind die großen Unbekannten der Pottwalforschung: Dank der Fotos weiß die Biologin, wie oft sie Nachwuchs haben und wie viele Jahre die Kälber bei der Mutter leben. Zehn bis zwölf Jahre wird das Baby bei der Mutter bleiben.

Soziale Gemeinschaft

Pottwale leben in sozialen Gruppen. Die Verwandtschafts- verhältnisse dieser Gruppen zu ermitteln ist auch ein Teil von Monicas Arbeit: Dazu ist eine Genprobe nötig. Ein spezieller Pfeil soll ein winziges Stückchen Haut aus dem Wal reißen - für die Tiere ist der Schuss völlig ungefährlich. "Mit den Haut-Proben können wir genetisch die Verwandtschaftsverhältnisse analysieren", sagt Monica, "vielleicht war das eine Tante oder eine Cousine? Mit Hilfe von Satellitenbildern beobachten wir zusätzlich ihr Sozialverhalten. Immer wieder kommen Gruppen von mehreren dutzend Tieren zusammen, um zu kommunizieren. Und dann gibt es da noch einen Aspekt: Das Fett der Tiere, das ja auch am Pfeil hängenbleibt, hilft uns zu ermitteln, was sie fressen!"

Minicomputer an Walmutter

Wie sich Pottwale in der Tiefsee verhalten, ist schwer herauszufinden: Genproben und Satellitenbilder reichen dafür nicht. Monica will dem Muttertier einen Computer mit Hilfe eines Saugnapfes anheften. Er liefert Daten über Tauchtiefe und Tauchlänge, die Wassertemperatur und den Salzgehalt. Doch um den Saugnapf anzubringen, müssen die Forscher auf wenige Meter an die Mutter heran. Mit einem Motorboot ist dies unmöglich. Pottwale flüchten vor dem Motorenlärm. Wie die alten Walfänger paddeln die Wissenschaftler mit einem Kajak heran: Die Walfänger konnten fast immer die Mutter erlegen, wenn sie einfach bei den Jungtieren warteten.

Tauchgänge

Monica geht davon aus, dass vor allem die kleineren Weibchen keine Rekordtauchgänge machen und in 700 bis 900 Meter Tiefe große Tintenfische fressen. Nur ausgewachsene Bullen tauchen bis zu 2000 Meter.

Das Kalb spielt wieder an der Oberfläche. Die Mutter ist mit einem Computer am Rücken abgetaucht. Der Computer ermittelt: Die Mutter war bei beiden Tauchgängen nur eine gute halbe Stunde unter Wasser und nie tiefer als 800 Meter.

Autor: Florian Guthknecht

Stand: 11.05.2012 13:08 Uhr

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