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Die erweiterte Wirklichkeit

Großaufnahme Handy Display mit Bild Münchner Rathaus und Kurztext aus Wikipedia
Smartphone: Realbild, ergänzt mit Kurztext aus Wikipedia | Bild: BR

Informationen gibt es heute genug, vor allem in der virtuellen Welt des Internets. Doch nicht immer hat man diese parat, wenn man sie braucht. Zum Beispiel in einer fremden Stadt, im Urlaub oder beim Einkaufsbummel in der Fußgängerzone. Mit der neuen Generation der Smartphones könnte sich das ändern. Sie sollen uns mit Informationen versorgen, wann und wo immer wir sie brauchen. Hält man die Kamera seines Mobiltelefons auf ein Gebäude, erscheinen im Display Kurztexte aus Wikipedia. Nach dem gleichen Prinzip erfährt man, was die nächstgelegene Pizzeria zu bieten hat oder bekommt freie Mietwohnungen im Umkreis angezeigt. Erweiterte Realität oder "Augmented Reality" sagen Experten dazu – die digitale Information verschmilzt mit der Umwelt des Benutzers.

Neue Weltsicht

Computeranimation zeigt wie Smartphone Kathedrale filmt, Handy empfängt GPS-Signal von links oben, Internet-Verbindung von rechts
Kamera, GPS-Modul, Internetzugang | Bild: BR

Um das Stadtbild mit virtuellen Informationen anzufüttern, braucht das Smartphone nur eine Kamera, Internetzugang und einen GPS-Empfänger. Die Funktionsweise ist relativ einfach: Die reale Welt wird gefilmt, auf dem Bildschirm legt eine spezielle Software zusätzliche Informationen über das Filmbild der Umgebung - "Outernet" statt Internet. Wo früher der Reiseführer zum Einsatz kam, haften in Zukunft virtuelle Merkzettel an den Gebäuden in der Fußgängerzone. Statt den Immobilienteil der Tageszeitung zu studieren, wird uns bald ein Handy bei der Wohnungssuche unterstützen. Außerdem können wir die erweiterte Realität selbst mitgestalten, zum Beispiel indem wir einen virtuellen Smiley an einem Restaurant platzieren, um es anderen zu empfehlen. Die größten Veränderungen aber - glauben IT-Experten und Forscher - wird es am Arbeitsplatz geben: Monteure könnten sich den nächsten Arbeitsschritt direkt in ihr Sichtfeld einblenden lassen, ein Chirurg Operationen mithilfe einer virtuellen Projektion auf dem Körper des Patienten durchführen oder Designer mit virtuell anwesenden Kollegen am selben 3D-Modell arbeiten.

Parallelwelt im Computerspiel

Zwei Spieler stehen mit Kopfhörer auf Wiese und blicken auf Mini-Computer in ihrer Hand
Computerspiel im öffentlichen Raum | Bild: BR

Noch sind die Darstellungen auf den Smartphones relativ einfach. Doch "Erweiterte Realität" muss nicht auf Kurztexte oder Symbole beschränkt bleiben. Wissenschaftler vom Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik in Sankt Augustin forschen bereits an dreidimensionalen Computerspielen, bei denen sie virtuelle Objekte und Realität miteinander verschmelzen lassen. Dazu brauchen die Forscher einen Minicomputer mit GPS-Empfänger und eingebauter Kamera, sowie Kopfhörer für die Spielanweisungen. "Time Warp" heißt ihr Spiel, bei dem die Teilnehmer auf eine Zeitreise durch die Kölner Innenstadt geschickt werden. Sie folgen den Anweisungen der berühmten Heinzelmännchen und müssen ihnen helfen, das "Raum-Zeit-Kontinuum wieder herzustellen". Dabei reisen sie ins Mittelalter, in die Römerzeit oder in die Zukunft. Das Besondere an dem Spiel: Die 3D-Darstellung passt sich den Bewegungen der Spieler an und ist täuschend echt in die reale Umgebung eingebettet: Ein römischer Torbogen taucht auf, wo eigentlich nur eine Wiese ist - echte Möwen fliegen durch virtuelle Ufos. Allerdings haben die Untersuchungen auch ergeben, dass die Spieler fast ihre gesamte Aufmerksamkeit benötigen, um dem Spiel zu folgen. Die Gefahr der Ablenkung gerade im öffentlichen Raum oder im Straßenverkehr ist nicht zu unterschätzen.

Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt: Realität 2.0

Szene aus Computerspiel: Virtueller Torbogen erscheint auf Wiese am Rheinufer, links oben im Bild: Virtueller Spielleiter
Erweiterte Realität: römischer Torbogen am Kölner Rheinufer | Bild: BR

Wolfgang Broll, der die Untersuchungen am Fraunhofer-Institut leitet, ist sich jedoch sicher, dass die Technologie nicht auf den Spiele-Bereich beschränkt bleiben wird. Denkbar wären zum Beispiel virtuelle Stadtführungen oder die Simulation historischer Straßenzüge, die digital wieder aufgebaut werden – ganz nach dem Motto einer berühmten Kinderbuchfigur: Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt! Noch steckt die Technologie in den Kinderschuhen. Wegen ihrer geringen Rechenleistung können die Smartphones nur einfache Texte und Symbole darstellen. Außerdem ist das GPS-Signal relativ ungenau. Doch der Fraunhofer Forscher blickt in eine digitale Zukunft: Nachfolgende Generationen werden die Welt, wie sie heute existiert, nur noch aus Erzählungen kennen. Es wird künftig am gleichen Ort verschiedene Welten geben, digital erweitert und individualisiert, zugänglich nur für bestimmte Nutzergruppen. Virtueller und öffentlicher Raum werden zusammenwachsen und unsere Weltsicht maßgeblich verändern.

Adressen & Links

Forschungen zum Thema "Erweiterte Realität" bei Computerspielen:
www.fit.fraunhofer.de
Adresse:
Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnik
Schloss Birlinghoven
53754 Sankt Augustin
Tel.: (02241) 14 27 15

Forschungen zum Thema "Erweiterte Realität" im Logistik-Bereich:
www.fml.mw.tum.de
Adresse:
Technische Universität München
Lehrstuhl für Fördertechnik Materialfluss Logistik
Boltzmannstraße 15
85748 Garching b. München
Tel.: (089) 289-15921

Forschungen zum Thema "Erweiterte Realität" in der Medizin:
www.in.tum.de
Adresse:
Technische Universität München
Institut für Informatik
Boltzmannstr. 3
85748 Garching bei München
Tel.: (089) 289-17073

Applikation für Smartphones:
www.wikitude.org

Definition: Augmented Reality

= erweiterte Realität
Im Gegensatz zur virtuellen Realität, bei der ein Benutzer komplett in die virtuelle Welt eintaucht, bekommt er bei der erweiterten Realität digitale Zusatzinformationen in der realen Welt angezeigt. Dies sind bislang einfache Symbole oder Kurztexte auf Smartphones, denkbar wären aber auch dreidimensionale Animationen oder Sound-Effekte.

Autor: Boris Geiger (BR)

Stand: 24.09.2015 13:54 Uhr

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