SENDETERMIN So., 09.08.09 | 17:03 Uhr | Das Erste

Forschungsprojekt Erholung

Wie erholt man sich am Besten, wie lädt man seine Akkus wieder auf? Der Urlaub ist ja bekanntlich immer zu kurz. Sollte man da lieber nichts tun? Lange schlafen, Seele baumeln lassen, oder ständig in Bewegung sein, viel Sport machen und immer neue Eindrücke sammeln? Eine Studie zum Freizeitverhalten der Deutschen hat Überraschendes zu Tage gebracht.

Verschiedene Entspannungstypen

Margit Adrio ist Fachlehrerin an einer Ganztagsschule für Behinderte. In der anspruchsvollen Arbeit mit den Kindern geht sie ganz auf. Die Vorbereitung auf den Unterricht zieht sich meist bis spät in den Abend, für die Erholung unter der Woche und am Wochenende findet sie nur wenig Zeit. Margit Adrio räumt ein, dass es ihr schwer fällt, Arbeit und Privatleben zu trennen: "Größere Sachen schieb ich dann auf die Ferien. Und selbst im Urlaub nehme ich mir nicht die Zeit, um neue Energie zu tanken, sondern hab dann wieder irgend etwas rein gepackt, was ich erledigen möchte - oder muss."

Frank Stemmle ist Bankkaufmann in Teilzeit. Zweimal wöchentlich arbeitet er in einer Sparkassen-Filiale als Kundenberater, an den übrigen Tagen versorgt er seine kleine Tochter, arbeitet als Sprecher für den Sender Arte und moderiert ehrenamtlich das Stadtklinikradio Baden-Baden. Und wie bekommt er alle diese Aktivitäten unter einen Hut? "Die Kraft hole ich mir in meiner kleinen Familie, bei meiner Frau und meiner Tochter. Wenn wir zum Beispiel abends beieinander sitzen und das Abendessen genießen. Wenn ich mal Erholung pur brauche, dann gehe ich gerne in die Sauna."

Trotz allem: Ausspannen ist wichtig!

Sabine Sonnentag
Sabine Sonnentag | Bild: SWR

Frank Stemmle ist also eher ausgeglichen, Margit Adrio eher gestresst, was den Ausgleich von Arbeit und Erholung betrifft. Beide haben einen vollen Tag, doch wie gehen die beiden mit ihren Kräften um? Was machen sie richtig, was könnten sie besser machen? Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, besuchen wir die Arbeitspsychologin und Erholungsforscherin Prof. Sabine Sonnentag von der Universität Konstanz. In einem umfangreichen Forschungsprojekt hat sie untersucht, weshalb es vielen von uns schwer fällt, sich gut zu erholen. Sabine Sonnentag weist auf einen sehr wichtigen Aspekt hin: "Die Arbeitssituation für viele Menschen hat sich grundlegend geändert. Es sind nicht mehr primär die körperlichen Anforderungen, sondern es sind geistige Anforderungen, psychische, soziale Anforderungen, von denen man sich nicht einfach erholt, indem man sich auf die Couch legt, sondern man muss sich im Prinzip psychisch erholen, abschalten, versuchen sich zu entspannen. Das ist etwas, das vielen schwer fällt, wo vielleicht auch noch nicht jeder die für sich passende Strategie gefunden hat."

Erholen für die Forschung

Um festzustellen, wie man sich am besten erholt, haben die Konstanzer Forscherinnen zahlreiche Firmen in ihr Projekt eingebunden und etwa 1.000 Personen befragt. Mit Taschen-PCs, per Internet oder über Fragebögen gaben die Beteiligten Auskunft über stressauslösende Faktoren bei der Arbeit und über ihr Freizeitverhalten. Dabei zeigte sich, dass vor allem arbeitsbezogene Aktivitäten am Abend das Abschalten verhindern und sich negativ auf den Schlaf auswirken. Dabei spielt Schlaf, so Sabine Sonnentag, eine sehr wichtige Rolle: "Wenn man nicht gut schläft, dann hat das viele negative Folgen für das Befinden und für die Leistungsfähigkeit." Allerdings, dies zeigten die Ergebnisse des Forschungsprojekts, könne ein guter Schlaf fehlende Erholung in der Wachzeit nicht ausgleichen. Aber wer bei der Arbeit ausgeschlafen und erholt ist und auf eine erfüllte Freizeit zurückblicken kann, ist leistungsfähiger und in der Regel engagierter und kommunikativer. Menschen wie Margit Adrio, die einen hohen Leistungsanspruch haben und sich schwer tun, Arbeit und Privatleben zu trennen, sollten daher versuchen, Freizeit tatsächlich als Freizeit zu konzipieren. Regelmäßiger Sport kann dabei eine wichtige Hilfe sein.

Distanz ist Erholung

Wer dagegen wie Frank Stemmle abends noch in einer ehrenamtlichen Tätigkeit aufgeht, arbeitet zwar auch, gewinnt aber Distanz zum Hauptberuf. Frank Stemmle, nennt einige der Gründe: "Ich tauche hier in eine ganz andere Welt ein, ich kann den beruflichen Alltag hinter mir lassen, kann hier sehr kreativ sein, mich ausleben. Ich bekomme die Rückmeldungen von Hörerinnen und Hörern, was so eine Art Glücksgefühl in einem hervorruft und das ist für mich auch eine Art der Entspannung."

Ausruhen im Urlaub

Margit Adrio nach dem Joggen
Sport kann erholsam sein | Bild: SWR

Und noch etwas haben die Erholungsforscherinnen herausgefunden: Einfach frei oder einen langen Urlaub zu haben, heißt nicht automatisch, dass man sich besonders gut erholt. Prof. Sabine Sonnentag betont: "Ein langer Urlaub hat keine bessere Erholungswirkung als ein kurzer. das heißt einmal lang Urlaub zu machen für das ganze Jahr reicht für die meisten nicht aus, günstiger ist es, die Urlaubszeit in mehrere kürzere Urlaube aufzusplitten, zum Beispiel von einer Woche oder zwei Wochen Länge."

Fazit: Auch wer in seiner Arbeit völlig aufgeht, sollte sich außerhalb des Urlaubs bewusste Auszeiten gönnen, um körperlich und geistig fit zu bleiben. Nur so ist man den beruflichen Anforderungen und dem Stress auf Dauer gewachsen.

Autor: Markus Hubenschmid (SWR)

Stand: 17.09.2015 13:34 Uhr

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