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Grabkultur und Totenkult

Rituale der Trauer - es gibt sie überall auf dieser Welt, so verschieden die Menschen auch leben mögen. Im Kasseler Museum für Sepulkralkultur werden sie erforscht. Der Name Sepulkralkultur leitet sich ab vom lateinischen „sepulcrum“, also „Grab“. Aber nicht nur die Grabstätte, auch die gesamte Trauerzeremonie spielt hier eine wichtige Rolle.

Trauerrituale: Eigentlich Zeremonien des Trostes

„Trauerrituale verfolgen zwei große Ziele: Das eine ist, dass die Hinterbliebenen lernen, sich von dem Toten zu trennen“, sagt Prof. Dr. Reiner Sörries, der das ungewöhnliche Museum leitet. Deswegen bezeichnet er einen großen Teil der Trauerrituale auch als Trennungsrituale. Doch das sei nur ein Zweck solcher Zeremonien: „Der zweite Teil ist, dass man über solche Rituale einüben soll, dass man sich wieder in der Gemeinschaft der Lebenden weiter bewegt - und diese Art von Ritualen nenne ich so genannte soziale Rituale.“ Rituelles Trauern wurde besonders in der westlichen Welt mehr und mehr von rationalisierter Verarbeitung verdrängt. Die Begräbnisfeier wurde zum Verwaltungsakt und zu einer stark reglementierten Veranstaltung - mit Beerdigungen im Halbstundentakt und Gräbern nach DIN-Norm.

Wiedersehensfreude am Grab

Doch es geht auch anders. Beispiel Madagaskar: Hier ist der Tod häufig Anlass zur Familienzusammenführung. Begleitet von fröhlicher Musik und Wiedersehensfreude wird der Tote noch einmal in die Mitte der Familie aufgenommen. Selbst die Gebeine längst Verstorbener werden dafür aus der Gruft geholt.

Ganz anders und doch ganz ähnlich: das Ritual in Indien. Auch hier trauern alle nahen und entfernten Angehörigen gemeinsam. Gemäß ihrem Glauben verbrennen sie in einer langen Zeremonie die sterblichen Überreste des Verstorbenen, damit seine Seele mit dem Rauch in den Himmel steigen kann.

Oder Mexiko: Die Beerdigung, vor allem aber die jährlichen Gedenkfeiern, werden zu regelrechten Partys für Alt und Jung: Mit Essen für die Toten, mit denen man nachts ein Fest des Wiedersehens feiert. Ein Ritual, an dem wirklich alle teilnehmen – auch über Familiengrenzen hinweg.

Bei uns dagegen sind die Trauerrituale, wenn überhaupt noch vorhanden, eher verhalten, nach innen gewandt. Doch ganz allmählich zeigen sich Veränderungen: Der Tod wird individueller zelebriert. Urnen in Vereinsfarben, Särge ganz nach dem Wunsch des Verstorbenen gefertigt, ein Begräbnis vom Designer gestaltet – das alles soll den Abschied zu etwas ganz Besonderem machen.
Noch extremer ist das Beispiel eines Friedhofs in der Nähe von Los Angeles. In den Grabsteinen gibt es eingebaute Monitore mit Videos, Interviews oder Abschieds-filmen, die in einem friedhofseigenen Studio produziert wurden. Der Tote bleibt auf ewig lebendig – zumindest digital. Aber lässt es sich so wirklich Abschied nehmen?

Kollektive Trauer um Prominente – ein Ventil

Niedergelegte Kränze, Blumen und Kerzen als Zeichen der Trauer
Niedergelegte Kränze, Blumen und Kerzen als Zeichen der Trauer | Bild: HR

Wie stark der Drang nach Trauerritualen bei vielen ist, zeigt die zunehmende Anzahl von spontanen, öffentlichen Trauerbekundungen, die seit dem Tod von Lady Di immer häufiger und ausgeprägter zu beobachten sind. Prof. Dr. Reiner Sörries hat für dieses Phänomen eine Erklärung: „Das ist ein Ventil für viele Menschen, ihrer Unsicherheit Ausdruck zu geben, indem sie um wildfremde Menschen trauern“
Der Unsicherheit oder auch ihrer Angst vor dem Tod. Denn auch das sind Trauerrituale: Zeremonien, die letztendlich trösten sollen – nicht nur über den Tod eines nahen Menschen, sondern auch über die Gewissheit hinweg, dass unser eigenes Leben endlich ist.

Adressen & Links

Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur
Weinbergstraße 25–2734117 Kassel
Tel.: (0561) 91 893-0

Die Website des Museums für Sepulkralkultur in Kassel mit Informationen über Ausstellungen und Sammlungen:
www.sepulkralmuseum.de

Autor: Stefan Venator (HR)

Stand: 25.07.2013 11:13 Uhr

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