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Mimikry

Tarnen und Täuschen, Lügen und Betrügen – dazu sind nicht nur Menschen imstande. Auch in der Tier- und Pflanzenwelt geht es so zu.

Eine getarnte Heuschrecke
Eine getarnte Blattheuschrecke | Bild: picture-alliance/OKAPIA

Mit dem Begriff der Mimese beispielsweise beschreiben Forscher das Phänomen, dass manche Tiere oder Pflanzen ihre Umgebung nachahmen. So zum Beispiel das Wandelnde Blatt, ein Insekt, das ein Blatt imitiert; oder Frösche, die welke Blätter nachahmen, um sich zu tarnen. Noch einen Schritt weiter geht die Mimikry, bei der das Tier oder die Pflanze ein nachgeahmtes, also gefälschtes Signal aussendet, um einen dritten Beteiligten zu täuschen. Dabei vermischen sich regelmäßig die Rollen von Blendern und Verblendeten.

Die Sache mit den Bienchen und den Blümchen lässt Klaus Lunau seit Jahrzehnten keine Ruhe. Nicht im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich: Er beschäftigt sich wissenschaftlich mit der Frage wie Insekten und Blumen zusammenkommen. Das Fachgebiet des Zoologen an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf ist das Phänomen der Mimikry. Dabei geht es um Signalfälschung bei Tieren und Pflanzen, wie er erklärt: "Zu einem Mimikry-System gehören immer drei Protagonisten: Zum einen ein ursprünglicher Signalgeber, dann ein Organismus, der dieses Signal nachahmt und schließlich ein Empfänger, der die beiden Signale miteinander verwechselt."

Fisch an der Angel – Angel am Fisch

Eines der bekanntesten Beispiele lauert in den Riffen und den Tiefen der Meere: Der Anglerfisch ist ein raffinierter Jäger. Hierbei handelt es sich nicht um eine einzelne Fischart, sondern um eine Gattung, die in verschiedenen Arten zu finden ist. Bei den Anglerfischen ist der vorderste Strahl der Rückenflosse zu einer Angel ausgebildet, an der ein kleiner Fortsatz zappelt. Dieser ähnelt einem Wurm oder kleinen Fisch, der wiederum andere Fische vor das lauernde Maul lockt. Kommen sie dem Anglerfisch zu nahe, schnappt dieser zu. "Ganz klar ein Fall von Lockmimikry", sagt Lunau.

Mimikry: mal verlockend, mal schützend

Das Gegenteil davon ist die Schutzmimikry. Auf sie setzt in einer anderen Dreiecksbeziehung die Rote Königsnatter, indem sie optisch die extrem giftige Korallenotter nachahmt. Lediglich die Reihenfolge der roten, weißen und schwarzen Streifen weicht vom Original ab.
Damit schützt sich die harmlose Königsnatter vor möglichen Fressfeinden. Denn selbst mit Falkenaugen ist der Unterschied nicht zu erkennen. Doch die gefiederten Jäger haben bei der Korallenotter gelernt, dass diese drei Farben für Gefahr und Ungenießbarkeit stehen.

Deutscher Fälscherring

Ein auch hierzulande bekannter Fälscherring ist der der Schwebfliegen. Die raffinierten Betrüger geben sich zum Selbstschutz als Bienen oder Wespen aus. Nahezu perfekt in ihrer Tarnung ist dabei die sogenannte Mistbiene. Diese harmlose Fliege, die ihre Eier in Misthaufen legt, verdankt ihren Namen dem für Bienen typischen, fellartigen Kragen und Körperbau. Nur der Stachel fehlt. Bei ihr lässt sich Lunau zufolge die Ironie des Schicksals beobachten: Auch blendende Mimikry-Experten wie die Mistbiene fallen selbst auf andere Betrüger herein und lassen sich blenden.

"Eines der artenreichsten Mimikry-Systeme weltweit gesehen ist die Mimikry von Blütenpflanzen, die ihre eigenen Staubgefäße imitieren", so Lunau. Demnach müssen Blütenpflanzen Staubgefäße anbieten, um den Pollen durch blütenbesuchende Insekten – also Bestäuber – von einer Blüte zu einer anderen Blüte transportieren zu lassen.

Um diesen Pollentransport anzukurbeln, machen die Blumen trügerische Lockangebote: Sie imitieren ihre eigenen Staubgefäße, denn oft haben sie zu wenig davon, um Werbung damit machen zu können, oder sie müssen den echten Pollen verstecken, um ihn vor den gefährlichen UV-Strahlen zu beschützen, da er das genetische Material enthält. "Diese Funktion eines Pollensonnenschutzes übernehmen gelbe Pigmente, so genannte Flavonoide", erklärt Klaus Lunau und fährt fort: "Diese färben den Pollen typischerweise gelb." Dieses UV-absorbierende Pollengelb ist für das menschliche Auge nicht sichtbar; aber für Insekten unwiderstehlich. Aus diesem Grund markieren Pflanzen wie der Sauerklee die gesamte Umgebung der Staubgefäße in dieser gelben Signalfarbe und vervielfachen damit die Lockwirkung.

Flugverkehr im Laborversuch

Blüte mit gelben Blütenpollen
Sauerkleeblüte mit gelbem Bereich um die Staubgefäße. | Bild: NDR

Der Zoologe Klaus Lunau hat bei Blüten der Irisgattung sogar regelrechte Landebahnmarkierungen identifiziert, mit denen nektarsuchende Bienen direkt zum Pollen geführt werden. Lunau hat dieses Prinzip in zahlreichen Experimenten und Laborversuchen bewiesen und dabei auch festgestellt, dass Insekten instinktiv am stärksten auf das Pollengelb ansprechen – selbst, wenn sie noch nie eine echte Blume gesehen haben, also blütennaiv sind. Damit machen sie es den Betrügern und Blendern der Pflanzenwelt besonders leicht. "Bei der Schwebfliege haben wir es sehr genau analysiert: Sie reagiert ausschließlich auf dieses UV-absorbierende Gelb; wenn wir auch nur ein wenig ultraviolettes oder blaues Licht hineinmischen, verwechselt sie es nicht mehr mit Pollen und streckt ihren Rüssel nicht mehr aus", erklärt Lunau.
So hat Klaus Lunau diesen Fall gelöst. Doch für ihn gilt es noch viele weitere Mimikry-Betrugsfälle aufzuklären. Und sollte es bei den Bienchen und Blümchen wirklich zugehen wie beim Menschen, bleibt womöglich so mancher Blender unentdeckt.

Adressen & Links

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Gebäude 26.13
Ebene U1
Universitätsstraße1
40225 Düsseldorf
E-Mail: lunau(at)uni-duesseldorf.de
Internet: www.biologie.uni-duesseldorf.de

Über die Mimikry in Abgrenzung zur sogenannten Mimese gibt es Informationen unter:
www.was-ist-mimikry.de

Literatur

Klaus Lunau
"Warnen, Tarnen, Täuschen: Mimikry und andere Überlebensstrategien in der Natur"
Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2002
184 Seiten, 49,90 Euro

Wolfgang Wickler
"Mimikry. Nachahmung und Täuschung in der Natur"
(meist nur in gut sortierten Bibliotheken erhältlich)
Kindler-Verlag (Neuauflage 1982)

Autorin: Kristal Davidson

Stand: 11.05.2012 13:02 Uhr

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