SENDETERMIN So., 06.12.09 | 17:03 Uhr | Das Erste

Klimaschutz auf dem Teller

Was hat unser Essen mit dem Klimawandel zu tun? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine von Jesko Hirschfeld verfasste Studie. Die Studie kommt dabei zu einem überraschenden wie eindeutigem Ergebnis: "Man kann sagen, die Landwirtschaft trägt stärker zum Klimawandel bei als das bisher in der Öffentlichkeit wahrgenommen worden ist", resümiert der Forscher des Berliner Instituts für Ökologie die Kernaussage der Studie. Die deutsche Landwirtschaft trage dabei "fast so viel wie der gesamte deutsche Autoverkehr" zum Klimawandel bei.

Klimakiller Fleisch

Rindermast
Rindermast | Bild: WDR

Als besonders klimaschädlich erweist sich Fleisch. Im Rindermastbetrieb rechnet Jesko Hirschfeld vor: "Die insgesamt knapp 13 Millionen Rinder in Deutschland stoßen jährlich große Mengen Treibhausgase aus. Deren Menge entspricht 22,5 Millionen Tonnen CO2. Das ist etwa ein Drittel der Emissionen, die in Deutschland aus dem Straßenverkehr kommen." Das schließt unter anderem die Verdauung, die Futterproduktion und die Haltung ein.

Besonders problematisch erweist sich das bei der Verdauung der Rinder entstehende Treibhausgas Methan, welches ungefähr 25 mal klimaschädlicher als CO2 ist. Neben den direkten Emissionen der Tiere müssen auch die durch den Futtermittel Anbau produzierten CO2-Äquivalente in die Klimabilanz eines Steaks mit einbezogen werden. (Alles in allem werden bei der Produktion von 100 Gramm Rindfleisch 1.670 Gramm CO2-Äquivalent emittiert.)

CO2-Äquivalent

Um die verschiedenen Treibhausgase untereinander vergleichen zu können, wurde eine einheitliche Bemessungsgrundlage festgelegt. Das CO2-Äquivalent oder Treibhauspotenzial gibt an, wie viel eine bestimmte Menge eines Treibhausgases zum Treibhauseffekt beiträgt. Als Vergleichswert dient Kohlendioxid. Das CO2-Äquivalent für Methan beträgt zum Beispiel 25. Ein Kilo Methan trägt also 25 Mal stärker zum Treibhauseffekt bei als ein Kilo CO2.

Salzkartoffeln gegen Pommes

Kartoffel auf dem Feld
Kartoffel auf einem Feld | Bild: WDR

Auch Pommes Frites schneiden in Hirschfelds Studie nicht gut ab. Der Kartoffelanbau schlägt sich in der CO2-Bilanz eher geringfügig nieder: Biokartoffeln beispielsweise werden weder gedüngt noch gespritzt, was sich auf ihre Klimabilanz positiv auswirkt: 140 Gramm CO2-Äquivalente pro Kilogramm entstehen bei Kartoffeln aus dem Ökoanbau, bei konventionellem Anbau sind es dagegen 200 Gramm. Der Löwenanteil CO2-Äquivalente entsteht jedoch durch die Weiterverarbeitung zu Pommes Frites. Jesko Hirschfeld erklärt: "Sie [die Pommes Frites] werden geschält unter heißem Dampf, geschnitten, blanchiert, getrocknet, frittiert, tiefgekühlt, transportiert, wieder frittiert. […] Durch den aufwändigen Verarbeitungsprozess haben die eine sehr schlechte Klimabilanz." Das Resultat ist ein CO2-Äquivalent von über 5.700 Gramm pro Kilo.

Um die Bilanz eines Mittagessen (zum Beispiel Pommes, Steak, Salat) zu verbessern rät der Klimaforscher Hirschfeld zu folgenden Tipps, die im Alltag leicht umzusetzen sind: Treibhaussalat durch Freilandsalat aus der Saison ersetzen, zum Beispiel Feldsalat im Winter, statt Pommes Frites lieber Pellkartoffeln oder Salzkartoffeln wählen und ein kleineres Steak essen. Zusätzlich rät Jesko Hirschfeld dazu, ab und zu einen komplett vegetarischen Tag einzulegen.

Gent – eine Stadt sieht grün

Gerade für an den Fleischkonsum gewöhnte Westeuropäer ist es gar nicht so einfach einen vegetarischen Tag einzulegen. In Gent, der drittgrößten Stadt Belgiens, gibt es einen vegetarischen Tag, den "Veggie-Dag". Vizebürgermeister Tom Balthazar hat diese Kampagne mit Unterstützung der Vegetarierorganisation EVA eingeführt. Der Klimaschutz spielt dabei eine große Rolle. "Wenn alle Bürger von Gent am Veggie-Dag teilnehmen würden, könnten sie die CO2-Emissionen von 18.000 Autos einsparen", erklärt Tom Balthazar. Soweit ist es zwar noch nicht, aber die Kampagne soll jedem einen Anreiz bieten, auch mal einen Tag auf Fleisch zu verzichten. Städtische Kantinen, Schulküchen und auch die Uni-Mensen kochen donnerstags nur vegetarisch. Viele Restaurants setzen besondere fleischlose Gerichte auf ihre Speisekarte. Und die Kampagne hat Erfolg: Inzwischen essen die Genter doppelt so viele vegetarische Gerichte wie noch vor Einführung des Veggie-Days. Dass der Verzicht auf Fleisch nicht zwangsweise zum Verzicht auf Geschmack führen muss, zeigen verschiedene Gourmet-Restaurants, die an dem Veggie-Dag teilnehmen.

Adressen & Links

IFEU, das Institut für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg, hat sich ebenfalls mit der Klimawirkung von Lebensmitteln befasst. In einer Studie werden regionale Lebensmittel mit Produkten aus überregionaler und internationaler Produktion verglichen, und zwar am Beispiel von Apfel, Kopfsalat, Bier, Brot und Milch. Auf der Seite befindet sich eine Zusammenfassung, sowie Links für den Download einer Kurz- und einer Langfassung der Studie:
www.ifeu.de

Eine Reportage der britischen Zeitung "The Guardian" über die Einführung des vegetarischen Donnerstag in Gent am 14.5.2009 (engl.):
www.guardian.co.uk

Interessante Fragen und Antworten rund um den vegetarischen Donnerstag in Gent (engl):
www.vegetarisme.be

Autoren: Ravi Karmalker/Lars Westermann (WDR)

Stand: 27.08.2013 10:04 Uhr

Sendetermin

So., 06.12.09 | 17:03 Uhr
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