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Der Weltuntergang 2012

Kulturwissenschafter Dr. Michael Kempe
Kulturwissenschafter Dr. Michael Kempe. | Bild: SWR

2012 geht die Welt unter und wir dürfen zuschauen. Dies zumindest führt uns das Kino im Endzeitspektakel von Roland Emmerich vor Augen. Der Kulturwissenschafter Dr. Michael Kempe hat schon viele Welten untergehen sehen. Auch in der Literatur vergangener Jahrhunderte beflügelten Untergangsprognosen die Fantasie. Und nicht nur das: Sie beförderten sogar die Wissenschaft. „Der Gedanke, genau ausrechnen zu können, wann wir untergehen, hat dazu geführt, dass man sich mit Wetterdaten beschäftigt hat, mit den Planetenbahnen, dass man das versucht hat auszurechnen, wann die Sonnenfinsternisse und Mondfinsternisse und Mondfinsternisse stattfinden. Und das hat eigentlich auch einen Impuls für die modernen Naturwissenschaften gegeben. Oder auch die Demografie. Es gab eine große Diskussion im 17. Jahrhundert, ob die Erde nach der Wiederauferstehung der Toten im tausendjährigen Reich Christi, ob da überhaupt genug Platz auf der Erde sei, dass alle verstorbenen Seelen wieder auferstehen können“ so Michael Kempe.

Verpasste Weltuntergänge

Weltuntergangsvoraussagen anhand historischer Dokumente
Weltuntergangsvoraussagen anhand historischer Dokumente. | Bild: SWR

Im Mittelpunkt des Films steht der uralte Kalender der Maya. Der endet am 21. Dezember 2012. Hollywood macht daraus das Ende der Welt. Ein Spiel mit den Untergangsgeschichten der Kulturen, wie z.B. der biblischen Apokalypse. Eine Mixtur der weltgrößten Untergangsszenarien. Für Michael Kempe ist das die neueste Variante einer Unzahl von Fehlprognosen der Vergangenheit: „Ein Beispiel, dass wir auch in der Geschichte hatten: Martin Luther hat dreimal den Weltuntergang vorausgesagt. 1532, 1538 und 1541. Das ist bei allen drei Malen nicht eingetreten. Danach hat er es aus gutem Grund aufgegeben, noch vermeintlich exakte Daten anzugeben. Das heißt, die Geschichte holt ihre eigenen Untergangsprophezeiungen wieder ein, so dass wir bis jetzt eine Geschichte verpasster Weltuntergänge haben.“
Die Geschichte der Weltuntergänge ist Kempes Spezialgebiet. Allen Religionen gemein ist das Prinzip Hoffnung. Eine Rettung mit Gottes Hilfe, wie etwa durch die Arche Noah. Doch nicht nur die christliche Welt wird von einer globalen Sintflut heimgesucht. Auch in anderen Kulturen sucht man Rettung vor dem globalen Ertrinken. Im Kinofilm 2012 spielt das Wasser ebenso eine Hauptrolle. Hier ist es die Natur selbst, die zur unbezwingbaren Macht wird. In früheren Jahrhunderten wurden Flutkatastrophen dagegen einem göttlichen Schöpfer zugeschrieben.
“Man hat eben auch gesagt: Gott hat mit einem Finger die Erdumlaufbahn angehalten, die drehende rotierende Erde, so dass dann durch das plötzliche Anhalten wie bei einem Wasserglas die unterirdischen Wassermassen aufspritzten, sodass dann die Sintflut ausgelöst wurde“, so Kulturwissenschafter Kempe.

Fiktion und Wirklichkeit

Die Übertragung des Unfassbaren auf eine göttliche Hoheit ist vielen Religionen gemeinsam. Ebenso weltumspannend ist das Gefühl eines lustvollen Grauens beim Anblick solcher Bilder. Und so erklärt sich auch die schaurige Anziehungskraft, die etwa Tsunami-Aufnahmen auf den Betrachter ausüben. Sie schüren unsere Urängste. Auch Vulkane geben uns eine Ahnung vom Ende der Welt, wie etwa der Ausbruch des Mount St. Helens im Jahre 1980. In Hollywood heißt der Vulkan „Yellowstone“.
Und tatsächlich schlummert unter den Geysiren des amerikanischen Nationalparks ein gigantischer Vulkan. Steckt also vielleicht ein Fünkchen Wahrheit in der Kinostory? Sollten wir uns nicht doch vor dem Maya-Kalender und dem Jahre 2012 fürchten?
„Meines Erachtens ist es nicht ausgeschlossen, dass die Welt tatsächlich mal untergeht. Klimakatastrophen machen das natürlich auch denkbar, das kann auch rasant geschehen, aber das hat natürlich auch viel mit Zufällen zu tun. Was ich für gänzlich unplausibel halte ist, dass es so eine Art Weltenplan gibt, so eine Uhr die abläuft, so dass die Maja auch vorausberechnen konnten, wann die Welt mal untergeht. So ein starker Determinismus, dass halte ich für unplausibel“, meint Michael Kempe. Der Grund für die Faszination und die Vielzahl der Geschichten vom Ende der Welt ist für Michael Kempe die Begrenztheit des Lebens. Geburt und Tod als natürliches Prinzip. Was für den Einzelnen gilt, soll auch für den Planeten gelten, auf dem er lebt.

Autor: Axel Wagner (SWR)

Stand: 09.11.2012 09:12 Uhr

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