So., 22.03.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Fliegende Flüsse
Unterwegs im Auftrag der Wissenschaft
Der Flugpionier Gerard Moss ist unterwegs im Auftrag der Wissenschaft: Für die Klimaforscher Brasiliens sammelt er Feuchtigkeit aus den Luftströmungen über dem Amazonasbecken, die den Süden des Kontinents mit Regen versorgen. Seine Forschungsflüge auf der Jagd nach den "fliegenden Flüssen" werden es einmal ermöglichen, die komplexen Zusammenhänge im Ökosystem Amazonien besser zu verstehen. Mit seinem kleinen Spezialflugzeug überquert der erfahrene Pilot die grünen Weiten zwischen dem Atlantik und den Anden - die grüne Lunge der Welt – und folgt den Feuchtigkeitsmassen bis nach Südbrasilien.
Wettermaschine Amazonas in Gefahr?
Nicht nur die Regenfälle im Süden des Kontinents, das gesamte Weltklima wird durch das Amazonasgebiet beeinflusst, denn das größte Regenwaldgebiet der Erde wirkt wie eine riesige Wärme- und Wasserpumpe. Rund ein Fünftel der gesamten Süßwassermenge der Erde fließt durch das Amazonasbecken. Der größte Teil stammt aus den Wolken, die über dem tropischen Atlantik entstehen, über Amazonien abregnen und den Regenwald wachsen lassen. Die Urwaldriesen wiederum verdunsten bis zu 1.000 Liter Wasser täglich in die Atmosphäre. Inzwischen gehen die Meteorologen davon aus, dass die Luftströmungen aus Amazonien täglich mehr Wasser nach Süden transportieren als der Amazonas in den Atlantik entlässt.
Schwierige Datenerfassung
Tausende von Kilometern folgt Gerard Moss den Wolkenansammlungen, die über den Baumwipfeln entstehen und sich zu "fliegenden Flüssen" verdichten. Immer wieder saugt eine Düse an einem Seitenfenster des Cockpits Feuchtigkeitsproben in spezielle Glasbehälter, deren Dichte und Herkunft später von Hydrologen genau bestimmt werden. Ständig misst der Pilot die Zu- und Abnahme des Wassergehalts in den Luftmassen bis er den Süden Amazoniens erreicht. Immer häufiger behindern Rauchfahnen die Sicht. Gerard Moss überquert Rinderfarmen und Sojaplantagen, die sich in den Urwald hineingefressen haben. Mit genauen Flugmanövern versucht er herauszufinden, wie viel Feuchtigkeit die Wassermassen am Himmel über den gerodeten Flächen verlieren. Rund ein Fünftel des Regenwalds wurde in den vergangenen Jahrzehnten zerstört. Wenn sich der Verdacht bewahrheitet, dass sich das Binnenklima verändert, weil die fliegenden Flüsse abnehmen und weniger Regen als früher in den Süden des Kontinents gepumpt wird, hat das weitreichende Konsequenzen für die Landwirtschaft in Südbrasilien und Argentinien.
Ein Fingerabdruck der Wolken
In einem Labor der Universität Sao Paulo in der Stadt Piracicaba werden die Feuchtigkeitsproben analysiert. Die Forscher versuchen das Geheimnis der Luftströmungen zu entschlüsseln. Sie analysieren die Isotope der Wasserproben auf der Suche nach einer Art DNA der Wassermoleküle. Jede Feuchtigkeitsprobe enthält Informationen über ihren Ursprung und erzählt die Geschichte ihrer Entstehung. Alle Informationen, die Gerard Moss auf seiner Flugreise gesammelt hat, werden zusammen mit den genauen Wetterinformationen in einer Datenbank gespeichert. Nach und nach entsteht so eine virtuelle Karte des Wasserkreislaufs in der Atmosphäre.
Adressen & Links
Homepage, die die Arbeit von Gerard Moss und seinem Team zeigt (auf Portugiesisch).
www.riosvoadores.com.br
Autor: Eberhard Rühle
Stand: 27.10.2015 11:13 Uhr