So., 06.06.10 | 17:03 Uhr
Das Erste
Die perfekte Jeans?
Jeans sind seit mehreren Jahrzehnten eines der beliebtesten Kleidungsstücke der westlichen Welt. Fast jeder verschleißt mindestens ein Dutzend davon in seinem Leben. Mittlerweile sind einige der Hosen mit einem neuen Zeichen markiert: organic cotton. Es handelt sich dabei um ein Siegel für Biobaumwolle, die mit weniger Wasser und ohne Pestizide produziert wird. Ist der Anbau von Baumwolle tatsächlich ein Problem für die Umwelt? Und könnte eine Jeans aus Hanf die Alternative sein? W wie Wissen wollte das genauer wissen.
Umweltproblem Baumwolle
Professor Armin Reller von der Universität Augsburg ist Fachmann für Baumwolle und findet klare Worte: „Die Baumwolle wird an Orten angepflanzt, wo sie eigentlich nicht hingehört und dort braucht sie extrem viel Wasser.“ Berechnungen haben ergeben, dass eine Jeans je nach Anbaugebiet bis zu 10.000 Liter Frischwasser verbraucht. Bei weltweit gut 1,8 Milliarden Jeans pro Jahr, ist das eine Menge.
Das verheerendste Beispiel ist der Baumwollanbau am Aralsee. Er war einmal der viertgrößte Binnensee der Erde, so groß wie Bayern. Seit 1960 ist er aber um die Hälfte geschrumpft. Der Grund: Die Sowjetunion wollte in den 50er-Jahren unabhängig von Baumwollimporten werden und legte riesige Baumwollfelder an. Doch die Gegend ist eigentlich zu trocken dafür. Also zapfte man die Zuflüsse des Sees an, um die Pflanzen zu bewässern. Außerdem wurden die Felder intensiv mit Pestiziden und Dünger behandelt. Diese Stoffe gelangten ins Grundwasser und bedrohen nun die Gesundheit der dort lebenden Menschen. Die Lebenserwartung ist dort im Moment nur noch 51 Jahre, so Reller.
Der Anbau von Baumwolle, vor allem außerhalb ihres Naturraumes, erzeugt also massive Umweltprobleme. Und was ist mit der Biobaumwolle? Die wird nicht mit Pestiziden und Dünger behandelt, was ein großer Vorteil ist. Außerdem bearbeitet man beim ökologischen Anbau den Boden anders, so dass er Wasser besser speichern kann. Biobaumwolle kommt daher meist mit weniger Wasser aus. Wenn der Anbau von Baumwolle jedoch mit so massiven Umweltbelastungen verbunden ist, stellt sich die Frage: Muss es denn unbedingt Baumwolle sein?
Hanf könnte die Jeanswelt revolutionieren
Professor Reller erklärt, dass es früher eine andere wichtige Textilpflanze gab, die dann von der Baumwolle verdrängt wurde: Hanf. Die erste Levis Jeans 1870 war eine Hanfhose. Auch Dr. Helga Mölleken von der Bergischen Universität Wuppertal schwärmt vom Hanf. Vor 250 Jahren sei es durchaus üblich gewesen Hosen aus Hanf herzustellen. Denn damals gab es viele Hanffelder in Deutschland. Hanf ist nämlich eine sehr anspruchslose Pflanze. Er braucht viel weniger Wasser als Baumwolle, denn er hat eine sehr lange Wurzel, so dass er auch aus tieferen Bodenregionen Wasser aufnehmen kann. Auch Pestizide und Dünger benötigt er nicht, denn die Hanfpflanze wächst so schnell, dass andere Pflanzen, eben auch Unkräuter, keine Konkurrenten sind. Eigentlich perfekt.
Dummerweise kann man sich mit dieser Pflanze – genaugenommen mit dem daraus gewonnenen Cannabis – aber auch berauschen, und das hat dem Hanf gründlich den Ruf verdorben. Hanf als Textillieferant verschwand im 20. Jahrhundert fast vollständig vom Markt. Jetzt gibt es wieder erste Hanfhosen auf dem Markt.
