So., 13.09.09 | 17:03 Uhr
Das Erste
Projekt Desertec – Wie ein Visionär die Welt verändern will
Die Sonne ist die Quelle aller Energie auf Erden und ihre Kraft ist der Treibstoff einer gigantischen Energievision. Es ist die Vision von Gerhard Knies. Er glaubt, dass er mit Hilfe der Sonne unser größtes Energieproblem lösen kann: "Das haben zwar schon verschiedene vor mir auch schon versucht, vielleicht sind aber die Umstände jetzt drängender geworden. Also, der Klimawandel verschärft sich. Früher war es nur ein Energieversorgungsproblem, heute ist es mehr das Klimaproblem, das uns zum Tempo zwingt."
Situation zwingt zum Tempo
Mit Tempo suchen daher Wissenschaftler in aller Welt nach Lösungen zur alternativen Energieerzeugung etwa durch Wind, Biomasse oder eben mit Hilfe der Sonne. "Inzwischen ist klar, mit Kohle machen wir das Klima total kaputt, mit Kernenergie kommen wir gar nicht mit im Tempo, also brauchen wir etwas, das sehr schnell und sehr sauber geht, und dieses kann sehr schnell gehen und kann sehr sauber sein". Mit 'dieses' meint Gerhard Knies sein Energiekonzept. Nur sechs Stunden Sonnenlicht in den Wüsten der Erde würden ausreichen, um den Energiebedarf der gesamten Menschheit ein Jahr lang zu stillen. Diese Energie will er nutzbar machen.
Den Schlüssel zur Umsetzung dieser Idee bilden solche Turmkraftwerke, in denen das Licht der Sonne über Spiegel gelenkt auf einen Punkt konzentriert wird. Dabei entstehen Temperaturen weit über 1.000 Grad. Eine enorme Energie, die über Turbinen zur Stromversorgung in Europa genutzt werden kann. Doch ein großes Problem für die Turmkraftwerke in der Wüste sind die Kosten von rund 400 Milliarden Euro. Für Gerhard Knies ist das kein wirkliches Problem: "Wir sprechen hier von Kosten, die im Bereich dessen liegen, was wir sowieso im Energiesektor ausgeben. Und jetzt ist die Frage doch nur, wofür wir dieses Geld ausgeben, für Kernenergie, für Kohlekraftwerke oder für Solarkollektoren."
Vision aus Vernunft
Professor Hans Müller-Steinhagen ist ein Mitstreiter für die Turmkraftwerke von Gerhard Knies. Der Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt hat die Machbarkeit des Sonnenprojektes namens Desertec auf Praxistauglichkeit überprüft. Sein Urteil ist eindeutig: "Das wird ein Thema sein und bleiben, das man einfach nicht mehr umgehen kann, also ich glaube, Desertec kommt." Bereits heute erzeugen Sonnenkraftwerke zum Beispiel in Spanien Strom. Doch mit der geplanten Übertragung von der Sahara bis nach Europa betreten die Forscher technisches Neuland.
Ein Netz aus Gleichstromleitungen soll von Afrika bis zu uns führen. Eine Strecke von rund 3.000 Kilometern. Dr. Gerhard Knies, Projekt Desertec. "Ob man eine Leitung zwei Meter lang macht oder drei Meter, das leuchtet jedem ein, wenn man zwei Meter kann, kann man auch drei Meter", meint Knies und das soll heißen, wenn der Gleichstrom bereits über 2.000 Kilometer übertragen wurde, dann muss es auch über 3.000 Kilometer funktionieren. "Das ist alles dieselbe Technik, es gibt keine wirkliche Grenze für die Länge der Leitungen."
Kritische Stimmen
Trotz dieser Euphorie gibt es auch Bedenken. Experten warnen davor, so große Solarkraftwerke in politisch instabilen Gegenden zu bauen, da man sich so in eine ähnliche Abhängigkeit wie beim Öl begeben würde. Außerdem gibt es noch keine Stromnetze, die solche Strommengen transportieren können. Eine weitere Frage ist: Wie werden die Solarpaneele saubergehalten, schadet ihnen der Wüstensand?
Energiehunger
Gerhard Knies aber ist von seiner Idee überzeugt. Seit Jahren beobachtet er die technischen Fortschritte der Solar-Forscher. In speziellen Absorber-Rohren etwa soll im fernen Afrika von der Sonne aufgeheizte Flüssigkeit die Energie transportieren. Mit künstlichen Sonnen wird im Labor das Potenzial des Materials überprüft. Und spezielle Spiegel sind so konzipiert, dass sie das Licht der Sonne optimal bündeln. Doch auch die besten Solarkraftwerke werden nicht ausreichen, um unseren Energiehunger zu stillen. "Wir werden nach unseren Szenarien 15 Prozent der europäischen Stromversorgung aus solarthermischen Kraftwerken decken, da bleiben 85 Prozent und von diesen 85 Prozent wird ein signifikanter Anteil auch durch Wind, Wellen, Geothermie und Bio beigetragen werden", so DLR-Forscher Hans Müller- Steinhagen. Das Projekt Desertec ist also kein reines Solarprojekt. Windkraftwerke, Photovoltaik, Wasserkraft, Bioenergie und Erdwärme sind fester Bestandteil jener Energie-Vision, die Afrika mit Europa über lange Leitungen verbinden soll.
Aber machen uns diese Leitungen nicht von der Dritten Welt abhängig? "Diese Leitungen, die man da baut, die verbinden. Die verbinden die Wirtschaft, die verbinden auch die Menschen, an beiden Seiten hängt man dran und ich denke, das wird den ganzen Stil des Zusammenlebens verändern. Zehn Milliarden Menschen können eben nur zusammen leben, wenn sie kooperieren und nicht wenn sie gegeneinander arbeiten", so das Credo von Gerhard Knies.
Adressen & Links
Der Beitrag des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt am Projekt Desertec.
www.dlr.de
Autor: Axel Wagner (SWR)
Stand: 31.10.2014 15:05 Uhr