Eine Hanfhose muss her!
Aber leider ist es nicht ganz so einfach, eine Hanfhose im Laden zu kaufen. W wie Wissen kauft sie im Internet bei einem Anbieter für Hanfklamotten. Die Hose aus Hanf sieht aus wie eine normale Jeans. Der Stoff fühlt sich angenehm an, die Hose sitzt – Tragekomfort und Optik überzeugen schon mal. Aber hält sie auch so viel aus wie eine Baumwolljeans? Dr. Thomas Bahners arbeitet beim Deutschen Textilforschungszentrum in Krefeld. Zu unserer Überraschung trägt er selbst Hanf-Jeans! Er hat Hanfhosen den Standardtests unterzogen und kommt zu dem Ergebnis, dass sie mindestens so gut wie Baumwollhosen sind. Was die Scheuerbeständigkeit angeht, sind die Hanfjeans sogar deutlich überlegen. Und Die Hanfhose nimmt Hautschweiß viel schneller auf und hält ihn auch fest. „Das heißt, die Hose ist im Sommer immer trocken und kühl“, erläutert Thomas Bahners. Die Hanfjeans ist der Baumwolljeans also in allen Belangen überlegen.
Fazit: Schade, dass man Hanfhosen noch nicht überall im Laden finden kann. Hanfkleidung ist zurzeit ein Nischenprodukt. Die Produktion einer Hanfjeans in Europa kostet derzeit etwa fünf Mal mehr als die einer Baumwolljeans. Die wenigen Anbieter lassen in China fertigen, obwohl der Rohstoff natürlich auch hier in Europa gedeihen könnte. Das Problem ist die Weiterverarbeitung, weil die immer noch per Hand statt findet. Hanfhosen statt Baumwollhosen – im großen Maßstab Zukunftsmusik. Solange keine Maschinen für die industrielle und schnelle Verarbeitung entwickelt werden, kann Hanf nicht mit der billigen Baumwolle konkurrieren. Aber eine Chance für eine saubere Textilindustrie!
Adressen & Links
Label für Textilien:
Welches Label garantiert mir, dass das Kleidungsstück aus biologisch angebauter Baumwolle hergestellt wurde? Worauf muss ich achten, wenn ich Kleidung einkaufe? Die Zeitschrift Öko-Test hat das überprüft. Sie hat ihre Ergebnisse auf diesen beiden Seiten zusammengestellt. Hilfreich, für alle, die wissen möchten, was sie tragen.
Ökotest - Seite 1 (PDF)
Ökotest - Seite 2 (PDF)
Die "Kampagne für saubere Kleidung" ist ein weltweites Netzwerk von 300 Organisationen, die für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Textil- und Bekleidungsindustrie eintreten. In Deutschland gehören über 20 Organisationen zur Kampagne, darunter ver.di, INKOTA, TERRE DES FEMMES, die Christliche Initiative Romero und NETZ Bangladesch.
www.saubere-kleidung.de
Kirsten Brodde, ehemalige Redakteurin des Greenpeace-Magazins, stellt auf ihrer Website allerhand Interessantes zum Thema Mode, Textilproduktion und Umwelt zusammen. Mit umfangreicher Sammlung von Presseartikeln zum Thema und hilfreichen Links.
www.kirstenbrodde.de
Literatur
Saubere Sachen
Kirsten Brodde
Ludwig Buchverlag, 2009
16,95 Euro
Textilexpertin Kirsten Brodde beschreibt anschaulich, wie man ökologisch korrekt einkaufen kann. Wer wissen möchte, was er auf der Haut trägt, findet hier wichtige, zum Teil auch überraschende Informationen.
Autorin: Pia Huneke (WDR)
Stand: 03.11.2015 10:16 Uhr